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Reichweitengarant TV? Der Bewegtbildkonsum der Deutschen im Wandel

Jens T. Möller, Analyst, 10. Oktober 2019
Bild: Jason Leung; CC0 - unsplash.com

In Zeiten von Netflix und Co. mag durchaus der Eindruck entstehen, dass das klassische lineare Fernsehen zunehmend an Bedeutung verliert. Der Kosmos der Bewegtbildnutzung ist dabei so vielfältig wie nie zuvor. Wie gestaltet sich also das aktuelle TV-Nutzungsverhalten der deutschen Bevölkerung, welche Altersgruppen wenden sich vom klassischen TV ab und wie sollten Werbetreibende darauf reagieren?

Die Deutschen haben 2018 durchschnittlich 234 Minuten am Tag mit Fernsehen verbracht. Das geht aus der Mediennutzungsanalyse des Verbandes Privater Medien (Vaunet) hervor. Damit ist das klassische lineare TV das am meisten genutzte Medium der Bundesrepublik und kann seine Vormachtstellung der vergangenen Jahre augenscheinlich verteidigen. Insgesamt verfügen rund 95 Prozent der deutschen Haushalte über mindestens ein TV-Gerät, die meisten dieser Geräte sind mittlerweile internetfähig oder können via Dongle zum Smart-TV aufgerüstet werden. Nach Vaunet-Studienergebnissen betrug die TV-Reichweite in Deutschland 2018 70,1 Prozent. Somit erreichte das klassische Fernsehen 2018 pro Tag durchschnittlich 70 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren. Seit 1988 befindet sich die Reichweite des linearen TVs auf einem konstant hohen Niveau, jedoch mit leichten Rückgängen in den vergangenen Jahren. Der Wert von 2018 markiert dabei die niedrigste Messung seit 1991. Dies lässt die Frage offen, inwieweit die TV-Audience schrumpft.

TV-Nutzung nach Altersgruppen

Tatsächlich zeigt sich gerade unter jüngeren Generationen ein Shift in der Mediennutzung, besonders im Konsum von Bewegtbildinhalten. Die aktuelle Onlinestudie von ARD und ZDF demonstriert hierbei, dass vor allem ältere Personen lineares Fernsehen konsumieren. Das Durchschnittsalter der deutschen TV-Zuschauer liegt demnach bei 53 Jahren, während das von Internetnutzern bei 46 Jahren liegt. In der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen verschiebt sich laut der Studie das Bild eines „normalen Abend” zusehends. 70 Prozent dieser Altersgruppe gibt an, mittlerweile eher Netflix zu schauen, als auf das Angebot des linearen Fernsehens zurückzugreifen. 58 Prozent nutzt zusätzlich dazu das Angebot von Videoportalen. Lediglich 56 Prozent der 14- bis 29-Jährigen schaut hingegen weiterhin auch klassisches lineares TV.

Diese Ergebnisse werden auch von anderen Studien bestätigt. Je älter die betrachtete Zielgruppe, desto mehr Zeit verbringt diese jeden Tag mit dem Konsum von linearem TV. So schätzt der aktuelle „Media Activity Guide” von SevenOne Media, dass die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen täglich circa 92 Minuten auf den Konsum von klassischem TV verwendet, während die Gruppe der 50- bis 69-Jährigen mehr als dreimal so viel Zeit dafür aufbringt.

Die Studienreihe der ARD „Medien und ihr Publikum: Massenkommunikation Trends 2018” untersucht in diesem Zusammenhang die Reichweiten, die klassische Fernsehsendungen in einzelnen Altersgruppen erzielen. Dabei zeigt sich, dass die bereits zuvor betrachtete Gruppe der 14- bis 29-Jährigen die niedrigsten Reichweiten aufweisen. Selbst in der für TV besonders relevanten Zeitspanne (Primetime) von 19 bis 23 Uhr liegt diese Bevölkerungsgruppe stark hinter den 30- bis 49-Jährigen zurück.

