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PROGRAMMATIC

Die Entwicklung von Programmatic Advertising in Deutschland: Ein Exkurs

Arndt Groth, 11. Februar 2019
Bild: G. Crescoli; Cc0 - unsplash.com

2019 ist ein guter Zeitpunkt für Marketeers, um einen Blick in den Rückspiegel bezüglich der Entwicklung von Programmatic Advertising zu werfen. Gut zehn Jahre ist es her, seitdem es das Licht der Welt erblickt hat. Programmatic ist heute der jüngste Wachstumstreiber und Motor der Werbung, zudem DAS Buzz-Word des modernen Online-Marketings, doch was bedeutet eigentlich programmatisch und vor allem: was bringt es? Und welche Entwicklungen stehen uns noch bevor?

Vorweg zum Begriff: Ziel von Programmatischer Werbung ist es, Online-Kampagnen automatisiert und möglichst effizient auszuspielen. Dabei hängen das ebenso häufig genannte Realtime-Bidding und Programmatic Advertising zwar zusammen, sind aber nicht identisch. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) definiert den Begriff Programmatic wie folgt: „Programmatic Advertising (PA) bezeichnet die automatisierte Aussteuerung einzelner Werbekontaktchancen in Echtzeit und ist in Abgrenzung zum technischen Prozess des Realtime-Bidding (RTB) zu verstehen, welcher im Kern ein automatisiertes Preisfindungsverfahren zwischen Angebots- (Sell Side) und Nachfrageseite (Demand Side) darstellt.“ RTB ist also ein um intelligente Algorithmen ergänzter Bestandteil des Programmatic Advertising, der Auktionsteil.

Die Vorteile: Wann und wo Anzeigen eingekauft und platziert werden, hängt bei Programmatic also von einer technologischen Plattform ab. Was das bringt? Effizienz! Durch programmatisches, automatisiertes und individualisiertes Einkaufen wird der Handel mit Werbekontakt-Chancen effizienter und damit kostengünstiger. Durch die genaue Zielgruppendefinition und die zusätzlichen Informationen, wo im Gesamtverlauf der sogenannten Customer Journey die größte Kaufbereitschaft besteht, werden Streuverluste minimiert. Die Werbestrategie kann so besser umgesetzt werden. Die Anzeigen erzielen auf diese Weise eine höhere Reichweite und die Performance der Onlinekampagnen steigt.

Wie begann die Erfolgsgeschichte von Programmatic?

Ende der 90er, Anfang 2000 war die Zeit der AdNetworks (also Werbenetzwerken, die Advertiser und Publisher, Angebot und Nachfrage zusammenbringt) und der manuellen Exchanges in den USA. Unternehmen wie Right Media, Adconion, Turn oder in Deutschland AdScale boomten. Agenturen und Advertiser hatten die Möglichkeit zu anderen Konditionen große Cluster von Werbeplätzen einzukaufen als man das von den Anbietern oder den Vermarktern direkt kannte. Oft sehr viel günstiger, so dass schnell das Image der Restplatzvermarktung aufkam. Premium-Publisher taten sich deshalb schon aus Imagegründen oft schwer ihre Inventare auch über diesen Kanal am Markt anzubieten.

Zudem wurde der Einkauf von Werbeplätzen zwar günstiger, aber nicht unbedingt effizienter. Die technologische Grundlage der meisten AdNetworks war rudimentär und brachte keine echten Effizienzgewinne. Die ganzen Einkaufs- und Abwicklungsprozesse waren nach wie vor sehr aufwändig. Auf beiden Seiten der Wertschöpfungskette waren weiterhin viele Mitarbeiter gefragt und Excel war das Mittel der Wahl. Es musste also eine Alternative her. Ein Blick auf den Aktienmarkt zeigte eine funktionierende Lösung: Börsen wie Nasdaq oder Dax agierten schon lange als vollautomatische Tradingplattformen. Basierend auf Angebot und Nachfrage wird automatisiert ein Preis festgestellt. Das musste doch auch bei Werbung funktionieren. Brian O’Kelley war dann einer der ersten, der mit AppNexus Real Time Bidding (RTB) vorstellte.

Aus den Fehlern gelernt

Die deutsche Digital Medien Branche war zwar bei den ersten Trends Ende der 90er und Anfang der 00er-Jahre langsam in der Adaption. Bei Programmatic jedoch war das anders. Man hatte aus den Fehlern gelernt und so wurde - zumindest von den Digitalplayern - frühzeitig experimentiert und wurden entsprechende Technologien eingesetzt.

Was könnte man besser machen?

