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Multi-SSP Ansatz – Darf es ein bisschen mehr sein?

Jens von Rauchhaupt, 12. Juli 2016
Bild: Alibi - Photocase.com

Nicht jede Supply Side Platform (SSP) ist mit allen marktrelevanten Einkaufsystemen (DSPs) verbunden. Zudem beherrschen nicht alle Vermarktungsplattformen in gleichem Maße Mobile, Video und Desktop. Ist es für die Angebotsseite von Vorteil, mehrere Supply Side Platforms einzusetzen oder geht dies zu Lasten der Einkaufseite, weil damit der Preis für einen Werbekontakt in die Höhe getrieben wird? Das ist eine Frage, die im Zusammenhang mit dem Einsatz von Systemen für Programmatic Advertising immer wieder gestellt wird.

Für die Verkäuferseite geht es beim Einsatz einer SSP darum, an möglichst vielen Demand-Quellen wie DSPs und Exchanges optimal und effizient angeschlossen zu sein und eine Anbindung so zu gewährleisten, dass in Echtzeit (“Real-Time”) die Preisinformationen an den Adserver übergeben werden, um diese mit allen auf einem Inventar gebuchten Kampagnen gegeneinander auszusteuern. Das Ziel ist dabei ein höchstmögliche Preis für jede Impression.

In der Einführungsphase der SSP-Technologie testen Vermarkter oder Publisher verschiedene Systeme und Anbieter, um die Leistung miteinander zu vergleichen. Insbesondere die Anbindung an die relevanten Demand-Partner (DSPs, Exchanges) und die Integration an oder in den Adserver im Sinne der holistischen Aussteuerung stehen hier im Fokus der Betrachtung. Diese Tests laufen optimalerweise zeitlich voneinander getrennt auf den gleichen Supply-Quellen (also Websites, Apps) ab und nicht zeitgleich. So wird eine Beeinflussung der unterschiedlichen Technologien ausgeschlossen. Dieses Vorgehen geschieht mit dem Ziel, eine optimale SSP pro Supply-Quelle zu finden, idealerweise entscheidet sich ein Vermarkter für eine "Haupt-SSP", die hauptsächlich zum Einsatz kommt.

Wann entsteht die Notwendigkeit, unterschiedliche SSPs einzusetzen?

Es kann aber notwendig werden, für unterschiedliche Supply-Quellen wie Mobile, Video, Standard-Display und Sonderformate unterschiedliche SSPs einzusetzen. Da aktuell nicht alle SSPs beispielsweise auch Instream-Video gleichermaßen gut beherrschen, gibt es dafür auch Spezial-SSPs. Auch Programmatic Direct ist eine Funktion, die noch nicht alle SSPs gleich gut umsetzen und so den Einsatz unterschiedlicher Systeme notwendig machen können. In den USA ist es durchaus üblich, dass die Publisher gleichzeitig an mehrere Supply Side Platforms und Marktplätze angeschlossen sind, in Deutschland ist diese Konstellation bisher kaum verbreitet. Allenfalls wird neben der Stamm-SSP Google's Adexchange angeschlossen, um so von der Nachfrage aus Google Adsense profitieren zu können.

Mario Gebers, Director Business Development DACH vom SSP und Marktplatzanbieter OpenX, glaubt, dass es für Publisher durchaus lohnenswert sein kann, mit mehreren SSPs zu arbeiten: „Wenn mehrere SSPs genutzt werden, stehen auch viel mehr Demand-Quellen bereit, was den Wettbewerb stärkt und somit auch höherer Erlöse für den Publisher einbringt. Insbesondere in einem Setup mit Header Bidding werden diese Vorteile deutlich. Aus technischer Sicht ist hinzufügen, dass selbst wenn zwei SSPs rein theoretisch die gleichen Demand-Quellen angeschlossen haben, in der Regel nicht alle Demand-Partner gleichberechtigt angefragt werden. Die Nutzung mehrerer SSPs ermöglicht eine gleichmäßige Einbindung der Demand-Seite. Ein zusätzlich beachtenswerter Punkt bei der Auswahl verschiedener SSPs: Manche SSPs sind regional sehr stark vertreten, verfügen aber in anderen Ländern oder auch Regionen über keinen signifikanten Footprint – mit einer ausgewogenen Auswahl an SSPs lässt sich internationaler Traffic optimal monetarisieren.“