Es ergibt sich somit ein recht konsistentes Bild: Die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen konsumiert deutlich weniger lineares Bewegtbild als andere Bevölkerungsgruppen. Sie sind somit auch zunehmend weniger für Werbung in diesem Umfeld empfänglich. Fraglich ist hierbei, ob es sich auch um eine zeitliche Erosion der TV-Audience handelt oder ob die TV-Nutzung der verschiedenen Altersgruppen über die vergangenen Jahre auf einem konstanten Niveau geblieben ist.

TV-Nutzung im zeitlichen Verlauf

Die Studie „Grunddaten Jugend und Medien 2019” greift diese Fragestellung auf und untersucht unter anderem das Zeitbudget, das auf klassisches Fernsehen in der zeitlichen Entwicklung von 2000 bis 2017 verwendet wurde. Es zeigt sich, dass der TV-Konsum von älteren Bevölkerungsgruppen über die Jahre relativ konstant ist. In den Gruppen der bis 29-Jährigen hingegen ist eine deutliche Abwanderung von der Nutzung linearer TV-Inhalte erkennbar. Während 14- bis 19-Jährige 2000 noch durchschnittlich 162 Minuten pro Tag auf lineares TV verwendeten, sind es 2017 nur noch 112 Minuten.

Die Substitution der linearen TV-Nutzung

Die Bevölkerungsgruppe der 14- bis 29-Jährigen konnte als TV-Wenigseher in Deutschland identifiziert werden. Die häufig äußerst werberelevante Zielgruppe muss demnach also von der Werbebranche auf anderen Wegen erreicht werden, wenn diese ihre Botschaft auch in Zukunft dort platzieren will. Die Substitution von linearen Bewegtbildinhalten findet dabei vorwiegend im digitalen Umfeld statt. So kann die Studienreihe der ARD „Medien und ihr Publikum: Massenkommunikation Trends 2018” demonstrieren, dass die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen vermehrt auf digitale Kanäle, wie Streamingdienste und Videoportale, beim Konsum von Bewegtbild zurückgreift. Die Substitution vom klassischen linearen TV erfolgt also über vielfältige Kanäle. Dazu zählen nicht nur die Streamingdienste, Mediatheken und Videoportale, sondern auch soziale Medien. Blackboxes wie Netflix oder WhatsApp sind hierbei für die Werbebranche besonders hinderlich, sind sie doch bisher nicht mit Werbung bespielbar.

Die Zukunft von linearem TV

Die momentane Situation des linearen TV-Konsums in Deutschland ist als durchaus stabil zu bezeichnen und diese Stabilität scheint für Werbetreibende weiterhin äußerst attraktiv zu sein. Allerdings ist die Zukunft dieses Marktes eher ungewiss. Die deutsche Bevölkerung wird immer älter und ältere Generationen sehen das Medium Fernsehen als Teil ihres Lebens an. Sie sind damit aufgewachsen und bleiben dem klassischen linearen TV auch zukünftig treu. Diese Tatsache spiegelt sich auch in den stabilen Reichweiten für ältere Bevölkerungsgruppen wider. Allerdings bewerten nachfolgende Generationen das klassische TV als nicht mehr so relevant und wandern ab. Die TV-Audience wird zukünftig stark schrumpfen und Werbetreibende müssen sich darum bemühen, diese TV-Wenigseher auf anderen Kanälen zu erreichen.

Takeaways

  • Die Deutschen haben 2018 durchschnittlich 234 Minuten am Tag mit Fernsehen verbracht.
  • Jedoch schrumpft die TV-Audience. Jüngere Bevölkerungsgruppen wandern zunehmend ab.
  • Die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen verbringt täglich circa 92 Minuten mit dem Konsum von klassischem TV, während die Gruppe der 50- bis 69-Jährigen mehr als dreimal so viel Zeit dafür aufbringt.
  • Während 14- bis 19-Jährige 2000 noch durchschnittlich 162 Minuten pro Tag auf lineares TV verwendeten, sind es 2017 nur noch 112 Minuten.
  • Die Substitution von linearen Bewegtbildinhalten findet dabei vorwiegend im digitalen Umfeld statt.
  • Die TV-Audience wird zukünftig stark schrumpfen und Werbetreibende müssen sich darum bemühen, diese TV-Wenigseher auf anderen Kanälen zu erreichen.

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