Wie sieht die ID-Lösung der Zukunft aus?
Anton Priebe, 28. May 2020Das heutige Advertising-Ökosystem basiert größtenteils auf Third-Party Cookies, um Nutzer zu identifizieren und ihnen daraufhin personalisierte Werbung auszuspielen. Diese befinden sich jedoch spätestens mit der Ansage von Google aus dem Frühjahr endgültig auf dem absteigenden Ast und First-Party Cookies allein stellen für die moderne Online-Werbung keine hinreichende Alternative dar. Im Interview erklärt Carol Starr, Managing Director Northern Europe für Rubicon Project, welche Hürden bei der Suche nach einer ID-Lösung für die Zukunft zu überwinden sind, und welche Rolle die Open-Source-Lösung Prebid.org dabei spielen kann.
ADZINE: Hallo Carol, wir bewegen uns auf ein Zeitalter ohne Cookies zu. Welche Perspektiven sieht Rubicon Project für den digitalen Werbemarkt?
Carol Starr: Grundsätzlich ist die momentane Entwicklung eine sehr positive für unsere Industrie. Sie bringt zwar neue Herausforderungen mit sich – sowohl auf der technischen Seite als auch in der Annahme neuer Lösungen im Markt – und erfordert eine starke Zusammenarbeit zwischen allen Marktteilnehmern. Sie ist aber gleichzeitig eine große Chance, um ein neues ID-System zu entwickeln, das transparenter, effizienter sowie im Sinne der Nutzer und neuen Datenschutzverordnung ist.
Third-Party Cookies stellen heute noch die Grundlage zur Nutzeridentifikation dar und spielen somit eine maßgebliche Rolle fürs Targeting in der Digitalwerbung. Dass uns als Branche diese Grundlage genommen wird, scheint mit der Ankündigung von Google Chrome Third-Party Cookies zum Jahre 2022 nicht mehr zu unterstützen, endgültig besiegelt zu sein. Ein Aspekt des Third-Party-Cookie-Systems, den wir als Branche sicherlich nicht missen werden, ist der des ineffektiven Cookie Synchings, welches zu Latenzen auf Webseiten und einer schlechten User Experience führt und ebenfalls zur Fragmentierung sowie zum Verlust von Daten beiträgt. Die Synchronisation von verfügbaren ID-Signalen wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, daher würde die Branche von einem einheitlichen ID-System, in welchem diese Signale zugeordnet werden können, immens profitieren.
ADZINE: Welche Herausforderungen sind mit dem Wegfall von Third-Party Cookies zu bedenken? Was können First-Party Cookies im Vergleich nicht leisten?
Starr: First-Party Cookies sind auf die Publisher-Domain begrenzt, auf der sie kreiert wurden, und ermöglichen kein plattformübergreifendes Tracking in der Art und Weise, wie es Third-Party Cookies tun. Dies mindert die Fähigkeit, Nutzer über verschiedene Internetseiten hinweg zu identifizieren und ebenso die frequenzorientierte Aussteuerung von Werbemitteln.
ADZINE: Gibt es Lösungen, die dieses Problem meistern könnten? Welche Rolle spielt der Open-Source-Bereich hier?
Starr: Advertising-Technologie sollte prinzipiell zugänglich und transparent sein, über eine Gemeinschaft entwickelt und verwaltet werden und sich am Bedürfnis der Endnutzer orientieren. Dies erfordert auch einen Paradigmenwechsel in der Konzeption von Identitätsmodellen. Der beste Weg voran wird der sein, der Publishern und Endnutzern die Kontrolle über ihre Daten und Online Experience geben. Prebid Open-Source-Technologie, die weltweit bereits als Standard-Header-Bidding-Technologie eingesetzt wird, liefert die besten Voraussetzungen dafür, der programmatische Kanal für jegliche ID-Lösung zu werden.
