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MARKETING ENTSCHEIDER

Marketingentscheider zeigen Möglichkeiten für soziales Engagement

Sandra Goetz, 19. Dezember 2018
Bild: Tim Marshall; CC0 - unsplash.com

Vor wenigen Wochen schrieb welt.de in Bezug auf Werbung: „Es gibt in der Gesellschaft das starke Bedürfnis danach, Haltung zu zeigen, das sich auch im Marketing widerspiegelt.“ Unternehmen müssten von daher vermehrt Gesicht zeigen, „wenn sie als starke Marken wahrgenommen werden wollen“. Unternehmen wiederum sind nicht gesichtslos, und das Marketing wird noch immer von Menschen und nicht von Robotern gemacht. ADZINE hat sich drei Entscheider und zwei Unternehmen der digitalen Wirtschaft angeschaut, die genau das tun: Haltung zeigen. Und damit nicht nur das Business, sondern die Welt verändern. Auf ihre Art und Weise.

Im Rahmen der Marketingentscheider-Serie, aber auch während der ADZINE Events haben Entscheider und Entscheiderinnen immer wieder in Nebensätzen von ihrem sozialen Engagement gesprochen. Ein Engagement, das auf den ersten Blick nichts oder nur wenig mit dem zu tun hat, was sie beruflich tun. Auf den zweiten Blick aber um so mehr. Es geht nämlich darum, Haltung zu zeigen. Keine Angst zu haben, öffentlich Position zu beziehen und sich für andere einzusetzen. Wie zum Beispiel Raphael Stange, Chief Marketing Officer global vom Carsharing-Anbieter car2go, eine 100-prozentige Tochter von Daimler.

Bild: car2go Raphael Stange

„Jeder, der mehr als 20.000 Euro Jahreseinkommen hat, kann andere Menschen oder Projekte unterstützen“, sagt der 42-Jährige mit Überzeugung. Stange, diplomierter Politikwissenschaftler, geht hier mit gutem Beispiel voran: Seit seiner Studienzeit unterstützt der gebürtige Nürnberger das Kinderhilfswerk World Vision, in dem er eine kontinuierliche Kinderpatenschaft hat. „Bereits meine Eltern haben ein Kinderhilfswerk unterstützt, ich habe somit eine positive Prägung. Dabei kann ich mich noch sehr gut an die Briefe erinnern, die meine Eltern von den jeweiligen Patenkindern bekommen haben. Für die frühe Erfahrung, dass es Menschen gibt, die froh wären, wenn sie unsere Probleme hätten, bin ich dankbar. Aus dieser Überzeugung heraus speist sich mein soziales Engagement“, sagt Stange.

Bei World Vision ist es nicht geblieben, seitdem der Wahlstuttgarter Vater ist, wird auch jährlich ein Betrag an die Bild-Aktion „Ein Herz für Kinder“ überwiesen. „Ich halte es seelisch nur schwer aus, diese Schicksale zu sehen, die so viele Kinder in jungen Jahren haben. Vom Verlust der Eltern bis hin zu schweren Krankheiten … Soziales Engagement ist für mich eine Pflicht, die ich gerne tue. Selbstverständlich versuche ich auch, andere Menschen hier positiv zu beeinflussen“, erklärt Stange weiter. Dies passiert zumeist über seinen Facebook-Account, wo der globale Marketingentscheider für seine Herzensangelegenheit aktiv wirbt, schließlich seien in seinem Netzwerk „genügend Menschen, die sich eine Patenschaft, Projektunterstützung oder auch Jahresspende leisten könnten, sie vergessen es nur oftmals, und ich erinnere sie daran.“

Ob es was bringt? „Ja, zweimal haben sich Menschen aufgrund eines Postings bei mir gemeldet und geschrieben, dass sie jetzt eine Patenschaft übernommen haben. Ich war erstaunt und erfreut zugleich, denn meistens bekommt man das nicht mit, ich agiere ja als Privatperson und nicht als Unternehmen“, so Raphael Stange.

Madame Courage und ihre Kinder

Ganz viel Haltung mit einer ordentlichen Zusatzladung Courage beweist Maylis Chevalier, Managing Director von Ligatus in Spanien. Der Lebenslauf der gebürtigen Französin ist genauso ungewöhnlich, wie ihr Projekt: Mit e-Mayala hat die 48-Jährige gleich eine Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz in Hamburg-Eimsbüttel gegründet, die sich der Computerbildung von Kindern in Nepal verschrieben hat. „Education is a key driver of social and economic growth. Developing digital literacy is an essential part of it to fit an individual for living, learning and working in our society. e-Malaya aims to help bridge the digital divide in the Himalayas by providing underprivileged children with hands-on experience in computer science“, heißt es auf der Webseite. Und wer Maylis Chevalier kennenlernt, merkt sofort, dass sie nicht nur für digitales Marketing, allen voran Native Advertising, sondern für ihr E-Learning-Projekt brennt.

