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Fünf Erkenntnisse aus fünf Jahren Programmatic Advertising in Deutschland

Siamac Rahnavard, 23. Januar 2020
Bild: Wilhelm Gunkel – Unsplash

Zum Jahreswechsel häufen sich die Prognosen, in denen die Bedeutung von datengetriebenem Marketing ersichtlich wird: 65 Prozent aller Werbeausgaben entfallen schon jetzt auf programmatische Kampagnen, Tendenz stetig steigend. Anlässlich des fünfjährigen Jubiläums seiner Agentur Echte Liebe fasst Co-Gründer Siamac Rahnavard seine wichtigsten persönlichen Erkenntnisse zusammen, die er in dieser Zeit im datengetriebenen Umfeld sammeln konnte.

1. Programmatic Advertising ist in Deutschland noch Neuland

Programmatic Advertising gibt es in Deutschland schon seit rund zehn Jahren. Doch wer meint, dass diese Zeitspanne ausreicht, die technischen Möglichkeiten vollends zu etablieren, wird enttäuscht: Die absolute Nutzung ist hierzulande noch vergleichsweise gering. Weltweit sind es vor allem die USA, in denen programmatische Prozesse längst zum Standard gehören. In Europa heißen die Vorreiter Großbritannien und Niederlande. Die Nachfrage, Ad-Impressions auf Gebotsbasis einzukaufen, ist dort sowohl auf Kunden-, als auch auf Agenturseite sehr hoch.

Die Erfahrung zeigt darüber hinaus: Kleine Märkte wie etwa die Niederlande begünstigen Innovationen im Programmatic-Bereich, da hier die Publisher darauf angewiesen sind, Kosten möglichst niedrig zu halten. Automatisierte Prozesse helfen dabei, die Investitionen möglichst effizient zu gestalten. Schon seit jeher sind die Niederlande für ihre Effizienz und Effektivität bekannt und haben somit auch bei Programmatic Advertising schnell den Mehrwert für alle Parteien erkannt und das Thema vorangetrieben – obwohl in dem Land strenge Datenschutzgesetze gelten, die hierzulande eher als Vorwand dienen. Doch auch wenn Deutschland im Vergleich noch etwas hinterherhinkt: Auch hier sind programmatische Maßnahmen klar auf dem Vormarsch – die Entwicklung hat nur etwas länger gedauert.

2. Die erste programmatische Kampagne bedeutet für Kunden oft Tabula Rasa

Die erste Programmatic-Advertising-Kampagne bedeutet für unsere Kunden oft erstmal ein Erwachen. Über Jahre, vielleicht Jahrzehnte, haben sich nicht nur bestimmte Vorgehensweisen bei der Anzeigenbuchung eingespielt, sondern auch spezifische Vorstellungen über die Zielgruppe etabliert. Programmatic Advertising setzt eine intensive Beschäftigung mit Zahlen und Daten aus dem eigenen Unternehmen voraus: Was für Nutzer besuchen die Website? Wer sollte daher bei Werbeanzeigen angesprochen werden?

Mitunter kommt es vor, dass die vorangestellte Zielgruppenanalyse völlig andere Personas hervorbringt, als die Marketingabteilung bislang skizzierte. Sorry, aber mit Annahmen und wässrigen Vermutungen kommen wir im Programmatic Advertising nicht weit. Harte Fakten auf den Tisch – so manches Unternehmen musste zu Beginn der ersten pragmatischen Kampagne erstmal Tabula Rasa machen und sich auf eine neue, treffsicher skizzierte Zielgruppe einstellen. Auch wenn es weh tut: Nur diese Bereitschaft wird dazu führen, dass Programmatic Advertising am Ende gelingt und dazu beiträgt, neue Kunden für ein Produkt zu begeistern und Silos im Unternehmen aufzubrechen.

3. Die Umsetzung klappt in kleineren Unternehmen oft besser

Wir haben gesehen: Vor allem zu Beginn einer Zusammenarbeit ist mitunter die ein oder andere Umplanung notwendig. Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass nur Großunternehmen in der Lage sind und die nötigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen mitbringen, diese Herausforderung zu stemmen. Aber falsch! Unserer Erfahrung nach dauert es in großen Firmen besonders lange, bis nötige Veränderungen durch alle Abteilungen hinweg abgesegnet und durchgesetzt werden.

