Im programmatischen Anzeigengeschäft ist Bot-Fraud ein allseits bekanntes Problem, mit dem sich die Branche bereits umfassend beschäftigt. WebXF, eine Marketing-Initiative von 26 Großunternehmen, hat nun in einer eigenen Untersuchung die Bot-Aktivitäten auf Twitter offengelegt: Die Kurzanalyse zeigt: 20 Prozent der Twitter Accounts in Europa und sogar 35 Prozent in den USA sind Bots.
Chat-Bots, die uns als Serviceprogramme in Messenger dienen, zeigen, dass auch die Kommunikation zusehends von Maschinenen durchsetzt ist. Doch auch auf Twitter und Co. posten, teilen und liken häufig automatische Programme die Inhalte und täuschen menschliche Aktivität vor. Alexander Romantschuk, Leiter Digitale Kommunikation bei B. Braun in Melsungen und Vorstand des Web Excellence Forums (WebXF) wollte deswegen wissen, worüber die Daten von WebXF letztendlich eine Aussage machen und ob die Branche es nun auch in Social Media mit Betrug in Dimensionen zu tun hat, die aus Online- und E-Mail- Werbung bekannt ist.
Den Tweetern auf den Zahn gefühlt
Zu diesem Zweck hat WebXF eine nicht repräsentative, jedoch aussagekräftige Kurzanalyse durchgeführt. Untersucht wurde die Twitter-Kommunikation zu zwei meinungsstarken Themen, die für die 26 WebXF-Unternehmen aus DAX und MDAX relevant sind. Dazu wurde einerseits die Kommunikation zu den tödlichen Unfällen mit dem Autopiloten des Tesla-Autos (#TeslaCrash) untersucht. Auf der anderen Seite analysiert das Unternehmen die Diskussionen rund um die Freihandelsabkommen (#TTIP, #CETA)
Untersucht wurde eine Stichprobe aus allen Profilen, die Stellungnahmen zu diesen beiden Themen auf Twitter weiterverbreitet haben (Retweets). Im Fall #TeslaCrash waren diese Retweets für nicht weniger als 120.000 Erwähnungen des Themas (Mentions) verantwortlich.
Aus den Stichproben zu beiden Themen hat WebXF 500 Mentions zufällig ausgewählt und eingehend untersucht, ob sie von Bots oder realen Menschen verfasst wurden. Als Bot wurden alle Twitter-Accounts eingestuft, deren Profilinformationen (Text oder Bild) explizite Hinweise auf Maschinenaktivität lieferten und die gleichzeitig über 30 Tage mehr als 30 Tweets täglich absetzten.
Jeder dritte Tweet kommt von einer Maschine
Die Untersuchung von WebXF hat gezeigt, dass im Fall der Tesla-Diskussion mehr als ein Drittel der beteiligten Profile (35 Prozent) durch Maschinen bedient wurden. Das Thema wurde insgesamt von mehr US-amerikanischen Accounts aufgenommen. Der Anteil der Bots, die an der hauptsächlich in Europa geführten CETA/TTIP-Diskussion teilnahmen, betrug hingegen 20 Prozent.
Die Ergebnisse der Stichprobe legen nahe, dass die vermeintlich exakten Daten zu Reichweite, Verlauf und Buzz von Kommunikation auf Twitter durch vorgetäuschte Kommunikation massiv aufgebläht sind. Diese durch Maschinen erzeugte Inflation scheint umso höher, je stärker US-amerikanische Profile an Diskussionen auf Twitter beteiligt sind. Neben der Invasion von Bots bei E-Mail (Spam) und in der Online-Werbung (Fraud), sind sie also auch im Social Media zu finden.
Die Ergebnisse der Stichprobe legen nahe, dass die vermeintlich exakten Daten zu Reichweite, Verlauf und Buzz von Kommunikation auf Twitter durch vorgetäuschte Kommunikation massiv aufgebläht sind. Diese durch Maschinen erzeugte Inflation scheint umso höher, je stärker US-amerikanische Profile an Diskussionen auf Twitter beteiligt sind. Nach Invasion von Bots bei E-Mail (Spam) und in der Online-Werbung (Fraud), hat die systematische maschinelle Täuschung nun auch Social Media erreicht.
„Die Ergebnisse überraschen uns nicht, sind aber dennoch sehr ernüchternd" sagt Michael Heine, Mitgründer des Web Excellence Forums, Heine weiter:
” (Michael Heine, WebXF)Das Potenzial via Twitter tatsächlich mit Menschen gesellschaftliche Diskussionen zu führen, ist viel kleiner als gedacht. Dagegen legt der hohe Anteil an Bots den Schluss nahe, dass nicht-humane Tweets offensichtlich eine gute Möglichkeit sind, Journalisten und andere humane Multiplikatoren zu beeinflussen, die den Buzz in ihrer Social Media-Echokammer mit der Realität verwechseln.
Bisher noch keine Lösung
Software-Werkzeuge, die Bots verlässlich erkennen und ihren Einfluss aus der Bewertung von Social Media-Kommunikation eliminieren, sind am Markt noch nicht verfügbar. Keines der von WebXF verwendeten Tools soll sich als ausreichend zuverlässig erwiesen haben. Das scheint auch für die Filterwerkzeuge zu gelten, die Hersteller von Social Media Monitoring-Plattformen betreiben – ähnlich den Spamfiltern, die E-Mail-Dienste wie GMX einsetzen.
Verantwortliche in Kommunikation und Marketing sollten daher Social Media-Daten ausschließlich vergleichend mit Daten aus anderen Medienkanälen zu betrachten. Diese kanalübergreifende Sicht macht vorsätzliche Störungen in einzelnen digitalen Kanälen leichter erkennbar.
„Bei der Vielzahl an Daten und Kennzahlen gilt mehr denn je, dass Daten erst sprechen, wenn man über sie spricht. Benchmarks in Form von Zeitreihen oder Vergleichen mit anderen Kanälen und Marktteilnehmern sind hierfür der ideale Ausgangspunkt. Ergebnisse digitaler Kommunikation müssen immer wieder aufs Neue auf ihre Plausibilität überprüft werden. Und zwar von Menschen, nicht von Maschinen. Das gilt für Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen genauso wie für Journalisten,“ rät Dr. Christian Bachem, Mitgründer des Web Excellence Forums.
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