Einmal jährlich fliegt Chevalier nach Nepal und checkt vor Ort den Stand des Projektes, spricht mit Menschen, will sehen, wie es ihren Freunden und den Kindern dort geht. Zuvor wird allerdings Geld von Unternehmen eingeworben, denn „die Hardware muss beschafft werden, ebenso müssen Lehrer sowie die Schule an sich bezahlt werden“, sagt Maylis Chevalier, die in den französischen Pyrenäen aufgewachsen ist und den Himalaya als eine Art „zweite Bergheimat“ bezeichnet.

Bild: Ligatus Maylis Chevalier

Chevalier, die neben ihrer Muttersprache Französisch ebenso Spanisch, Englisch, Deutsch und Nepali spricht, begann ihre Karriere mit einem BWL-Studium an der Ecole Supérieure de Commerce in Grenoble, Frankreich, sowie einem Volkswirtschaftsstudium an der TU Berlin. Danach ging es zu Procter & Gamble und von dort aus in ein internationales High-Potential-Verlagstraineeship zum Axel Springer Verlag. Mit dabei: Holger Meyer, der erste Google Managing Director, F. Scott Woods, erster Facebook-Chef Deutschlands, und auch Thorsten Ahlers, Ex-AOL und heute CEO Otto Group Media.

„Wir waren die ersten Trainees, dabei war ich eine der wenigen Frauen, und die einzige Ausländerin“, erinnert sich Madame Courage an eine „großartige Ausbildungszeit“ im Hause Springer, deren Kollegenbande bis heute hält. 2001 dann die große Entscheidung, sich in die soziale Welt weiterzuentwickeln.

Sie kündigte ihren Axel-Springer-Job in Prag und ging nach Nepal, drei ganze Jahre lang. „Ich lebte wie die Nepalis in einfachster Behausung. Eine Busstrecke von 200 Kilometer dauerte etwa 12 Stunden. Mein Essen? Einmal morgens um 6 Uhr und dann wieder abends um 18 Uhr“, sagt Maylis Chevalier. Während dieser Zeit hat sie vor allem gesehen, dass der Schlüssel zu einem besseren Leben die Bildung ist – und E-Learning die Möglichkeit, um Bildung auch in entlegene Gebiete zu tragen. Voraussetzung: Computer und Internetanschluss. Auf dem Grund und Boden des tibetischen Flüchtlingslagers von Tashi Palkhiel gründete sie ihre Schule, 2005 fand der erste Computerkurs statt. Ihr PC-Lab gilt als bestes von Nepal.

2006 ging Chevalier wieder zurück nach Europa und nahm ihre unterbrochene Managementkarriere wieder auf. Bei Gruner + Jahr wurde Chevalier 2006 International Director Business & Strategy und verantwortete die Strategie und das Controlling der G+J Tochterunternehmen in Spanien, Lateinamerika, Italien und Holland.

Seit 2015 ist die Volkswirtin Geschäftsführerin für Ligatus Spanien und leitet die Unternehmensgeschicke von Madrid. “Alles Geld, das ich nebenbei als Professorin für Native-Advertising verdiene, fließt automatisch in die Stiftung ein, aber natürlich reicht das nicht. Die nächste Etappe ist es, einen Coding-Kurs im Computer-Lab aufzusetzen. Dafür müssen die Computer erneuert und ein Internetanschluss beschafft werden. Daher freuen wir uns jetzt auf jede Unternehmensspende”, betont Vereinsgründerin und Erste Vorsitzende Maylis Chevalier und bittet um Weihnachtsspenden für die nepalesischen Genies von morgen.

Große Spielräume bei PubMatic

Bild: Pubmatic Sebastian Knauf

Zwei unterschiedliche Formen von Haltung gepaart mit sozialem Engagement nehmen PubMatic und Plista ein. „PubMatic unterstützt keine bestimmte Wohltätigkeitsorganisation, sondern ermutigt die einzelnen Büros zu entscheiden, welche Rolle sie in ihrer Gemeinschaft spielen“, sagt Sebastian Knauf, Senior Account Director Central Europa von PubMatic, Standort München. Das gäbe den Mitarbeitern weitreichendere Spielräume, auch, um sich im Ehrenamt zu engagieren. Zur Weihnachtszeit werden z. B. im Londoner oder auch im New Yorker Büro regelmäßige Spielzeugfahrten unternommen, um Geschenke für benachteiligte Kinder zu kaufen und zu spenden. Diese Spielzeugfahrten seien jedoch nicht nur auf die Weihnachtszeit beschränkt, heißt es bei PubMatic.

