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Bewegtbildwerbung und das Ringen um Effizienz

Karsten Zunke, 14. November 2023
Bild: Jakob Owens - Unsplash

In einem sind sich alle Expert:innen einig: digitale Bewegtbildwerbung hat enormes Potenzial – schon allein, da sie auf einer Vielzahl von Geräten und in vielfältigsten Formen möglich ist. Aber genau das ist auch das Problem. Diese extreme Fragmentierung bremst die Effizienz aus. Technische Innovationen könnten helfen, die Hürden zu überwinden.

Digitale Bewegtbildwerbung ist zu einem zentralen Instrument für Werbetreibende geworden. Die Entwicklung war rasant, immer wieder werden neue Möglichkeiten und Kanäle ausgelotet, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu gewinnen. Ob auf Smartphones, Tablets, Computer, Smart TVs oder LED-Werbetafeln in der Außenwerbung: Nahezu überall kann digitale Bewegtbildwerbung stattfinden. Und überall muss sie andere technische Anforderungen erfüllen. In der schnelllebigen digitalen Landschaft bleibt die Effizienz gern auf der Strecke. Sie betrifft nicht nur Reichweite und Sichtbarkeit, sondern insbesondere auch die Qualität der Auslieferungen und Interaktionen. Die große Hoffnung ist, dass weitere Innovationen mehr Effizienz in die digitale Bewegtbildwerbung bringen. Doch die Herausforderungen sind groß.

Silos und Fragmente behindern die Effizienz massiv

Bild: GroupM Nicole Ferguson, GroupM

"Es wurden zwar schon einige Fortschritte gemacht, aber wir haben insgesamt auch noch große Baustellen vor uns", sagt Nicole Ferguson, Managing Director, GroupM Competence Center. Einen bedeutenden Grund für die Herausforderungen sieht sie in der die enorme Fragmentierung digitaler Bewegtbildwerbung (Online-Video, Social-Video, Connected TV etc.). "Innerhalb der einzelnen Silos bekommen wir eine Aussteuerung und Optimierung gut hin. Eine große Herausforderung ist aber nach wie vor die übergreifende Aktivierung, Optimierung und Messung." Auch die Frage einer übergreifenden Währung stehe noch im Raum. In der Wahrnehmung von Ferguson haben alle Marktteilnehmer erkannt, dass es hier einen großen Bedarf gibt. Nicht alle Lösungen scheinen der Expertin aber aktuell weitreichend genug. Daher arbeitet man auch bei der GroupM an Lösungen, die die Bewegtbildplanung silofrei zu ermöglichen. "Wenn ich die Effizienz aus der Produktsicht betrachte, haben wir bereits Fortschritte gemacht, beispielsweise im Bereich Dynamic Creatives. Hier gibt es immer neue Entwicklungen, die die Ausspielung von Bewegtbildwerbung zunehmend effizienter machen."

Überholte Strukturen und Desinteresse sind problematisch

Bild: Invendo Media Consulting Jan-Peter Reineke, Invendo Media Consulting

Aber es sind nicht nur die technischen Aspekte, an denen noch gearbeitet werden kann. Das Problem sitzt in der Regel tiefer. Nach Einschätzung von Jan-Peter Reineke, Co-Founder und CEO/CFO von Invendo Media Consulting sind mit den Technologien, Daten, KI und Inventaren die wesentlichen Voraussetzungen für eine effiziente Videowerbung gegeben. Doch für eine wirkliche "Integrated Screen Planning" fehlt dem Experten zufolge vielerorts noch das Verständnis für die damit verbundenen Veränderungen. "Hier müssen wir über das Problem etablierter Industrien sprechen", sagt Reineke. "Alte, zum Teil überholte Strukturen, Angst vor Veränderungen, aber auch das ‚Satt sein‘ sind die typischen Entwicklungsverhinderer".

