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DATA - Mozilla blockt Third Party Cookies

Machen Technologieanbieter die ePrivacy überflüssig?

Daniel Skoda, 13. August 2019
Bild: Surian Soosay - Flickr, CC BY 2.0 Bild: Surian Soosay - Flickr, CC BY 2.0

Droht der Zusammenbruch des digitalen Werbemarkts, weil Technologieanbieter zunehmend eigene Fakten schaffen und das Tracken von Nutzern in Teilen unterbinden? Nein. Der Werbemarkt ist adaptionsfähig und im Sinne der eigenen ökonomischen Belange daran interessiert, durch hochwertige, datenschutzkonforme Werbeangebote den Mediaqualitätsansprüchen der Nutzer gerecht zu werden und die Nutzerakzeptanz für sich zu gewinnen.

Neue Werberealität ohne Third Party Tracking

Mozilla folgt mit einem Update dem Beispiel von Apple und blockt im Firefox-Browser mit der „Enhanced Tracking Protection“ (ETP) sämtliche Third Party Cookies, die zum Tracken von Nutzern über diverse Plattformen hinweg gesammelt werden. Aktuell ist die ETP-Funktion lediglich für neue Firefox-User standardmäßig aktiviert, was als Moratorium für Werbungtreibende verstanden werden kann. Mit der Berücksichtigung des dringlicher werdenden Wunsches nach mehr Datenschutz und Privatsphäre reagiert die Mozilla Corporation, die kommerzielle Organisation der nichtkommerziellen Mozilla Foundation, auf sinkende Nutzerzahlen. Zudem beugt man Qualitäts- und Akzeptanzproblemen vor, die durch nicht nachvollziehbares Tracking und Ad Fraud verursacht werden. Restriktionen beim Tracking – so das Kalkül – können helfen, Anzeigenbetrug einzudämmen und unzulässige Marktteilnehmer zu Regelkonformität zu zwingen oder vom Markt zu verdrängen.

Wie kann Beschränkung auf First-Party- und Login-Daten eine verbesserten Qualität der Media folgen, um die Nutzeransprüchen nach verbessertem Datenschutz und Privatsphäre zu sichern? Platzierungen und Creatives lassen sich differenzierter personalisieren und präzise auf die Interessen der Rezipienten abstimmen, vorausgesetzt das technische Fundament der Mediaausteuerung und Inventarvergabe ist zeitgemäß und auf programmatische Mediaaussteuerung ausgerichtet. Auf den Nutzer ausgerichtete und hochqualitative Werbemittel zahlen auf die Nutzerakzeptanz ein und verbessern die Brand Experience sowie Engagement und Loyalty. Werbetreibende sollten sich also nicht auf das Eindämmen des Trackings verlassen, um Werbeakzeptanz zu steigern, auch die aktive Bekämpfung von Ad Fraud sollten sie auf ihrer Agenda führen. Eigenen vehementen Forderungen der Advertiser folgend, die einen wirkungsvollen Gegenwert zu ihren Investitionen sicherzustellen.

Für den Werbemarkt bedeuten die proaktiven Unterbindungen des Third Party Trackings in den Browsern von Apple und Mozilla, dass die Einschränkungen, die seitens der Legislative erst mit Verabschiedung der ePrivacy-Verordnung Teil der neuen Werberealität werden sollten, bereits jetzt eintreten. In Deutschland hat Firefox im Mai 2019 einen für Advertiser empfindlichen Marktanteil von 26,95 Prozent, der spätestens mit der bevorstehenden Aktivierung der ETP für die Gesamtheit der Firefox-Nutzer als Zielgruppe für Werbetreibende unsichtbar wird. Nicht erst mit der DSGVO und getrieben durch die Verschiebung des Nutzungsverhaltens von Desktop zu Mobile haben sich bereits alternative und datenschutzkonforme Trackingmethoden jenseits von Cookies etabliert: Auf Basis von Advertising IDs und der zunehmenden Verbreitung von Login-basierten Lösungen (wie LiveRamp, netID oder Verimi) sind, sofern das technische Setup richtig umgesetzt wird, in der Breite keine signifikanten Messunterschiede durch das Firefox-Update zu erwarten. Ein Indiz: Auch das provisionsbasierte Kerngeschäft von Mozilla mit Google und anderen Suchmaschinen, das Mozilla vergangenes Jahr 542 Millionen US-Dollar einbrachte, bleibt indes wohl, ersten nicht in Gänze abgeschlossenen Tests zufolge, weitestgehend unbeeinträchtigt. Ein Wettbewerbsnachteil entsteht also in erster Linie für kleinere Anbieter, die ihre technischen Set-Ups noch nicht auf die zwangsläufig bevorstehende Zäsur einer Werbewelt ohne Cookies eingestellt haben und nach wie vor Cookie-basiert arbeiten.