„Einige Büros tun das mehrmals im Jahr, um Spielzeugspenden für Kinder im Krankenhaus bereitzustellen. Ebenso engagieren sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig in lokalen Bibliotheken. Hier wird Kindern beim Lesen und Spracherwerb geholfen, die Englisch nicht als Muttersprache haben. Ob bei Foodbanks, Unterstützung bei Krankheit oder Lunch-Care-Pakete – es gibt unzählige private soziale Aktivitäten, die von den Mitarbeitern gemacht werden“, weiß Sebastian Knauf von seinen internationalen Kollegen zu erzählen.

Doch auch als Company zieht das US-Unternehmen an einem Strang: Auf der diesjährigen PubMatic Global Sales Conference arbeitete die Firma mit TOMS-Schuhen zusammen. Alle PubMatic-Teilnehmer entwarfen ihre eigenen Schuhe für Kinder – und für jedes Paar Schuhe spendierte TOMS ein weiteres Paar neue Schuhe an bedürftige Kinder.

Integration à la Plista

„Geflüchtete in Deutschland brauchen Perspektiven und Möglichkeiten, um ihre Talente voll auszuschöpfen“, schreibt Plista auf Adzine-Anfrage zurück. Plista erkenne diese Potenziale und böte Ausbildungschancen für junge Entwicklerinnen und Tech-Interessierte an. Anfang des Jahres konnte eine Gruppe des “Devugees”-Programm, initiiert vom Digital Career Institute, Plistas Berliner Büro im Rahmen einer Company Tour besuchen und das Unternehmen als potenziellen Arbeitgeber besser kennenlernen.

Das “Devugees”-Programm ist eine Initiative, die jungen Geflüchtete im Web Development und Engineering Weiterbildungsmaßnahmen anbietet und ihnen Praxiserfahrungen in Unternehmen vermittelt. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Training erhöhen sich die Chancen auf einen Berufseinstieg in einem Tech-Unternehmen. Begrüßt wurde die Gruppe bei Plista von einem ehemaligen Teilnehmer des Programms, der ein Praktikum als Integration Engineer absolvierte, der Gruppe alle offenen Fragen beantwortete und von seinen Erfahrungen berichtete.

Bild: plista Sarah Greiner-Miethe

Die Idee zur Kooperation kam Sarah Greiner-Miethe, Manager Human Resources bei Plista, während eines Gesprächs mit einem Bewerber: “Plista legt großen Wert auf soziales Engagement, auch über den Kreis der bereits für das Unternehmen tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hinaus. Die Kooperation mit dem ‚Devugees‘-Programm entstand, weil uns ein Bewerber davon berichtete. Seitdem konnten wir bereits mehreren Geflüchteten Praktikantenstellen anbieten. Zwei von ihnen sind heute Kollegen von uns und arbeiten in Festanstellung bei Plista”, sagt Sarah Greiner-Miethe im Berliner Plista-Headquarter.

Pro Bono für die Jugend

Zu guter Letzt wäre da noch Gründer und CEO Walter Matthias Kunze von trendquest, der exemplarisch für die vielen guten Taten von Unternehmerinnen und Unternehmern jenseits der DAX-Konzerne mit ihren „Corporate Social Responsibility“-Programmen steht.

Bild: trendquest Walter Matthias Kunze

„Die Zukunft, die wir haben wollen, fängt immer heute an, und deswegen müssen wir uns heute dafür einsetzen“, so der Hamburger. Auf der Berufsebene geschieht das gemäß trendquests „Hier und Jetzt“ im Unternehmensbereich psychologische Marktforschung und Zukunftsforschung für Player wie Otto, Axel Springer oder für die Logistik-Initiative Hamburg (inklusive ITS 2021). Im Persönlichen engagiert sich der Gründer seit Jahren im sozialen Bereich.

Bereits um die Jahrtausendwende gründete Walter Matthias Kunze einen Verein namens Neustart Hamburg, der sich zur Aufgabe gemacht hat, kostenfreie Bildungskurse und Medientrainings für benachteiligte, oftmals drogenabhängige Jugendliche anzubieten und diese damit von der Straße in Hamburgs Regionen Altona-Nord, Schanzenviertel und St. Pauli zu holen.

Der Verein ist zwar Geschichte, nicht jedoch das Engagement von Kunze. Behilflich ist hier das neue Geschäftsfeld „Bildungsseminare“, das Kunze in diesem Winter aus der Taufe gehoben hat. „Ich will damit eine Brücke zwischen jungen Nachwuchskräften und älteren Führungskräften schlagen“, sagt Kunze, der gerade an der Ausweitung des Programms mit kompetenten Trainerinnen und Lehrern sitzt.

Die Website ist bereits online. Und Mitte 2019 soll dazu das Pro-bono-Weiterbildungsprogramm starten. Für junge Nachwuchskräfte oder auch jene Studenten, die sich keine wichtigen und meist teuren Weiterbildungsseminare leisten können. Im Angebot dabei: die sich rasant verändernden Spielarten des digitalen Marketings.

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