Es gibt momentan viele verschiedene universelle ID-Lösungen, die teils auf Third-Party Cookies basieren. Das ist langfristig jedoch nicht wirklich tragbar. Es existiert jedoch im Open-Source-Angebot von Prebid.org ein Modul, das es Publishern ermöglicht, ihre First-Party Cookies zu setzen und einer dieser IDs zuzuordnen, selbst wenn diese eigentlich auf Third-Party Cookies basieren. Das setzt natürlich voraus, dass der Nutzer in seinem Browser lokale Datenspeicherung erlaubt. Mit der Prebid User ID können Lösungen, die sonst auf Cookies von Drittanbietern angewiesen sind, also auch mit First-Party-Daten gespeist werden. Somit kann die Anzahl der benötigten Cookie-Synchronisierungen zwischen den Plattformen erheblich reduziert werden.
ADZINE: Existiert eine Möglichkeit, Third-Party Cookies in First-Party Cookies zu verwandeln?
Starr: Nein, jede Partei, die nicht der Publisher selbst ist, kann niemals ein Cookie in der Publisher.com-Domain respektive einen First-Party Cookie erstellen oder setzen. Bei den Universal IDs geht es darum, dass diese ihre Endpunkte zur Synchronisation zur Verfügung stellen, damit Plattformen diese IDs abrufen und abgleichen können. Der bisherige Ablauf war, dass diese ID-Synchronisationen in Third-Party Cookies geschrieben werden. Dies ist aufgrund der gegebenen Entwicklungen – Browser blockieren Third-Party Cookies – nicht mehr tragbar. Wie bereits erwähnt kann der Publisher aber anhand des Prebid User ID Moduls entscheiden, das Ergebnis dieser Synchronisations-Abrufe, zum Beispiel den nutzerspezifischen Wert für eine Universal ID, als First-Party Cookie in Prebid zu speichern und diese dann an die DSPs für Targeting-Zwecke übermitteln.
ADZINE: Lässt sich die Open-Source-Lösung Prebid uneingeschränkt nutzen?
Starr: Die Prebid User ID funktioniert nur für Publisher, die auch die Prebid-Header-Bidding- Technologie einsetzen. Außerdem löst dieses Modul nicht das Problem, wenn generell keine Cookies mehr genutzt werden können. Dann sind Publisher und Werbetreibende auf andere Lösungen angewiesen.
In Bezug auf ID-Lösungen, die momentan im Markt angeboten werden, sehen wir verschiedene Ansätze: Von universellen IDs, Login-basierten IDs bis hin zu Kontextual ist alles vertreten. Diese werden weiterentwickelt werden müssen. Die Zukunft wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus einer perfekten ID-Lösung bestehen, sondern in einer Kombination aus eingeloggten Usern, First-Party-Daten, einer stärkeren Nutzung von Deal-IDs als Mittel zur Nutzer-Segmentierung und kontextuellen Signalen liegen. Die Entwicklung eines Systems, welches diese verschiedenen Signale abgleichen und kombinieren kann, wird maßgeblich sein und Prebid könnte hierfür ein gutes Vehikel bieten.
ADZINE: Du hattest Googles Vorgehen gegen Third-Party Cookies angesprochen. In Mountain View wird mit der Privacy Sandbox bereits an einer eigenen ID-Lösung gearbeitet. Wird sich Googles Werk deiner Meinung nach als Standard-Identity-Lösung durchsetzen?
Starr: Es wird sich sicherlich als Standard durchsetzen, beziehungsweise eine der Lösungen sein, die der Markt adaptieren wird. Die genauen Mechanismen zur Umsetzung für Googles Sandbox-Lösung stehen zwar noch nicht fest, aber grundsätzlich ist die Vorstellung einer Session-basierten, nicht persistenten API – über die Signale erstellt werden könnten, die ähnlich genutzt werden, wie wir es von Third-Party Cookies kennen – eine gute Idee.
ADZINE: Danke für das Interview, Carol!
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