Bild: Scenecontext.ai Arndt C. Groth, Scenecontext.ai

Insbesondere, dass Bewegtbildwerbung im linearen TV groß geworden ist, wirkt noch heute nach. In der analogen Werbewelt galten komplett andere Buchungs- und Auslieferungsmechanismen. Messbar war wenig. "Obwohl in den letzten Jahren auch bei der Bewegtbildbildwerbung technologisch sehr viel passiert ist, agiert die Branche – gerade im linearen TV – immer noch wie vor 20 Jahren", sagt Arndt C. Groth, Co-Founder von Scenecontext.ai. Seiner Einschätzung zufolge liegt dies daran, dass die großen Sender über die klassische TV-Werbung nach wie vor gutes Geld verdienen und deshalb nur wenig Interesse an Innovationen zeigen. "Diese Reaktanz hat natürlich Auswirkungen auf die Effizienz von Bewegtbildwerbung gegenüber den anderen Medienkanälen sowohl in Bezug auf Planungsoptimierung als auch die fehlende Zielgruppengenauigkeit gegenüber anderen digital Werbeträgern", so Groth. Er geht davon aus, dass sich im Zuge des Markteintrittes der großen Streaminganbieter in den AVoD-Markt alle Player bewegen müssen.

Viele Formate, viele Geräte, eine Herausforderung

Bild: Pubmatic Leonhard Sauer, Pubmatic

Und nicht nur das Advertising Video on Demand (AVoD) bringt Schwung in den Markt. Effizienzhürden müssen überall überwunden werden. "Eine Herausforderung besteht in den unterschiedlichen Videoformaten", sagt Leonhard Sauer, Interim Country Manager, Central Europe bei Pubmatic. So erzielen beispielsweise Instream und Outstream unterschiedliche Leistungswerte (eTKP, VTR, Werbewirkung), was die Auswahl des richtigen Formats komplex macht. Im Crossdevice-Marketing sieht Sauer eine weitere Hürde, denn die zielgenaue Ansprache über verschiedene Geräte hinweg erfordert präzise Koordination und Umsetzung. Schwierig ist nicht zuletzt das Targeting und die Identifikation der Zielgruppe. Daten liegen in Silos und sind schwer über verschiedene Identifier zu verknüpfen. "Diese Herausforderungen erfordern innovative Lösungen", sagt Sauer und hat dafür einige Vorschläge. Abhilfe könnten aus seiner Sicht IP-basierte Lösungen, Nutzer-basierte Lösungen sowie klare Definitionen und Ansteuerbarkeiten schaffen. "In Fällen, in denen IP-basierte und Nutzer-basierte Lösungen noch nicht vollständig greifen, können klare Definitionen und Ansteuerbarkeiten helfen. Dies bedeutet, dass für jede Plattform und jedes Format klare Standards und Richtlinien festgelegt werden, um sicherzustellen, dass das volle Potenzial von Bewegtbildwerbung ausgeschöpft wird." Dies könne dazu beitragen, die Fragmentierung und Komplexität in der Werbelandschaft zu reduzieren.

Erste Schritte in die richtige Richtung

Bild: Foxxum Ronny Lutzi, Foxxum

Beim Smart-TV-Technologieunternehmen Foxxum sieht man Messbarkeit, Attribution und Frequenz als die größten Herausforderungen für die digitale Bewegtbildwerbung. "Als Industrie haben wir aber eine größere Herausforderung – und das ist die Vereinheitlichung, vor allem im Bereich CTV", sagt Ronny Lutzi, Mitbegründer und CEO von Foxxum. Er ist überzeugt: Wenn alle Beteiligten in der Branche auf einen Nenner kämen, würde sich nicht nur die Effizienz verbessern, sondern auch die Komplexität reduzieren. Technisch gibt es viele Lichtblicke. Auf Plattform-/Kanalebene gibt es zum Beispiel mittlerweile Tools von Adserver Vendoren zur Frequezoptimierung, so dass Nutzende nicht im selben Werbeblock mehrfach vom gleichen Werbespot erreicht werden, wie man es vom traditionellen Fernsehen kennt. "Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, denn so können sowohl Plattformtreibende die Nutzererfahrung optimieren als auch Werbetreibende sicher gehen, dass ihre Impressions effizient verteilt werden", sagt Lutzi.

KI verbessert kontextuelles Targeting und Brand Safety

Bild: Glomex Lars Friedrichs, Glomex

Bei der Prosiebensat.1 Media SE-Tochter Glomex beschäftigt man sich derzeit mit zwei Effizienzthemen: Wie kann eine stärkere Personalisierung der Werbemittel gelingen, ohne dass dadurch die Kosten den Nutzen überwiegen? Und wie kann eine bessere Platzierung der Werbung in den passenden Umfeldern erreicht werden? Das Unternehmen hat bereits Ideen, wie sich diese Probleme lösen lassen. "Durch den Einsatz von KI lassen sich die kontextuellen Ausspielungen deutlich verbessern und vor allem die semantischen Zusammenhänge besser erkennen", sagt Lars Friedrichs, Managing Director, Glomex.