Julien Gardès, der neue Europachef des US amerikanischen SSP-Betreibers Rubicon Projekt widerspricht Gebers, jedenfalls in einem Punkt: Der Einsatz mehrerer SSPs, die mit den gleichen Demand-Partnern arbeiten. „Das beste Szenario ist der Einsatz einer einzelnen SSP, sofern diese Video, Mobile und Desktop gleich gut beherrscht. Es wäre ein großer Fehler, zwei oder drei SSPs mit den gleichen Möglichkeiten und Features einzusetzen, sofern diese mit den gleichen Demand Partner verbunden sind. Je mehr SSPs ein Publisher nutzt, umso weniger wird er mit seinem Inventar verdienen. Es lassen sich aus 1 Mio. Impressions keine drei Millionen machen, nur weil man drei SSPs einsetzt. Die Einkaufsseite sucht „Unique Inventory“, den man nicht überall findet. Es gibt eine ziemlich treffende Aussage zum Multi-SSP Ansatz: 'Wenn Du überall bist, bist Du nirgends'. Ein Publisher sollte besser darauf achten, wo sein Inventar zur Verfügung steht und die Kontrolle darüber haben. Wer sein Inventar überall anbietet, landet schneller in der Arbitrage-Ecke als ihm lieb ist. Außerdem verkompliziert der Multi-SSP Ansatz die Arbeit der Einkaufsseite. Sie will das unique Inventory des Publisher einmal und nicht dreimal kaufen und dies noch zum möglichst günstigsten Preis. Publisher, die mehrere SSP nutzen, die an den gleichen Demand Partnern angeschlossen sind, kannibalisieren sich selbst.“

Gefahr der Intransparenz für den Einkäufer?

Es stellt sich also die Frage, ob es auch sinnvoll ist, SSPs zeitgleich auf der gleichen Demand-Quelle wie etwa ein bestimmtes Format auf einer Website und mit der gleichen Dealform (z. B. Private Auction) einzusetzen. Für die Einkaufsseite ist es nicht immer eindeutig klar, über welche SSP bzw. über welchen Deal eine bestimmte Supply-Quelle am Markt angeboten wird. Das kann zu Irritationen führen. In einem solchen Szenario ist es nämlich möglich, dass der Käufer mit seiner DSP auf die gleiche Impression über mehrere SSPs gleichzeitig bietet und sich im Extremfall sogar selbst überbietet.

„Die Gefahr besteht, dass der gleiche Käufer die Impression vom Vermarkter über mehrere Systeme (SSPs) auf seiner DSP angeboten bekommt und so gegen sich selber bietet. Klar, das ist zunächst ein sehr theoretischer Fall und die Frage ist, wie viel Prozent das wirklich betrifft. Wir selbst wollen dies aber im Sinne unserer Kunden vermeiden“, sagt Tibor Gaddum, Geschäftsführer vom Online-Vermarkter Quarter Media. Der Vermarkter arbeitet mit mehreren SSPs, allerdings werden bei den Hamburgern nur Gebote unterschiedlicher Werbeformen wie Video, Mobile und Sonderformate oder unterschiedlichen Dealformen gleichzeitig gegenüber den DSPs abgegeben. „So werden Doppelangebote der gleichen Kunden auf dieselbe Impression vermieden", sagt Gaddum. Der Einsatz unterschiedlicher SSPs ist laut Gaddum dennoch angebracht, wenn die „Haupt-SSP“ bestimmte Funktionen nicht abdecken kann oder wenn spezielle Kunden eine andere SSP wünschen. „Unserer Erwartungen wurden insofern erfüllt, dass wir den Käufern damit ein umfangreiches programmatisches Angebot machen können und sich die TKPs dadurch gesteigert haben“, berichtet Gaddum.