Die Walled Gardens, die jeweils immense Pools an First-Party-Daten und Logins aggregiert haben und diese kontinuierlich ausbauen, profitieren und stellen Advertiser vor die Aufgabe, eigene Messungen und Kontrollmöglichkeiten zu etablieren. Dem entgegen stehen die Datenallianzen, die Zusammenschlüsse von Publishern, die auf sich allein gestellt kaum oder in vielen Fällen gar nicht mit den US-Tech-Giganten konkurrieren können. Zum Handeln gezwungen haben die Publisher im Zuge ihrer Drittanbieter-Strategien mit einer Abhängigkeit von den Tech-Konzernen bereits in Teilen den Zugang zu ihren Endkunden verloren und technologische Innovation bei der Inventarmonetarisierung verschlafen. Mit der wachsenden Bedeutung von datenbasierter Mediaaussteuerung und Echtzeit-Werbewirkungsmessung rächt sich das Ausbleiben eigener Lösungen. Um letztlich auch Werbetreibenden die Kontrolle zurückzugeben, ist es unabdingbar, dass die Allianzen Advertisern ein technologisch einwandfreies und benutzerfreundliches Fundament anbieten können: Dazu gehören verlustfreie Tracking- und Matching-Möglichkeiten über die Logins, eine kritische Masse an Daten bzw. Login-Usern und Skalierbarkeit.

Regulierung oder proaktive Reaktion – sollten Technologieanbieter selbst Fakten schaffen?

Als die Bundeskanzlerin 2013 das Internet als Neuland bezeichnete, sorgte das für Belustigung und Hohn. Viele bewerteten die Aussage als Symbol für die Entfremdung der Politik von den Bürgern, für die das Internet längst integraler Teil ihrer täglichen Lebenswelt ist. Dass Personen im Internet über diverse Stationen hinweg nachverfolgt werden können und dabei auch sensible Informationen wie der Standort oder der vollständige Name sichtbar würden, schien unvorstellbar. Insofern ist die Aussage ein Zeichen für das Versäumnis des proaktiven Diskurses zu den Chancen und aufkommenden Risiken dieser digitalen Vernetzung und der Erkenntnis, dass hier dringend regulative und überwachende Instanzen zum Schutz der Privatsphäre der Internetnutzer gebraucht werden.

Dass die Verabschiedung der ePrivacy noch andauert und sich der Markt aktuell selbst reguliert, nehmen manche als ein „Überlassen des Feldes“ an die großen Technologieanbieter wahr. Ist das angebracht? In Teilen. Überwachung und Regulierung muss (auch) durch Gesetzgebung stattfinden, was nicht bedeutet, dass Selbstregulierung zum Erreichen von kundenorientierten Zielen (Kundennutzen) nicht denselben Effekt für den Endkonsumenten haben kann.

Im Endeffekt regulieren Technologieanbieter wie Apple oder Firefox nicht die Werbungtreibenden, wenn sie Cookies blockieren. Sie stärken ihre Wettbewerbsfähigkeit und wirken mitunter sinkenden Nutzerzahlen entgegen. Auch wenn die Agilität bei legislativen Maßnahmen aus Sicht der Nutzer oftmals mangelt, ist die Gesetzgebung eine wichtige Instanz für den Markt. Reguliert der Markt sich zu stark selbst, können Ausfälle wie bei der Boeing 737 Max nicht ausreichend gut antizipiert und verhindert werden. Die zuständige Bundesbehörde (F.A.A.) überließ dem Flugzeughersteller selbst essenzielle Teile des Zertifizierungsprozesses für das neue Steuerungssystems (MCAS), das eine entscheidende Rolle in den Abstürzen zweier Maschinen in fünf Monaten spielte. Die Regulatoren haben zweifellos nicht die Ressourcen oder Kapazitäten wie globale Marktteilnehmer, jedoch lässt sich resümieren, dass sie durch die Schaffung von bindenden Regeln den Markt im Sinne der Nutzer positiv beeinflussen, selbst wenn ihnen der Markt mit proaktiven Reaktionen zuvor kommt. Durch guten Kundennutzen und Transparenz können Marktteilnehmer Regulierung vorgreifen und proaktiv durch eine hohe Nutzerakzeptanz ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Bild Daniel Skoda Über den Autor/die Autorin:

Daniel Skoda ist seit 2015 Managing Partner bei adlicious, einer unabhängigen Mediaagentur für Programmatic Advertising, die durch individuelle Beratung und besonderes Know-how die Werbewirkung maximiert und Kosten minimiert. Zuvor war der Wahlhamburger als Führungskraft bei Medienunternehmen wie eprofessional (Axel Springer) und adscale. Dort war er für die Umsetzung digitaler Marketingziele zuständig. Seine Expertise auf Seiten von Werbetreibenden, Agenturen und Vermarktern bringt Daniel bei adlicious im Bereich Mediastrategie ein. Der gebürtige Münsterländer genießt in seiner Freizeit gerne frische Seeluft und bloggt über Data-driven Marketing.

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