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Videowerbung mit Spendenanreiz – Zukunftsmodell oder Spielerei?

Anton Priebe, 9. Mai 2019
Bild: Good-Loop Presse Amy Williams, Good-Loop

Es existieren verschiedene Ansätze, um das Engagement zwischen Konsument und Werbung zu erhöhen. In einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit als harte Währung gehandelt wird, versuchen manche Mobile Apps den User sogar direkt zu entlohnen, indem Geld für Video-Views gezahlt wird. Im Endeffekt geht es darum, eine aktive Verbindung zum Konsumenten in Zeiten von Adblockern, Bannerblindheit & Co. zu schaffen, damit dieser überhaupt für Werbung empfänglich wird. Good-Loop glaubt hier im Programmatic-Sektor eine Marktlücke gefunden zu haben: hochwertige Video-Views, deren Erlös zur Hälfte gespendet wird.

Die 27-jährige Gründerin und Geschäftsführerin Amy Williams ist dank eines Förderprogramms für junges Talent von Ogilvy in Kontakt mit der Advertising-Branche gekommen und hat dann drei Jahre lang bei Ogilvy & Mather gearbeitet. Jüngst wurde sie nach dem Sprung in die Selbständigkeit von Forbes als eine der aufsteigenden europäischen 30 unter 30 in Media und Marketing ausgezeichnet.

Das Prinzip ihres Unternehmens Good-Loop ist innovativ: 50 Prozent der durch Videowerbung entstehenden Werbeausgaben wird an eine Wohltätigkeitsorganisation nach Wahl des Users gespendet. Hierfür kommen etwa Ziele wie Kindernot- oder Obdachlosenhilfe, Trinkwasser- oder Umweltprojekte infrage. Im Gegenzug verspricht die Plattform höhere Engagement Rates im Sinne von längeren, kompletten Video Views.

Good-Loop nennt sich selbst eine “ethische und effektive Werbeplattform” und zielt auf den Unternehmenssinn ab. Damit trifft sie genau den Nerv von Unternehmen, die sich Gedanken um den oft diskutierten “Purpose” machen. Vielerorts gilt er als Allheilmittel zur Kundenbindung. “Gib deinem Unternehmen einen positiven, gesellschaftlich relevanten Sinn und die Kunden werden sich freuen, dich zu unterstützen”. So lautet die Überlegung jedenfalls in der Theorie.

Aus dem Charity-Aspekt der Plattform soll jedoch letztlich ein positiver Effekt für die gesamte Advertising-Branche resultieren. Die Werbetreibenden erhalten engagierte Zuschauer, die sonst sehr schwer zu erreichen sind, und der Konsument kommt in den Genuss einer besseren User Experience. Gleichzeitig werden Hilfsprojekte gefördert und der Advertiser kann sich einen Purpose auf die Fahne schreiben. Die Werbung tut also Gutes und kann die allgemeine Negativität von sich abwenden.

Werbung muss dem Zuschauer etwas Positives bieten. Wohltätigkeit ist ein Ansatz, aber es gibt mehr: incentiviertes Advertising und die gute, alte Kreativität, um unterhaltsame Werbung zu produzieren. Wir mögen den Charity-Ansatz! Es ist ehrlich, flexibel und verwandelt deine Werbung in eine ernstzunehmende Quelle für Gutes."

(Amy Williams, Good-Loop)
Bild: Good-Loop Presse Biermarke Doom Bar wirbt in Kombination mit Spenden für sauberes Wasser.

Das konkrete Modell und die Kunden

Good-Loop bietet drei Formate an:

  • Watch to Donate (Pre-Roll oder In-Read)
  • Swipe to Donate (Social Video Ad auf Facebook, Instagram, Twitter oder Snapchat)
  • Click to Donate (Display Banner, der bei Klick ein Video öffnet)

Im Grunde genommen laufen die Formate alle auf eine skippable 30-Sekunden-Ad hinaus, die in einem besonderen Rahmen verpackt wird. In diesem stellt Good-Loop dem User drei Charitys zur Unterstützung zur Auswahl, deren Felder erst nach 15 Sekunden aktiviert werden.

Diese Interaktion ruft nach eigener Aussage auf der Basis von Kampagnenanalysen einen höheren Erinnerungswert sowie positive Gefühle gegenüber der Marke hervor und steigert die Kaufabsicht des Konsumenten. Good-Loop wirbt mit extrem hohen Completed Video Rates zwischen 75 bis 85 Prozent. Circa 90 Prozent der User schauen sich auch noch den Rest des 30-Sekünders an.

Abgerechnet wird auf einem Cost per Engagement-Modell. 50 Prozent des Erlöses aus dem Clip geht an die Charity, der Rest an den Publisher und in den Tech-Stack – wovon etwa zehn Prozent bei Good-Loop hängenbleiben. Der Advertiser zahlt nicht mehr als bei anderen, sondern bekommt wertvollere (generell teurere) Views vermittelt. Übersprungene Anzeigen werden nicht in Rechnung gestellt. Der Publisher bekommt sein Geld für die Impression und kann sich über Videopreise für sein Inventar anstatt günstigere Bannerplätze freuen. Die Anzeigen laufen unter anderem bei The Guardian oder im Economist.