Gaddum glaubt wie Gardès von Rubicon, dass sich Publisher ins eigene Knie schießen, soweit sie die Gefahr der Doppelangebote nicht ernst nähmen. „Zunächst könnte man denken, dass dies aus Publisher-Sicht zu höheren TKPs führt, was wahrscheinlich kurzfristig auch der Fall sein wird. Mittel- bis langfristig werden die Käufer diese Konstellationen allerdings entdecken und gar nicht mehr bieten und die Nachfrage auf den so angeschlossenen Supply wird wieder sinken. Der Einsatz mehrerer SSPs zeitgleich auf dieselbe Impression macht also nur dann Sinn, wenn solche Doppelangebote entweder von unserer Seite oder von Seiten der DSPs vermieden werden können, und wenn eine weitere SSP zusätzliche Käufer bringt. Sobald Adserver sogenannte SSP-Mediations ermöglichen, bei denen verschiedene SSPs schon innerhalb des Systems gegeneinander bieten, macht es definitiv Sinn, dies weitestgehend einzusetzen."

Es zeigt sich zurzeit auch eine Entwicklung im Zusammenhang mit der Integration des Header Biddings in die Adserver bzw. SSP-Systeme, dass es schon möglich ist, unterschiedliche SSPs so zu integrieren, dass Doppelgebote und Marktirritationen über die führende SSP verhindert werden.

„Gerade in unserem heimischen Markt besteht von Käuferseite der Wunsch und die eindeutige Tendenz der relevanten Marktteilnehmer, über Private Auctions und Deal-ID einkaufen zu wollen. Mit dieser Technik können bei einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäuferseite Doppelgebote weitestgehend ausgeschlossen werden. Der Verkäufer kann zwar dem Käufer theoretisch über verschiedene Deal-IDs aus derselben oder unterschiedlichen SSPs auch zeitgleich dieselben Impressions anbieten. Über einen Abgleich der URLs wird dies in der Praxis allerdings vermieden“, sagt Gaddum.

Die Aussage, dass der Multi-SSP Ansatz nicht lohnenswert sei, mag auf eine klassische Wasserfall-Vermarktung ohne Header-Bidding vielleicht zutreffen. Beim Waterfall-Prinzip, zuweilen auch als Daisy Chain bezeichnet, wird der Kanal, der den meisten Gewinn verspricht vom Publisher als erstes bedient, die Vergabe der Impression ist fest priorisiert. Bei dem Einsatz von Header Bidding gilt aber diese Argumentation nicht mehr, glaubt Gebers von OpenX „Hier profitiert der Publisher voll vom Einsatz mehrerer SSPs. Es macht keinen Unterschied, ob der Bidder individuell im Header eingebunden oder über client- oder serverseitige Container implementiert ist. Das höchste Gebot gewinnt, die Entscheidung trifft der Adserver oder sie findet im Container statt. So hat die Demand Seite immer ein sehr hohes Interesse das höchste Gebot abzugeben. Dieser holistische Ansatz von Header Bidding lässt eine Kanibalisierung nicht zu", sagt Gebers.

Dies gelte sogar in der herkömmlichen Wasserfall-Vermarktung, sofern der Publisher seine Floorpreise im Griff hat und sich über die Qualität des jeweiligen Traffics im Klaren ist. „Qualitativ hochwertiger Traffic wird durch gut angebundenen Demand gleich versteigert, weiter unten im Wasserfall kommen dann auch weitere Demand Partner zum Zuge. Diese haben beispielsweise bei der führenden Exchange ein weniger gutes Ranking (weniger Anfragen) oder sind dort gar nicht angebunden. Auch gibt der Multi-SSP Ansatz dem Publisher die Option Private-Marketplace-Deals (PMP) über eine zweite oder dritte SSP abzuwickeln. Das ist beispielsweise für den Fall wichtig, wenn die DSP nicht an die primäre SSP angeschlossen ist, was immer noch vorkommen soll", so Gebers.

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