Die Unternehmensgruppe Mrge versucht Commerce Advertising als neuen Gattungsbegriff im Performance Marketing zu etablieren. Dafür erntet sie teils Zuspruch, andere Marktteilnehmer sehen die Unterschiede zu Affiliate bzw. Performance nicht. Im Interview erklärt Nikolaus Spitzy, der als General Manager & SVP Advertiser das Advertiser-Geschäft von Mrge leitet, inwiefern sich Commerce Advertising von seinen Ursprungsdisziplinen abgrenzt, welche Rolle Content dabei einnimmt und wie die Inhalte gestaltet sein müssen, um erfolgreich zu sein.
ADZINE: Ihr kommt ursprünglich aus dem Affiliate Marketing und führt mit Commerce Advertising nun einen eigenen Gattungsbegriff ein. Die Definition liest sich allerdings sehr ähnlich wie die des Affiliate- oder auch Performance Advertising. Wie grenzt ihr diese voneinander ab? Worin liegen die Unterschiede?
Nikolaus Spitzy: Bei Commerce Advertising stehen die kaufrelevanten Phasen der Customer Journey im Mittelpunkt. Wir bündeln unter dem neuen Gattungsbegriff diejenigen digitalen Werbeformate, die kontextuell ausgerichtet und nativ im oder nahe am Content platziert sind. Sie erzielen eine messbare Conversion zum Advertiser. So ist Werbung in den Umfeldern präsent, die der User nutzt, bevor er sich für einen Kauf entscheidet.
Zum Portfolio gehören unter anderem Produkt- und Preisvergleichsseiten, Gutschein- oder Couponseiten, Google Shopping und natürlich ganz stark Commerce Content. Bisher fehlte im Martech-Ökosystem ein Überbegriff für genau diese Werbeformate, die sich an der Nutzungssituation des Users ausrichten. Wir wollten das ändern. Affiliate und auch Performance Marketing gehen als Begriffe nicht weit genug, sie beziehen sich nur auf Teilbereiche von Commerce Advertising, umfassen aber nicht die Gesamtheit der Tools und Technologien, die wir entlang der Customer Journey einsetzen können.
ADZINE: Braucht es dafür auch neue technologische Lösungen oder existieren diese schon?
Spitzy: Wir haben bereits viele technologische Lösungen, um mit Commerce Advertising die kaufentscheidenden Impulse zu setzen. Gehen wir einmal von einer typischen Situation aus, wenn wir zum Beispiel einen neuen Laufschuh im Internet suchen und noch nicht genau wissen, welches Modell wir wollen. Wir nutzen eine Suchmaschine, informieren uns bei Publishern unseres Vertrauens, in Blogs, Foren, Social Media und je nach Produkt bei Influencern. Die Werbeformate sind SEA, Commerce Content und ganz allgemein Affiliate Marketing. Wenn wir dann eine Vorauswahl treffen, kommt meist der Preis ins Spiel und damit Preisvergleichsseiten. Und vor dem Kauf gucken wir nach einem Gutschein oder Coupon. An all diesen Berührungspunkten können Advertiser heute schon mit Commerce Advertising präsent sein. Die dazu gehörenden Tools decken bereits die entscheidenden Phasen der Customer Journey gut ab.
Unser Investor Waterland Private Equity hat das Marktpotenzial erkannt und unter der Dachmarke Mrge bereits drei Unternehmen gebündelt, die Lösungen für Commerce Advertising anbieten. Damit sind wir aktuell schon gut aufgestellt, jetzt skalieren wir und es werden weitere Zukäufe folgen. Wir sind da offen für neue technologische Möglichkeiten und suchen auch aktiv danach. Dies insbesondere, wenn sich das Nutzerverhalten ändert und Werbung an neuen Berührungspunkten in der Customer Journey platziert werden kann und soll.
ADZINE: Commerce Content ist ein essenzieller Bestandteil von Commerce Advertising. Zu dieser Thematik habt ihr gerade erst ein "Playbook" veröffentlicht. Woher stammt in der Regel der Content, dafür nötig ist?
Spitzy: Commerce Content ist für diejenigen Publisher die richtige Strategie, deren Geschäftsmodell auf der Erstellung von Inhalten basiert. Sie ergänzen ihr Angebot mit Commerce Content, also Content, der zum Zweck der Monetarisierung erstellt wurde und Affiliate-Links zu Advertisern oder Plattformen enthält. Der Content kommt dabei aus unterschiedlichen Quellen.
Manche Publisher gehen nach einem Themenplan vor und schreiben zum Beispiel im Winter einen Artikel zu den fünf besten Heizkörperthermostaten und im Sommer zu den fünf besten Sonnencremes. Datengetriebene Publisher gehen granularer vor und nutzen verschiedene Quellen. Sie analysieren Daten, die konkret mit ihrem Angebot zu tun haben und können daraus ableiten, was ihre User interessiert. Das sind zum Beispiel Informationen, welche Suchbegriffe in ihrem Angebot häufig verwendet werden, wie die Verweildauer auf Artikeln ist und welche Verticals die meisten Zugriffe haben.
Für die Umsetzung bauen Publisher eigene Redaktionsteams auf oder sie beauftragen eine Agentur, die passenden Commerce Content erstellt. Oder sie kaufen bereits vorgefertigte Inhalte von Anbietern oder Plattformen. Sie können auch White-Label-Lösungen wie zum Beispiel Produktvergleichs-, Preisvergleichs- oder Coupon-Seiten integrieren, die dann in der Corporate Identity des Publishers individualisiert werden.
ADZINE: Wie genau müssen Inhalte aussehen, die gut funktionieren? Worauf kommt es besonders an?
Spitzy: Es ist auf alle Fälle erfolgversprechend, wenn die Inhalte zu den Usern passen und ein Bedürfnis der User erfüllen. Hier haben datengetriebene Publisher – übrigens unabhängig von der Größe, ob es ein großes Verlagshaus ist oder ein Nischenblog – den Vorteil, dass sie aus den Analysen der Daten der eigenen Webseite und den Erkenntnissen von Webanalysetools bereits ein sehr effizientes Planungstool haben. Sie können auf dieser Basis sehr genau erkennen, was ihre Nutzergruppen bezogen auf Produkte und Einkäufe interessiert und was nicht.
Bei redaktionellen Beiträgen gelten ansonsten die gleichen Regeln wie für alle guten Artikel im Internet. Technologisch ist es so, dass die Affiliate-Links automatisiert oder händisch eingebaut werden. Auch bereits vorhandene Artikel können noch monetarisiert werden, wenn die ausgehenden Links durch einen monetarisierten Link ersetzt werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen erstellen die Verlage redaktionelle Inhalte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gelesen werden.
ADZINE: Welche Kanäle eignen sich, um Commerce Content erfolgreich zu distribuieren und welche Möglichkeiten bieten speziell Social Media?
Spitzy: Der Umgang mit Commerce Content ist für Publisher einfach: Es gelten die gleichen Regeln, wie für die anderen Beiträge, Artikel und allgemein Content-Formate eines Publishers. Wer die eigene Webseite als wichtigsten Distributionskanal für seine Beiträge nutzt, wird das für Commerce Content beibehalten. Der richtige Push für den Content kommt dann durch die SEO-Maßnahmen der Publisher. Bei Social Media folgt Commerce Content der strategischen Entscheidung, welche Kanäle der Publisher für sich nutzt. Aber der Content kann nicht identisch auf allen Plattformen veröffentlicht werden, hier braucht jeder Kanal eine eigene Taktik. Und das betrifft alle Content-Formate, also auch Commerce Content.
ADZINE: Danke für das Interview!
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