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ECOMMERCE

Die Amazon Challenge

Frederik Timm, 1. März 2018

Händler und Hersteller stellen sich heute die gleiche Frage: Wie baut man den digitalen Produktabsatz aus, der ohne Zweifel einen immer größeren Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz ausmachen wird. Die Antwort liegt ganz offensichtlich beim Konsumenten und seiner digitalen Journey zur Online-Conversion. Google und Preisvergleiche sind zwar wohl immer noch der Haupttrafficlieferant für die meisten der unzähligen Online-Shops, die es mittlerweile für jedes Produkt und jede Nische gibt.

Immer öfter geht es aber für Shopper direkt zu Amazon, der gigantischen Produktsuchmaschine, Preisvergleich und nicht zuletzt auch dem Shop, wo man sowieso schon eingeloggt ist oder sich wenigstens schon mal registriert hat. Mittlerweile soll schon jede dritte Produktsuche bei Amazon selbst stattfinden, und die hat es in sich. Wird hier doch nicht nur ein vages Bedürfnis artikuliert, sondern eine konkrete Shoppingintention preisgegeben, auf die sehr oft zeitnah ein Kauf folgt. Amazon Traffic ist also nicht nur vom Volumen her interessant, er ist auch noch extrem nah an der Conversion.

Die Entscheidung Teil der Amazon-Welt zu werden und damit sichtbar in den Amazon-Suchergebnissen, ist also mehr als nachvollziehbar. Welche Hürden müssen Hersteller und Händler aber nun konkret nehmen, wenn sie vom System Amazon und den vielen Produktanfragen profitieren wollen? Eines ist sicher: Mit der Entscheidung für Amazon fängt die Arbeit erst richtig an und das auf einer Baustelle, deren Regeln nur einer wirklich bestimmt und kennt.

Wer kann von Amazon profitieren?

Externe Anbieter, die sich dafür entscheiden, Waren auf Amazon anzubieten und damit in der Amazon-Suche gelistet zu sein, gliedern sich in zwei Gruppen: Marken mit eigenen Produkten wie zum Beispiel Samsung oder Bosch („Vendors“) und externe Händlern („Seller“). Beiden wird gegen eine Provision eine Verkaufsplattform und bei Bedarf auch die passende Logistik geboten. Sie können ihre Produkte in den Warenlagern von Amazon vorrätig halten und über eigene Profile im Online-Shop verkaufen. Vendors erhalten jedoch noch mehr Möglichkeiten, ihre Waren zu bewerben.

Sucht ein Nutzer nun nach einem Produkt in der Amazon-Suche, konkurrieren die unterschiedlichen Produktseiten von Händlern, Marken und Amazon um die beste Position unter den Suchergebnissen.

Wie wird man sichtbar?

Die Reihenfolge der Suchergebnisse bestimmt natürlich der Amazon-Algorithmus, er bewertet eine Kombination aus sogenannten Relevanz- und Performancefaktoren. Während nur Amazon selbst die Gewichtung kennt, sind die Faktoren weitestgehend bekannt.

Die Einzelfaktoren reichen von der Einordnung des Artikels in eine passende Produktkategorie bis hin zur Bewertung der verkauften Artikel und des Händlers selbst. Auch wenn sich die Optimierung einer Amazon-Artikelseite stark von der Webseiten-Optimierung für die Google-Suche unterscheidet, spricht man auch bei Amazon von Suchmaschinenoptimierung (SEO), also der Beeinflussung der bekannten Rankingfaktoren.

Bild: Johannes Revermann Johannes Revermann

Die Relevanzfaktoren erschließen sich teileweise bei der Erstellung einer Artikelseite. So muss ein Produkt zuallererst der passenden Kategorie zugeordnet sein, um bei einer Suchanfrage überhaupt gefunden zu werden. Zusätzlich muss der Titel die passenden Suchbegriffe enthalten. Nur wer im Text mit relevanten Schlagwörtern zu seinem Produkt aufwartet, kann mit einer entsprechend guten Platzierung rechnen. Die Recherche nach relevanten Keywords nimmt hierbei einen wichtigen Teil ein.

