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DATA

Das Potenzial von alternativen Daten

Frieder Neidlinger, 7. September 2020
Bild:  Franki Chamaki – Unsplash

Dieser Beitrag wurde gemeinschaftlich verfasst von Frieder Neidlinger, Twins Digital, und Sascha Dolling, OMD Hamburg.

61 Prozent der deutschen Internetnutzer haben laut der ARD große bis sehr große Sorge vor dem Missbrauch ihrer persönlichen Daten. 59 Prozent der Deutschen fühlen sich PWC zufolge beobachtet, wenn sie personalisierte Werbung sehen. Blickt man dazu auf die aktuellen Diskussionen um die Verwendung von Cookies, kann schnell der Eindruck entstehen, datengestützte Werbung stünde vor dem Ende. Tatsächlich ist das Data Driven Marketing derzeit ganz fundamentalen Veränderungen unterworfen, die aber gleichzeitig das Potential haben, die Präzision des Marketings durch einen gezielteren Einsatz von Daten auf ein ganz neues Niveau zu heben.

Neben einer Stärkung der direkten Kundenbeziehung und dem weiteren Aufbau von First-Party-Datenbeständen, sowie der Etablierung von tragfähigen und vor allem branchenweiten Consent-Lösungen, gilt es sich insbesondere auch einer dritten strategischen Säule des Data Driven Marketing zuzuwenden – dem gezielten Einsatz von smarten Daten.

Smarte Daten sind grundsätzlich nicht-personenbezogene Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa Wetterdaten, Web Traffic, Umfragedaten, Standortinformationen, Einkaufsverhalten oder Satellitendaten. Oftmals werden diese Daten gar nicht zum Ziel des Werbetargetings gesammelt, ermöglichen es aber dennoch sehr spezifische Targetingsegmente zu erreichen. Es handelt sich hier nicht mehr um sensible Daten und einzelnen Personen zugeschriebene Eigenschaften. Vielmehr wird in Clustern gearbeitet.

Clusterbasierte Analysen haben sich über viele Jahre bewährt und Brands aufgebaut – dank neuer Methoden und stärkerer Hardware ist es jetzt möglich, richtig analysiert und kombiniert, aus den alternativen Datensätze neue Erkenntnisse zu generieren. Durch modernes Data Science können datengetriebene Kampagnen auf einer rein alternativen Datengrundlage in allen Kanälen effektiv und reichweitenstark ausgespielt werden.

In fünf Schritten zur smarten Datenstrategie

Der Weg zu einer smarten und effektiven Werbestrategie, die den Konsumenten durch transparente und wertschätzende Kommunikation berührt, Vertrauen in die Marke aufbaut und so dem Werbetreibenden ein wirksames Marketinginstrument in die Hand gibt, führt dabei über fünf Schritte.

1. Respektvoller Umgang mit Daten

Basis jeder Datenverwendung sollte eine belastbare Beziehung zwischen Werbetreibenden oder Publisher und dem Konsumenten sein. Besteht eine direkte Kundenbeziehung – auch in der Wahrnehmung des Nutzers – zum Beispiel über ein bestehendes Kundenkonto oder eine bewusste Registrierung? In diesem Fall ist eine 1-zu-1-Kommunikation unter Verwendung personenbezogener Daten – in der Regel auf Basis von First-Party-Data – angemessen und sinnvoll. Der Werbetreibende kann das Surferlebnis durch Individualisierung verbessern und gleichzeitig die Effizienz seiner Maßnahmen verbessern – bei gleichzeitiger Transparenz für den Nutzer hinsichtlich Herkunft und Verwendungszweck seiner Daten. Besteht diese Beziehung allerdings nicht, sollte eher auf smarte, datensparsamere Ansätze zurückgegriffen werden, welche die Privatsphäre der Nutzer besser schützen. Das bedeutet anstelle von Daten mit Personenbezug ist der Einsatz von Daten mit Haushaltsbezug, Device-Bezug oder etwa Kontextbezug ratsam.

2. Konsistente Multichannel-Strategie

Zunehmend fragmentiertere Mediennutzungen bei gleichzeitig sinkenden Beständen an belastbaren Cookies und User-IDs erfordert neue Ansätze für konsistente, umfeld- und kanalübergreifende Targetingstrategien. Der bewusste Verzicht auf personenbezogene Merkmale zur Kampagnenaussteuerung und die Nutzung von alternativen Merkmalen ermöglicht erstmals wirklich kanalübergreifend einheitliche Steuerungslogiken – und befreit Werbetreibende aus den Silostrategien der Anbieterseite. Somit eröffnet Datenzurückhaltung insbesondere für Multichannel-Strategien erhebliche Spielräume.

3. Insight-basierte Zielgruppenplanung

Durch wissenschaftliche Analysen und mit Hilfe von maschinellem Lernen können Zusammenhänge und Cluster der alternativen Datensätze ermittelt werden, die ein tiefgehendes Zielgruppenverständnis ermöglichen. Dabei werden komplexe Datenkombinationen in einfache Targetingparameter destilliert, die wiederum in den Mediaeinkauf implementiert werden. Die Datenbasis dafür kann beispielsweise vom statistischen Bundesamt kommen oder es handelt sich um extrahierte – gescrapte – Daten. Beispiel: Man kann etwa die Locations aller Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland extrahieren. Daraus wird im nächsten Schritt ein Konkurrenz-Index gebaut, der aufzeigt, wo Rewe und Edeka nah beieinander liegen. An diesen Stellen wird der Werbedruck individuell erhöht. Zusätzlich können Live-Daten aus dem Sortiment extrahiert werden: Was macht Rewe, um Marktanteile zu gewinnen, wenn Edeka ein Sonderangebot hat? Durch die smarten Daten kann die Zielgruppe mit hoher Präzision erreicht werden, ohne dass auf personenbezogene Daten zurückgegriffen werden muss.

