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Targeting abseits von Cookies: Intelligente Umfeld-Werbung als Alternative

Anton Priebe, 4. November 2019
Bild: Vince Fleming - Unsplash, CC0

Mit der Cookie-losen Zukunft setzt sich die Branche schon seit längerem intensiv auseinander. Eine Schlüsselrolle in dieser Entwicklung kommt sicherlich den Data-Management-Plattformen (DMPs) zu. Roger Gatti, Chief Product Officer von 1plusx, erklärt im Interview, wie sich sein Unternehmen auf das Ende der Cookies fürs Third-Party-Tracking vorbereitet. Dabei geht er insbesondere auf alternative Targeting-Methoden ein.

ADZINE: Hallo Herr Gatti, eine Data-Management-Plattform ist ein komplexes Produkt. Erklären Sie doch bitte 1plusx in so wenig Worten wie möglich.

Roger Gatti: Wir stellen Unternehmen eine Plattform zur Verfügung, die es ermöglicht ihre Marketing-Prozesse zu verbessern – insbesondere bei der User-Ansprache, wenn diese persönlicher werden soll, oder auch bei der Identifizierung von Neukunden. Wir möchten, dass Unternehmen das volle Potential ihrer Daten ausschöpfen können, wobei Digital Advertising einer der häufigsten Anwendungsfälle ist.

ADZINE: Gerade mit Blick auf die Unterscheidung von Data-Management-Plattform (DMP) und Customer-Data-Plattform (CDP) herrscht oftmals Unsicherheit im Markt. Daher vorab die Frage: Wer braucht eine DMP und wer braucht keine?

Bild: 1plusx Roger Gatti, 1plusx

Gatti: Ein typisches Unterscheidungsmerkmal ist, dass DMPs eher mit anonymisierten und CDPs mit Kundendaten arbeiten. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anwendungsfälle.

Wenn man User oder neue Kunden aufgrund einer bestehenden Kundenbasis identifizieren möchte, dann sollte man eine DMP wählen – also immer wenn die Sicht auf die User unvollständig ist. Wenn man hingegen maximale Einsicht in seine eigenen Kundendaten haben möchte, kann man eine CDP in Reinkultur nutzen.

Aus unserer Sicht ist aber besonders interessant, wenn sich User- und Kundendaten auf einer Plattform vereinen lassen und dadurch der Mehrwert maximiert werden kann. Eine CDP hat als Schwerpunkt eben eher First-Party-Daten.

ADZINE ...das hört sich so an als wäre eine DMP eine Weiterentwicklung der CDP. Gibt es denn Elemente der CDP, die eine DMP nicht abbilden kann?

Gatti: Es gibt eine große Schnittmenge, ja. Eine DMP ist aber beispielsweise gut im Prospecting, wobei eine CDP zum Beispiel sehr gut E-Commerce-Prozesse abbilden kann. Die Kundensicht, also etwa das Kundenverhalten in einem Kaufprozess, findet man eher in einer CDP.

ADZINE: Gut, kommen wir weg von den Definitionen und hin zu den Kernthemen der DMPs. Ein Großteil des Programmatic-Ökosystem basiert auf Cookie-Matching. Sie werben damit, mit Ihnen gemeinsam “die Cookie-lose Zukunft zu erkunden”. Wie sieht diese denn Ihrer Meinung nach aus?

Gatti: Das stimmt, die Cookie-lose Zukunft wäre aber ein Extremszenario. Wir glauben, dass Cookies in einigen Bereichen bestehen bleiben und in anderen wegfallen. So wird man wohl in Zukunft eher darauf reagieren, ob der Browser Cookies blockt oder sie nach jeder Session gelöscht werden. Da werden wir also mit Schattierungen arbeiten.

Ein User, der gar keine Cookies mehr hat, kann dennoch aus werblichem Kontext mit verschiedenen Möglichkeiten angesprochen werden. So gibt es erstens Cookie-lose Lösungen wie das Umfeld-Targeting oder Contextual Targeting mit allen Vor- und Nachteilen.