Bild: ADZINE

Das Besondere an dem Amazon-Ranking ist jedoch die Kopplung von Relevanz- und Performancefaktoren. So geht auch die Klick-Performance einer Artikelseite in das Suchergebnisranking mit ein. Ebenso haben Artikel, die gut bewertet und häufig gekauft wurden, eine bessere Chance auf ein gutes Ranking. Ein Produkt mit einer Bewertung von 3,5 Sternen oder schlechter wird dagegen nur in wenigen Fällen unter den Top-Ergebnissen der Suche landen. Die Anzahl der Bewertungen kann zudem einen starken Einfluss auf die Conversion Rate haben. So performen Produkte mit nur einer Bewertung um bis zu 60 Prozent schlechter als solche mit elf bis zwanzig Bewertungen. Alles darüber macht nur noch einen geringen Unterschied aus.

Nicht nur die Produktbewertung, auch die Wertung des Händlers wird zur Gesamtperformance gezählt: Wie schnell wird auf Kundenfragen geantwortet? Ist der Artikel verfügbar? Wie hoch ist die Retourenrate?

Selbst die Versandart spielt eine Rolle: „Egal wie sie es organisieren, wir empfehlen unseren Kunden in jedem Fall zu versuchen, sich für den Prime-Versand zu qualifizieren“, meint Johannes Revermann, Leiter Content Marketing bei Finc3. „Hierdurch steigt die Performance und auch das Ranking des Produktes.“ Händler und Marken, die ihre Waren bei Amazon eingelagert haben, qualifizieren sich automatisch für diese Versandoption. Wer die Logistik selbst in die Hand nimmt, muss sich erst dafür qualifizieren.

Besonders in der ersten Zeit, in der ein Händler bei Amazon aktiv ist, steht er unter verschärfter Beobachtung. „In den ersten drei Monaten kontrolliert und bewertet Amazon sehr genau die Händlerperformance“, sagt Johannes Revermann. Hierbei seien unter anderem die schnelle Reaktion auf Kundenanfragen, der schnelle Versand und die Anzahl der Retouren entscheidende Faktoren, ob der Händler als erfolgreich eingestuft wird. Selbst die Seitengestaltung kann Auswirkungen auf das Ranking des Händlers haben. Schließlich kann ein zu rudimentär beschriebener Artikel auch Einfluss auf die Anzahl der Rückläufer haben. Wenn die Retourenrate über vier bis fünf Prozent steigt, sinkt die Händlerperformance.

Pay per Click Advertising als Performance-Boost

Der Eintritt in die Amazon-Verkaufswelt stellt für Händler mittlerweile eine große Hürde dar. Wie soll eine gute Bewertung des Händlers oder seiner Artikel zustande kommen, wenn er nicht prominent in der Suche auftaucht, da er über noch keine Abverkäufe verfügt? Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, bietet sich gerade für neue Amazon-Händler das Werbeangebot auf der Plattform an.

Wenn Marken und Händler den Verkauf ihrer Produkte ankurbeln und auch abseits der Optimierung von Produktseiten mehr Performance generieren wollen, haben sie die Möglichkeit, "Pay per Click" (PPC)-Kampagnen auf Amazon zu schalten. Dafür gibt es drei Werbeformate:

  • Sponsored Ads: Die beworbenen Produkte erscheinen wie organische Suchergebnisse auf den ersten Positionen der Suchergebnisseiten oder unten in Artikelseiten, sind jedoch mit einer „Sponsored“-Kennzeichnung versehen.
  • Headline Search Ads: Die Produktwerbung wird ähnlich wie ein Superbanner über den Suchergebnissen ausgespielt. Das Ad besteht aus einer Grafik, Titel und mehreren angezeigten Produkten.
  • Product Display Ads: Die Werbemittel haben insgesamt zwölf verschiedene Platzierungen innerhalb der Suchergebnisse und Produktseiten. Die gängigste befindet sich unter dem Einkaufsfeld in Form eines Rectangles.

Externe Händler (Seller) haben allerdings nur auf die ersten beiden Formate Zugriff. Die Product Display Ads sind den Vendoren vorbehalten. Je nach Format bieten sich unterschiedliche Einsatz- und Targeting-Möglichkeiten. Sponsored Products haben dabei das simpelste Targeting. Sie werden, ähnlich wie bei Google Adwords, keyword-basiert ausgesteuert. „Hierbei ist darauf zu achten, dass die Schlagwörter, auf die das Werbemittel angelegt ist, eine inhaltliche Nähe zur Produktseite aufweisen, auf die sie verlinken. Im schlimmsten Fall werden die Ads nicht ausgeliefert“, warnt Jens Jokschat, Geschäftsführer von PrimeUp. Ähnlich wie bei Google ist es nicht damit getan, die zehn gängigsten Schlagwörter zu verwenden. Händler müssen sich mit Longtail-Keywords, Keyword-Kombinationen und Synonymen auseinandersetzen und auch im Nachgang weiter justieren und Feinarbeit leisten.

