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Im Gespräch mit The Independent: First-Party-Daten, Kohorten und Cleanroom-Konzepte

Mindi Chahal, 11. April 2022
Bild: Absolutvision – Unsplash

Publisher verfügen über eine Fülle von First-Party-Daten und einzigartige Insights in ihre Zielgruppen. In einer digitalen Welt, in der Third-Party-Cookies bald der Vergangenheit angehören, müssen sich Werbetreibende umorientieren und Publisher eine Strategie für eine nachhaltige und datenschutzfreundliche Alternative parat haben. In einem Kamingespräch auf dem Digiday Publishing Strategies Event gewährte Jo Holdaway, Chief Data & Marketing Officer der britischen Online-Zeitung The Independent, einen Einblick in die Erfolge und Herausforderungen beim Aufbau einer First-Party-Datenstrategie. Im Gespräch ging es auch um das Testen sicherer Datentöpfe (Cleanrooms) und die Bildung maßgeschneiderter Zielgruppen für Werbetreibende. Das Interview mit Jo Holdaway führte Julie Vuibert, Senior Customer Success Manager bei Permutive.

Julie Vuibert: Wo stehen Sie mit Ihrer First-Party-Datenstrategie heute?

Bild: Linkedin Jo Holdaway, The Independent

Jo Holdaway: Wir haben alle unsere Zielgruppensegmente auf First-Party-Daten umgestellt und dabei unser Angebot für die Agenturwelt als ‘Independent Advertising’ neu aufgebaut. Weil der Markt derzeit so komplex und unübersichtlich ist, brauchen wir etwas Griffiges, das sich leicht vermarkten lässt. Wir stellen Werbetreibenden und Agenturen beispielsweise Datenbanken mit Insights, Umfragen zur Messung der Markenbekanntheit und der Auswirkungen einer Kampagne auf diese sowie Echtzeit-Tools zur Verfügung, mit denen Werbetreibende nachvollziehen können, welche Artikel im Trend liegen.

Bei den Zielgruppen haben wir den Fokus auf drei Bereiche verlagert. Wir bieten neun Segmente – sogenannte Standard Publisher Cohorts –, die die wichtigsten Säulen unserer Marke widerspiegeln und direkt genutzt werden können. Darüber hinaus können unsere Kunden maßgeschneiderte Zielgruppensegmente anfragen. Außerdem haben wir eine sogenannte Audience-Matching-Lösung, die ich aktuell besonders spannend finde. Dabei handelt es sich um eine Cleanroom-Technologie. Hier setzen wir aktuell den größten Fokus unserer Arbeit, da es sich um eine neue Technologie handelt. Wir sind mit den bisherigen Ergebnissen sehr zufrieden, stehen aber noch am Anfang und möchten es mit so vielen Nutzern wie möglich testen.

Vuibert: Wie kommen Ihre Cleanroom-Tests bei Werbekunden an?

Holdaway: Ich habe über die Agenturen viel mehr gutes Feedback von den Werbekunden erhalten und es gibt ein echtes Interesse an neuen Technologien. Vor Kurzem haben wir einen Relaunch von Independent Advertising durchgeführt – zufällig an unserem 35. Firmenjubiläum – und fünf Kunden die Möglichkeit geboten, unsere Data-Cleanroom-Technologie kostenlos zu nutzen. Dies kam bei den Agenturen und Kunden sehr gut an, weil es ihnen einen risikofreien Einstieg ermöglicht.

Vuibert: Verzeichnen Sie angesichts der Auswirkungen des Datenschutzes auf das digitale Marketing eine höhere Nachfrage auf Kundenseite?

Holdaway: Die Kundennachfrage ist in der Tat gestiegen. In den Gesprächen mit meinen Branchenkollegen zeigt sich, dass Publisher sich jetzt sehr vehement als Premium-Anbieter positionieren.

Aus Sicht des Datenschutzes ist das sehr positiv. Und wir erhalten gute Resonanz von den Agenturen, denn sobald das Drittanbieter-Cookie auch in Chrome verschwunden ist, werden die Möglichkeiten der Zielgruppenansprache auf einen winzigen Teil des Open Web beschränkt sein. Ich glaube nicht, dass kontextuelles Targeting allein dieses Problem lösen wird. Wir haben jeden Monat 100 Millionen Unique User auf der Website und selbst bei uns wird es eng, wenn alle Reisen buchen wollen, weil das wiederum einer der beliebtesten Bereiche bei uns ist. Contextual Targeting und First-Party-Daten werden der Weg in die Zukunft sein; es wird nicht nur das eine oder das andere geben.

Vuibert: Hinsichtlich der Daten-Modellierung scheint es einige Vorbehalte zu geben. Wie denken Sie darüber?

Holdaway: Stimmt, Modellierungen von Daten haben einen schlechten Ruf, aber bei Publishern, die vielleicht nicht die Reichweite von globalen Vermarktern haben, halte ich Modellierungen schon für sehr wichtig. In den letzten 18 bis 24 Monaten hat sich die Qualität der Modelle deutlich verbessert. Und wenn Sie bei der Cleanroom-Technologie einen Datenmatch durchführen und diesen skalieren wollen, dann müssen Sie die Modellierung der Daten in Betracht ziehen. Ich denke, die Entwicklung ist hier so weit vorangekommen, dass wir das auch getrost tun können.

Vuibert: Denken Sie, dass sich Publisher ihrer neuen Möglichkeiten bewusst sind?

Holdaway: Als Publisher-Gruppe verfügen wir über eine sehr wertvolle Quelle von First-Party-Daten: Wir bieten eine vertrauenswürdige Umgebung und unsere Leser sind durchaus bereit, uns ihre Daten zu übermitteln. Sie vertrauen darauf, dass wir uns diese Daten genau ansehen und sie verantwortungsvoll nutzen. Ich denke also, dass wir uns der Möglichkeiten durchaus bewusst sind. Ob sich die Branche auch zum Handeln aufrafft, steht auf einem anderen Blatt. Hoffentlich wird es nicht so sein wie bei der DSGVO – wo man fünf vor zwölf am Stichtag einsieht, dass man aktiv werden muss.

Vuibert: Was raten Sie den Publishern?

Holdaway: Wenn es um Strategien, Datenschutz und Daten geht, kann es vorkommen, dass man in einem Unternehmen gelegentlich als Einzelkämpfer dasteht. Mein Rat wäre daher, so viele Kollegen wie möglich für die eigene Vision zu gewinnen. Entwickeln Sie eine klare Vorstellung von den Geschäftszielen und -ergebnissen, von dem, was Sie in Ihrem Unternehmen voranbringen wollen, und bringen Sie dann so viele Menschen wie möglich dazu, dieser Vision zu folgen. Ich denke, man braucht diese klare Vision, um seine unternehmerische Botschaft zu vermitteln. Man darf sich dabei nicht allzu sehr von all dem „Lärm“ beeinflussen lassen.

Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Mindi Chahal Über den Autor/die Autorin:

Mindi Chahal ist Head of Content & Communications bei der Audience-Plattform Permutive.

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