Zweitens ist es nicht so, dass die Medienunternehmen die Entwicklung nicht erkannt hätten. Es gibt auf dieser Seite unterschiedliche Allianzen, um darauf zu reagieren. Außerdem sehen wir immer öfter, dass Publisher ihre Inhalte mit Subscriptions monetarisieren. Geschäftsmodelle auf Subscription- bzw. Login-Basis – in die Richtung wird es gehen.

ADZINE: Wie genau arbeiten Sie denn ohne Cookies? Welche Methoden nutzen Sie, um Zielgruppen im Netz zu identifizieren?

Gatti: Wir machen Vorhersagen für User, unter anderem für Targeting-Zwecke, bezüglich deren Interessen, Alter, Geschlecht oder Einkommen. Diese beruhen auf Bewegungsmustern, von denen wir die Predictions (Vorhersagen) mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ableiten. Selbst wenn wir einen User noch nie auf den Seiten des Publishers gesehen haben, können wir mit dem „First Impression Targeting“ eine Vorhersage zum User bezüglich Alter und Geschlecht beim ersten Besuch der Seite, ganz ohne Cookies, machen.

Zudem bieten wir eine kontextuelle Targeting-Lösung an, die anstelle von User-Eigenschaften die thematische Einordnung der Seite für das Targeting nutzt. Auch diese Lösung kommt ohne Cookies aus.

Was wir bewusst nicht machen, ist Fingerprinting oder Edge Computing, also arbeiten mit dem Local Storage. Das wären weitere Möglichkeiten, die wir wie gesagt aber nicht nutzen.

ADZINE: Ist das restliche Programmatic-Ökosystem überhaupt auf die Cookie-lose Zukunft vorbereitet? Die Facebooks und Googles dieser Welt punkten mit ihrem Login-Prinzip. Aber momentan würden wir im Open Programmatic wohl eher zurück zur Umfeld-Werbung gehen, sollte der Cookie sterben. Oder?

Gatti: Wenn die Verfügbarkeit von Third-Party Cookies abnimmt, wird das wohl auch einen Effekt auf das Programmatic-Ökosystem haben. Die Umfeld-Werbung kann jedenfalls immer auch eine Alternative zum User-Targeting sein. Interessant sind weiter im Programmatic- Bereich auch die Private Market Places aufgrund ihrer Vorteile.

Klar, die großen Plattformen nutzen ihre umfassenden Login-Daten. Die Publisher können jedoch in die gleiche Richtung stoßen: so werden wahrscheinlich mehr Datenallianzen entstehen. Der Nutzer muss sich hier zu erkennen geben, also einloggen, und bekommt dafür einen Gegenwert. Dann haben wir eine User ID als primären Identifikator, nicht mehr nur den Cookie. Vielleicht werden da auch bald inhaltliche Allianzen entstehen, die attraktive Content-Pakete für User schnüren.

ADZINE: Das Thema ID scheint mehrheitlich Tech-Anbieter im Advertising zu interessieren und taucht sonst selten auf der Agenda auf. Dabei betrifft es im Endeffekt die gesamte Branche. Wer sind Ihrer Meinung nach die Verantwortlichen, um eine einheitliche Lösung für die Zukunft zu erarbeiten?

Gatti: Das ist eine schwierige Frage (lacht).

ADZINE: Der Zuständigkeitsbereich ist sehr unklar, ja.

Gatti: Die Frage ist, wer ein berechtigtes Interesse hat, dass so etwas zustande kommt. Da sind einerseits die Publisher, die ihre Inhalte über Werbung vermarkten müssen. Wie können die konkurrenzfähig zu den größeren Plattformen bleiben?

Dann gibt es die Technologie-Player, im programmatischen Bereich sind das die SSPs, DSPs oder Adserver, die auf Cookie-Matching angewiesen sind. Auf der anderen Seite stehen die Marketers, die Reichweite für ihre Marken und Produkte brauchen.

Jemand einzelnem das Problem zuzuschieben ist schwierig. Es wird sicherlich darauf hinauslaufen, dass sich alle an einen Tisch setzen und eine gemeinsame Lösung erarbeiten.

ADZINE: Herr Gatti, danke für das Interview!

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