Drei Dinge stechen in Deutschland besonders hervor: Programmatic ist zu kompliziert, eine noch bessere Aufklärung ist nötig - ebenso die Einbindung von Programmatic in den Gesamtmedia-Kontext. Dafür ist es nicht zu spät.

  1. Die digitale Werbebranche hatte schon immer eigene und vor allem zahlreiche Fachtermini. Das hat sich durch Programmatic nochmals potenziert. Der Durchschnitts-CMO schaltet deshalb bei einer Programmatic-Präsentation nach spätestens 5 Minuten ab. Er versteht es schlichtweg nicht. Die Branche muss dringend daran arbeiten ihre Inhalte verständlicher zu kommunizieren.
  2. Die technische Entwicklung läuft rasant. Die vielen Neuerungen müssen den Mitarbeitern in den Unternehmen noch regelmäßiger in Form von Konferenzen, Schulungen, Webinars, Blogs vermittelt werden. Es gilt auch die Vorteile von Programmatic besser zu kommunizieren. Neben der Effizienz in der Abwicklung erreichen Anbieter z.B. deutlich höhere Auslastungsraten und kontinuierlich steigende eTKPs.
  3. Programmatic wurde zu Beginn rein Online-Media zugeordnet. Das Programmatic das Potential zur Veränderung des gesamten Mediahandels hat, wurde vielerorts bis heute nicht erkannt. Erst jetzt, wo Mobile, Connected-TV, DOOH und andere Mediengattungen sich öffnen, wird vielen das gesamte Bild ersichtlich. Programmatic wird langfristig für jede Mediengattung relevant.

Welche Faktoren verhinderten oder hemmen immer noch den Umschwung auf den automatisierten Anzeigenhandel?

Mensch gegen Maschine?! Viele der Sales-Abteilungen der Medienhäuser hatten Angst durch die Einführung von Programmatic obsolet zu werden. Diese Befürchtung war unbegründet, hat aber die Geschwindigkeit der Einführung sehr verlangsamt. Mit höherer Effizienz im Verkauf geht zwar auch eine Re-Allokation der Ressourcen einher, aber keine Verkaufs-Unit wurde in den letzten zehn Jahren durch Programmatic ersetzt.

Hinzu kommt eine Verunsicherung bezüglich der zukünftigen Anforderungen an den Datenschutz. Selbst heute, mehr als 6 Monate nach Einführung der europaweiten DSGVO, besteht immer noch keine Klarheit darüber, wie genau der notwendige Consent zur Nutzung der Userdaten eingeholt werden muss. Die noch ausstehende e-Privacy Richtlinie vergrößert diese Verunsicherung zusätzlich.

Ein Blick in die Zukunft

Sehr spannend ist auch der Blick über den Tellerrand von Digital Media. Programmatic ist im Vergleich mit manuellem Einkauf nicht nur effizienter und kostengünstiger. Mit Programmatic wurde eine echte Innovation geschaffen, die längst über die Grenzen unserer Branche hinaus reüssiert. In den unterschiedlichsten Industrien wurde die Idee des automatisierten Handels aufgegriffen und erfolgreich etabliert. Klöckner revolutionierte zum Beispiel mit Klöckner.i den Handel mit Stahl auf Basis einer eigenen programmatischen Plattform an Stelle eines klassischen Shops. Mittelfristig wird es keine Branche geben, die nicht die programmatische Idee aufgreift.

Die wichtigsten Kriterien für die erfolgreiche Zukunft der Branche sind Qualität und Sicherheit, nicht nur bei Programmatic. Dabei muss immer der Nutzer im Vordergrund stehen. Wird dies berücksichtigt, so gibt es auch weiterhin genug Raum für Innovationen und Wachstum.

Bild Arndt Groth Über den Autor/die Autorin:

Arndt Groths Karriere begann im Jahr 1990 als Marketing Manager bei Hutchison Telecom. Danach startete er für die Verlagsgruppe Holtzbrinck eine der ersten Online-Marketing-Units. 1998 gründete er das Deutschlandgeschäft von DoubleClick Inc. und war später für das Nordeuropageschäft verantwortlich. Von 2002 bis 2013 war er Präsident des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. Von 2012 bis 2016 war Groth als CEO bei der börsenkotierten Publigroupe AG in Lausanne tätig. Während dieser Zeit war er Mitglied im Verwaltungsrat von Publicitas AG, local.ch AG, LTV Pages Jaunes SA und im Aufsichtsrat der Zanox AG. Bei Improve Digital International BV war er von 2013 bis 2015 Aufsichtsratsvorsitzender. Seit September 2017 amtet Arndt Groth als President bei Smaato Inc.

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