Auch für Arndt Groth steht das kontextuelle Targeting mit Hilfe von KI ganz vorn. Mit Scenecontext.ai bietet sein Unternehmen schon seit 2021 Contextual-Lösungen an. Der große Vorteil gegenüber herkömmlichem Targeting: es funktioniert auch in Bewegtbild. "Wir arbeiten dabei komplett ohne personenbezogene Daten oder Cookies und wir matchen die Platzierungen mit IAB-Kategorien", betont Groth. Beim Thema Brand Safety hilft KI ebenfalls, beispielsweise indem sie in Social-Video-Content für Kinder ungeeignete Umfelder identifiziert. Advertiser können dank KI auch sicherstellen, dass die Spots mit ihren Marken nicht auf den falschen Streams ausgespielt werden. "Durch die Kombination von Videobild-, Text- und Audioerkennung erreichen wir eine bislang ungeahnte Genauigkeit", schwärmt Groth.

Effizienter mit dynamischen Videos

Auch wenn KI – nicht nur aufgrund der Popularität von ChatGPT – in aller Munde ist: Es gibt noch weitere Innovationen, die zwar weniger schillernd, aber für die Praxis ebenso wertvoll sein können. Eine weitere, spannende Entwicklung ist beispielsweise im Bereich der dynamischen Videogenerierung zu beobachten. Bei Glomex hat man eine Lösung entwickelt, die aus Video und strukturierten Daten erst bei Abruf des Videos clientseitig das Video generiert. "Dadurch lassen sich hyperpersonalisierte Videowerbungen erzeugen, ohne dass alle Varianten vorab erzeugt werden müssen", erläutert Friedrichs. Auch bei der GroupM sieht man dynamisierte Inhalte als mögliche Problemlöser und Effizienzbringer. "Wir haben heute die Möglichkeit, Video-Botschaften durch dynamisierte Inhalte für Zuschauer:innen relevanter zu machen", sagt Ferguson. Werden die dynamisierten Inhalte dann noch mit Engagement-Komponenten wie einem QR-Code kombiniert, entstehen der Expertin zufolge spannende Use- und Erfolgs-Cases.

Mehr Zusammenarbeit, mehr Koordination können Bewegtbild-Zukunft prägen

Die genannten Beispiele zeigen: Ebenso wie es viele Faktoren gibt, die eine effiziente Bewegtbildwerbung über Geräte und Kanäle hinweg behindern, gibt es mindestens ebenso viele Lösungsansätze und Innovationen, um dem zu begegnen. Es stellt sich damit die Frage, wohin die Reise geht und wer diese Zukunft prägen wird. Nach Einschätzung von Sauer wird die Zukunft der Werbung in Digital-Video-Umgebungen maßgeblich von Vermarktern und technischen Dienstleistern gestaltet. Hier sieht er die TV-Gerätehersteller, die als Vermarkter auftreten, ebenso wie technische Vermarkter –also jene Akteure, die in erster Linie Content-Inhaber sind und technische Lösungen vorantreiben, die es ermöglichen, Content über alle Geräte hinweg gezielt anzusteuern. SSPs und DSPs spielen aus Sicht von Sauer eine Schlüsselrolle, indem sie verschiedene Verbindungsmöglichkeiten als Zwischenlösung anbieten und sich auf die Anforderungen der Vermarkter vorbereiten. "Insgesamt geht die Reise in Richtung einer stärkeren Integration und Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren in der Werbelandschaft", so der Experte. Die Innovationen in CTV und ATV und eine datengesteuerte Ansprache würden es Werbetreibenden ermöglichen, ihre Zielgruppen präziser zu erreichen und die Effizienz ihrer Kampagnen weiter zu steigern. "Die Zusammenarbeit zwischen Vermarktern, Content-Ownern und Technologieanbietern wird entscheidend sein, um diese Zukunftsvision zu verwirklichen und die Werbung in Digital-Video-Umgebungen voranzubringen."

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