Williams arbeitet mit einer Vielzahl von Agenturen zusammen, unter anderem Havas, Publicis und Mindshare. Zu den Kunden zählt ein weites Spektrum an Consumer Brands. So finden sich hier Haushaltsprodukte wie Persil, die Zuglinie Eurostar oder Kleidung in Form von TOMS. Je nach Produkt müssen auch die Spendenzwecke stimmen. Knorr involviert beispielsweise die Tafel und Kitkat unterstützt nachhaltigen Kakaoanbau (mit Blick auf den eingangs genannten Purpose hat Nestlé es tatsächlich nötig, an seinem Image zu schrauben).

Die Technologie dahinter

Die Plattform von Good-Loop nimmt die bestehende Video Ad und wandelt sie in ein eigenes Format um. Die Anzeigen sind letztlich eine Form von HTML5 Rich Media und können auch in VAST oder VPAID ausgeliefert werden. Die Ad Units werden mit React.js gebaut und im Backend auf den Servern läuft Java.

Für die Distribution ist die Plattform in das bestehende Programmatic-Ökosystem integriert. Auf der Demand-Seite sind mehrere DSPs angeschlossen, um den besten Preis zu erzielen, mit AppNexus als Hauptpartner.

Good-Loop bietet auf das Inventar der Publisher bei den gängigen Exchanges mit. Hier unterstützt unter anderem auch Adobe. Die Gebote finden dabei auf Campaign Level statt. Am vollumfänglichen RTB wird noch gearbeitet. Das Gros an Inventar wird laut Williams programmatisch eingekauft, allerdings existieren einige Kooperationen mit ausgewählten Bloggern, die über Insertion Order abgewickelt werden. Social Media-Anzeigen haben jeweils ihre eigenen Spielregeln.

Das Spendenprinzip ist auch im Profiling vorhanden

Nachdem ein User eine Ad gesehen hat, kann er entscheiden, ob er mehr Details über sich preisgeben möchte. Dies kann er tun, indem er etwa sein Social Media-Profil angibt oder einer E-Mail-Liste beitritt. Die Daten speichert Good-Loop mitsamt der Herkunft und Einwilligungen in einem für den User zugänglichen Portal. Hier ist der Konsument in der Lage seine Daten zu verwalten und bei Bedarf zu entfernen.

Jedes Mal, wenn die User-Daten erneut zum Targeting zum Einsatz kommen, erhält die Charity der Wahl etwas von dem generierten Umsatz. So möchte Good-Loop mit den Daten Geld verdienen und gleichzeitig transparent bleiben.

Bild: Good-Loop Presse Watch to Donate-Anzeige für TOMs in Deutsch.

Hat das Spendenmodell Zukunft im Advertising?

Der Erfolg des Modells bleibt diskussionswürdig. Im Grunde genommen möchten Advertiser nur Media kaufen. Spenden steht auf einem anderen Blatt – warum sollten sie das also kombinieren? Das einzige überzeugende Argument sind an dieser Stelle wohl ausschließlich bessere Ergebnisse in Form von harten Zahlen.

Matthias Juergensen, Your-lives.org

Matthias Juergensen, Vorsitzender von Your-lives.org, betreibt selbst eine Spendenplattform zum Thema Wasser. In Kooperation mit dem Berliner Andreas-Gymnasium macht er dort auf gemeinnützige Organisationen und Projekte aufmerksam, wobei die Schüler gleichzeitig Expertise in der Arbeit im Netz aufbauen. Juergensen glaubt, dass Good-Loop durchaus ein sinnvolles und notwendiges Format im Advertising gefunden hat:

Das ist ein Zukunftsmodell, gerade auch für Deutschland als den größten Spendenmarkt in Europa. Aber wie bei allen Formaten gilt auch hier, dass man den User nicht zu sehr damit penetrieren darf. Sonst tritt der gegenteilige Effekt ein – wie beispielsweise beim exzessiven Retargeting – und die Ad wird übersprungen. Wohldosiert eingesetzt, glaube ich, dass es eine gute Idee ist.

Der Anreiz, den Werbekonsum mit etwas Sinnvollem zu verknüpfen, sollte funktionieren. Der User sei schließlich offener für Ads, wenn er damit eine gute Tat leisten könne. Die Profile fürs Datenmanagement schätzt Juergensen jedoch kritisch ein. Die Idee per se sei nicht schlecht, aber es müsse sich noch zeigen, ob die User dies annehmen – insbesondere in Deutschland. Das Incentive könnte nicht ausreichen, um ein Profil zu erstellen. Eventuell ließen sich andere Anreize finden, wie etwa den Aufbau einer Community. Außerdem sei derzeit noch unklar für den User, ob die Spende tatsächlich ankommt.

Ausblick

Good-Loop ist nun knapp drei Jahre am Markt. Amy Williams beschäftigt insgesamt zehn Angestellte, fünf davon als Sales in London und die andere Hälfte als Entwickler in Schottland. Bislang hat das Unternehmen über 200.000 Euro für Wohltätigkeitsorganisationen erwirtschaftet.

Die Plattform ist derzeit hauptsächlich mit heimischen Kunden in Großbritannien aktiv. Die USA sind schon auf dem Radar, bald soll expandiert werden. Dafür sucht Good-Loop momentan Kapitalgeber. In einigen europäischen Märkten befindet sich die Technologie im Namen von Kunden im Einsatz, war in Deutschland allerdings nur im kleinen Rahmen für TOMs in der Vergangenheit zu sehen. Ob sich der Erfolg international einstellen wird, bleibt zu beobachten.

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