KMU erweisen sich dagegen in der Regel als agiler und entscheidungsfähiger. Zudem bringen sie oft die nötige Experimentierfreude und Offenheit mit, neue (Marketing-)Wege auszuprobieren und sich anhand valider Ergebnisse für einen neuen Kurs zu entscheiden. Programmatic Advertising ist somit kein Tool, das nur den „Großen“ vorbehalten ist – je agiler die Unternehmensstruktur und je offener die Entscheider, desto zielgerichteter und effektiver ist das Endergebnis.

4. Programmatic heißt Auseinandersetzung mit messbaren Fakten statt leeren Marketing-Hülsen

Annahmen, Vermutungen, Theorien: Für all das bleibt beim Programmatic Advertising kein Platz. Stattdessen bedeutet programmatisches Arbeiten, sich mit messbaren Fakten auseinanderzusetzen. Nicht immer ist dies für Unternehmen bequem – wie schon Punkt 2 gezeigt hat: Für so manche Firma hält die erste programmatische Kampagne einige Überraschungen bereit. Gleichzeitig ist Programmatic der Punkt, an dem die konsequente Fokussierung auf die Zahlen beginnt: Welche Menschen besuchen wirklich die Website? Wer setzt sich wirklich mit dem Angebot auseinander? Wer klickt auf die Anzeige? Wer bestellt online, wer kauft dagegen eher stationär?

Messbarkeit und ein möglichst objektiver Ansatz sind die wichtigsten Faktoren, damit Programmatic Advertising seine Wirkung nicht verfehlt. Um den gewünschten Erfolg zu ernten, müssen sich Entscheider für Daten öffnen – und leeren Marketing-Hülsen den Rücken kehren.

5. Strengere Datenschutzbestimmungen bedeuten nicht per se das Ende

Immer wieder wird in der Werbeszene mit strengeren Datenschutzbestimmungen das Ende von Programmatic Advertising (oder gar des digitalen Zeitalters) prophezeit. Dies ist ein Irrglaube, denn entwickelt sich in der Bevölkerung ein ausgeprägtes Bewusstsein, welcher Wert in den eigenen personenbezogenen Informationen steckt, bedeutet dies für das Marketing nichts Negatives. Vielmehr tragen neuere Bestimmungen wie etwa die DSGVO dazu bei, dass der Programmatic-Markt zunehmend transparent wird. Anders sieht es dagegen etwa bei dem Gesetzentwurf zur E-Privacy-Verordnung aus: In der aktuellen Arbeitsfassung gibt es einige Hürden, die sich im Endeffekt nicht nur auf das Programmatic Advertising negativ auswirken können, sondern vor allem auch auf das Nutzererlebnis im Internet.

Ohne Tracking-Möglichkeiten mit dem entsprechenden Targeting können Plattformen beispielsweise nicht mehr nachvollziehen, wer bereits welche Werbung gesehen hat. In der Folge könnten Anzeigen, die für Nutzer nicht wirklich relevant sind, viel häufiger ausgespielt werden. Das Ziel, für mehr Verbraucherfreundlichkeit zu sorgen, wird somit verfehlt. Fast allen dürften noch die Zeiten bekannt sein, in welchem wir uns gelangweilt nach der x-ten Wiederholung irrelevanter Werbespots mit dem Griff zur Fernbedienung gerettet haben. Wie an der DSGVO zu sehen ist, müssen strengere Datenschutzbestimmungen nicht per se das Ende programmatischer Werbung bedeuten, doch verliert der Gesetzgeber das Interesse der Nutzer nach einem positiven Erlebnis im Internet aus dem Blick, wirkt sich dies auch auf die Marketing-Szene negativ aus.

Bild Foto: Siamac A. Rahnavard / Echte Liebe Über den Autor/die Autorin:

Siamac Rahnavard ist Gründer und Managing Partner der Programmatic-Marketing-Agentur Echte Liebe und darüber hinaus als stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Programmatic Advertising im BVDW aktiv. Siamac verfügt über einen breiten Erfahrungsschatz im datengetriebenen Marketing. Vor der Gründung von Echte Liebe war der studierte Wirtschaftswissenschaftler, der zusätzlich über einen Abschluss in Psychologie verfügt, als Managing Partner bei Cadreon tätig, der Adtech Unit der Mediengruppe IPG Mediabrands. Zuvor leitete der sportbegeisterte Kölner als Managing Director DACH die GDM Digital GmbH, nachdem er zweieinhalb Jahre bei mexad GmbH/DataXu GmbH als Senior Sales Consultant die Beratung und Betreuung von Mediaagenturen und Direktkunden übernommen hatte.

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