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MEDIA

Überholte Prozesse verhindern Innovationen im digitalen Mediageschäft

Martin Lütgenau, 19. Februar 2019
Bild: milazvereva - Adobe Stock

In vielen Artikeln der Fachpresse standen Publisher in der Kritik, nicht innovativ genug zu sein oder sich technologischem Neuerungen gegenüber eher reserviert zu verhalten. Der Fokus lag leider sehr einseitig auf dem klassischen Werbeformen-Vermarktungsgeschäft, wie es sich in den 2000er Jahren etabliert hat. Im Publishergeschäft haben sich in den letzten Jahren jedoch mehrere Umsatzsäulen gebildet. Mir ist es daher ein Anliegen, eine Publisher-Perspektive auf den digitalen Advertising Markt zu schildern.

Guckt man sich die automatisierten Standardwerbeformate an, kann von Preisverfall keine Rede sein. Die Preise für Display und Video steigen durch Programmatic Advertising.

In den automatisierten Systemen reguliert sich der Markt von selbst, und zwar in Millisekunden je nach Angebot und Nachfrage. Wir unterliegen somit einer automatischen Preisbildung. Kunden und Agenturen wissen in der Regel sehr gut, wie sie mit ihren eigenen und eventuell auch angereicherten Daten einen positiven Return on Advertising Spend (RoAS) mit Display- und Videowerbung erzielen können. Definitiv stehen wir hier in direkter Konkurrenz zu den großen US-Plattformen. Solange wir einen jedoch positiven RoAS für unsere Kunden erzielen können, wachsen die Umsätze in den Bereichen Display und Video bei den Publishern. Gleichzeitig haben wir in Bezug auf die „Brand Safety“ viele Vorteile gegenüber den großen Plattformen und scheuen daher keineswegs den Vergleich mit den GAFAs.

Erfahrungsstände von Agenturen und Advertisern variieren

Bei Kunden und Agenturen gibt es allerdings sehr unterschiedliche Wissens- und Erfahrungsstände über den Umgang mit den Daten und der Preisfindung. Uns begegnen immer noch Anfragen aus dem Markt, bei denen Kunden mit hohen Umsatzgrößen winken, allerdings zu Preisen, die weit unter unseren Durchschnittserlösen einzelner Werbeformen liegen. Eine Vermischung von Verhandlungstaktik der 2000er Jahre – hohe Volumenabsicherung gegen niedrige Preise – mit dem programmatischen Ansatz ist nicht zielführend.

Erfahrene Kunden hingegen wissen situativ, wie hoch der maximale Einkaufspreis sein darf, damit sich der Deal für sie lohnt, und variieren innerhalb ihrer Kampagnen stark. Insgesamt ist durch diesen Effekt bei uns der effektive Gesamt-TKP für Display-Werbung im Jahr 2018 um 16 Prozent gestiegen.

Organisationaler Wandel würde den Anstieg von Programmatic Advertising beschleunigen

Leider gibt es noch viele Kunden und Agenturen, deren Organisationsstrukturen einer schnellen Entwicklung von Programmatic Advertising im Wege stehen. Solange das klassische IO-Geschäft vom Programmatic-Geschäft organisatorisch getrennt ist, wird der Prozess hin zur Automatisierung lange dauern. Viele Vermarkter incentivieren inzwischen ihre Sales Teams nach dem Umsatz pro Kunde, egal ob dessen Kampagnen direkt oder programmatisch eingebucht werden. Die Beratung über zwei Teams bei Kunden, auf Agenturseite oder gar Profitcenter ist komplex und wahnsinnig beratungsintensiv.

Tracker-Wildwuchs im IO-Geschäft verursacht Ineffizienzen

Im Vergleich zu den großen US-Playern müssen wir häufig Kompromisse in der Werbemittelauslieferung machen. Google und Facebook machen klare technische Vorgaben für die Werbemittelbuchung und lassen eine Vielzahl an Trackern nicht auf ihrer Plattform zu. Sie bestimmen die Standards und die zertifizierten Partner. Bei den deutschen Publishern werden zum Teil viel zu schwere Werbemittel angeliefert, mit einer Vielzahl an Trackern und Messdienstleistern. Knapp 25 Prozent der uns angelieferten Werbemittel sind fehlerhaft und entsprechen nicht den allgemeingültigen Tech Specs. Nach Ablauf der Kampagnen liefern wir uns Zahlenschlachten, weil teilweise bis zu drei Parteien die Visibility mitmessen und dabei zu unterschiedlichen Werten gelangen. Der Markt braucht hier dringend gleiche Voraussetzungen und eine Standardisierung, damit wir Abstimmungschaos mit Kunden und Agenturen vermeiden und vor allem die Ladezeiten im Sinne unserer Nutzer reduzieren.

Fazit

Wir bieten bereits seit fünf Jahren unser gesamtes Inventar programmatisch an. Und zwar komplett preisoptimiert, um eine „Wasserfall“-Logik zu vermeiden, ohne in der Preispolitik zwischen IO und PA zu unterscheiden. Dabei bieten wir sowohl kontextuelle als auch kundenindividuelle Intent-Attribute an, um den Kampagnenerfolg zu optimieren. 2018 haben wir damit knapp 70 Prozent der Display- und Video-Umsätze programmatisch generiert. Einer Professionalisierung der Prozesse und einer Erhöhung der Programmatic-Quote steht 2019 dabei nichts im Weg.

Bild Martin Lütgenau Über den Autor/die Autorin:

Martin Lütgenau ist Geschäftsführer von BurdaForward Advertising, dem Digitalvermarkter des Publishing-Hauses BurdaForward. Seine als Anzeigenverkaufsleiter beim AC Verlag begonnene Karriere setze er im Bereich Online-Marketing und Sales bei der ARBOmedia AG (1998-2000) und Microsoft (2000-2002) fort. Im Jahr 2002 übernahm Lütgenau die Geschäftsführung des Digitalvermarkters TOMORROW FOCUS Media (heute: BurdaForward Advertising). Gemeinsam mit Dr. Tanja zu Waldeck führt er heute das gesamte Advertising-Geschäft der Burda-Tochter und ist unter anderem verantwortlich für die technischen Weiterentwicklungen in den Bereichen Display, Video und Content Marketing.

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