Bild: Screenshot Amazon
Bild: Jens Jokschat / PrimeUp Presse Jens Jokschat

Die Product Display Ads lassen sich hingegen auf gezielten Artikelseiten einblenden. Besonders beliebt ist das Ausspielen auf Seiten der Wettbewerberprodukte. Aber auch auf den eigenen Produktseiten kann die Werbung Sinn machen. Up- oder Cross-Selling-Szenarien sind hier denkbar. „Zwar stehen mit Targeting nach Kategorie und Nutzerinteressen weitere Optionen zur Verfügung, jedoch sind diese Varianten nicht mehr so effizient“, sagt Jokschat. Product Display Ads bieten laut Jokschat noch enormes Performance-Potenzial: „Aus meiner Einschätzung sind diese Ads bisher noch am wenigsten wettbewerbsintensiv. Das mag auch daran liegen, dass Seller darauf keinen Zugriff haben.“ Zudem würden viele Marken vor dem Aufwand der Einrichtung zurückschrecken: „Dadurch, dass das Targeting hier nicht keyword-, sondern eher produktabhängig geführt wird, ist das ein wenig kleinteiliger und komplizierter aufzusetzen und führt nochmal dazu, dass es von nicht allen Vendoren genutzt und optimiert wird.“

Bild: Screenshot Amazon

Das performanteste Format ist dagegen derzeit das Headline Search Ad. Aufgrund ihrer prominenten Position, weisen sie mit ein bis fünf Prozent die höchsten Klickraten auf.

Es sind jedoch nicht unbedingt alle Produkte gleich gut für Anzeigen geeignet. Produkte mit nur durchschnittlich guten Bewertungen (3,5 Sterne und schlechter) lassen sich auch über Werbung nur schlecht verkaufen. Außerdem muss die Preisstellung im Markt stimmen. „Bei sehr niedrigpreisigen Artikeln wird es schwer, sie mit PPC noch effizient zu bewerben. Selbst bei lediglich zehn Cent pro Click und im Schnitt fünfzehn Clicks pro Conversion kann eine Kampagne bei einem Produktpreis von fünf Euro hier schnell das gesunde Verhältnis verlieren“, erläutert Jokschat.

Geduldig sein

Sind nun alle Artikelseiten und Kampagnen aufgesetzt, müssen gerade neue Händler auf Amazon in der ersten Zeit häufig Geduld beweisen. Sie müssen damit rechnen, dass die Kampagnen sehr langsam anlaufen. Auch wenn handwerklich alle Hausaufgaben gemacht und die richtigen Keywords geschaltet wurden, bleibt die Impression-Anzahl hier anfangs häufig gering. Im Extremfall fangen Kampagnen in den ersten ein bis zwei Wochen gar nicht an auszuliefern. „Wir gehen davon aus, dass der Amazon-Algorithmus in diesem Fall keine historischen Verkaufsdaten hat und sich dadurch schwerer tut, die Relevanz von den neuen Produkten zu beurteilen. Typischerweise relativiert sich das nach ein paar Wochen, wenn die Produkte erst mal ins Laufen gekommen sind“, sagt Jens Jokschat.

Ob es sich lohnt, die Amazon Challenge anzunehmen, hängt individuell von jedem Shopanbieter ab. Ob sich der Aufwand lohnt, Produktseiten anzulegen, Werbung zu schalten und die Kampagnen zu verwalten, muss jeder Online-Händler für sich selbst testen und abwägen.

Wenn Sie tiefer ins Amazon-Marketing eintauchen wollen!

Die Experten aus unserem Artikel, Jens Jokschat und Johannes Revermann, werden in einem Seminar am 9. April in Hamburg Grundlagen und Tricks des Amazon-Marketings vermitteln. In einem eintägigen Seminar zeigen sie Taktiken für mehr Sichtbarkeit und die Steigerung des Absatzes auf Amazon.

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