4. Effektivität statt Effizienz

Digital Marketing, das auf direkte Messbarkeit setzt, macht sich abhängig von cookiebasierten User-IDs. Ein solches Marketing optimiert allerdings nur die kurzfristige Effizienz – also die kurze Strecke zwischen Impression und Lead oder Order im Shop beziehungsweise auf der Website des Werbetreibenden. Ein nachhaltiges Digital Marketing, das auf echte Werbewirkung setzt, und so auch dazu in der Lage ist, Kunden an die echte Ladenkasse zu bringen, löst sich aus den Fesseln der rein digitalen Metriken. Eine Kampagnenaussteuerung nach einheitlichen, datengestützten Kriterien über den gesamten Funnel kann kanalübergreifend die Zielgruppe besser ausschöpfen, konsistenter adressieren und wirksamer erreichen.

Die Grundlage sind auch hier Steuerungslogiken, die medienübergreifend und eben nicht nur in den digitalen Silos funktionieren und sich zudem zum Beispiel durch einheitliche Modellings hinsichtlich ihrer Werbewirkung belastbar bewerten lassen. Das bedeutet etwa, dass die Targeting-Grundeinstellungen von Facebook und Google unterschiedlich sind, aber ähnlich konfiguriert werden können, so dass schlussendlich übergreifend und vor allem einheitlicher optimiert wird. Das können demografische Informationen wie das Alter sein, aber auch Informationen wie: “Wo spielt Google und wo spielt Facebook aus, wenn ich das Haushaltsnettoeinkommen targete?”. Manchmal ist es auch so, dass auf einer Plattform ein Targeting nuancierter durchgeführt werden kann als bei einer anderen. Dann ist es sinnvoll, die spezifische Information in die unspezifische Plattform einzuspeisen, so dass ein harmonisches Setup entsteht.

5. Umfeldqualität als Erfolgsfaktor

Über Jahrzehnte hat sich Mediaplanung sehr erfolgreich darum bemüht, Werbung im geeigneten Umfeld zu positionieren – um die Glaubwürdigkeit der Botschaft zu erhöhen und die Wirksamkeit zu maximieren. Das funktioniert auch heute noch. So steigern journalistische Qualitätsumfelder in Zeiten von Fake News die messbare Werbewirkung um 28 Prozent, wie das IFAK Institut, die Hamburg Media School und University of Florida feststellten. Auch in einer datengestützten Welt gilt es daher ein optimales Gleichgewicht zwischen Zielgruppenerreichung, Umfeld und Botschaft herzustellen, um bestmögliche Werbewirkung zu erzielen.

Berühren Sie Ihre Zielgruppe durch Relevanz und angemessene Zurückhaltung

Datenzurückhaltung und insbesondere ein bewussterer Umgang mit personenbezogenen Daten ist unter diesen Bedingungen also keinesfalls das Ende des Data Driven Marketing – ganz im Gegenteil. Durch einen stärkeren Fokus auf alternative, nicht-personenbezogene Datenarten wird ein Marketing realisiert, das mit konsistenten Datenstrategien mehr Nutzer, kanalübergreifend und wirksamer ansprechen kann. Dazu gilt es Daten und Technologie mit menschlichen Insights und Mediaplanungserfahrung für eine optimale Kampagnensteuerung zusammenzubringen. So wird aus effizientem Digitalmarketing effektives, digitales Marketing.

Bild Frieder Neidlinger Über den Autor/die Autorin:

Frieder F. Neidlinger ist Gründer und CPO von Twins Digital, einem Deep-Tech-Unternehmen für Agenturen und Werbetreibende, das den komplexen Media-Einkauf analysiert und optimiert. Er blickt auf Gründungserfahrung, Unternehmensführung sowie auf innovative Strategieentwicklungen und -umsetzungen im Bereich MarTech zurück. Neidlinger war zuvor bei einer Dentsu-Aegis-Tochter als Manager für programmatischen Mediaeinkauf tätig sowie drei Jahre am Fraunhofer Institut. Dort hat er die Forschung des Themenbereichs CRM auf verschiedenen Ebenen aktiv begleitet und neue Erkenntnisse in der Kunden-Unternehmen-Beziehung gewonnen, etwa unter dem Aspekt soziale Netzwerke oder Nachhaltigkeit. Sascha Dolling ist seit 2017 für die OMD Hamburg tätig. Als Managing Partner Data Driven Marketing zeichnet er verantwortlich für die Weiterentwicklung der Strategien und Prozesse insbesondere im Bereich der datengestützten und userzentrierten Planungsansätze. Bis 2017 war er bei G+J e|MS als Director Digital Media Optimization maßgeblich für den Auf- und Ausbau des Programmatic Advertising verantwortlich. Seit 2017 ist Dolling stellvertretender Vorsitzer der Fokusgruppe Programmatic Advertising des BVDW, wo er zusätzlich Mitglied des Expertenbeirates für das Programmatic Advertising-Qualitätszertifikat ist.

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