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ADTECH

Bessere Entscheidungen durch künstliche Intelligenz in Media und Marketing

Karsten Zunke, 25. Februar 2016
Bild: vladystock - Dollarphotoclub.com

Marketing Automation und Programmatic Buying sind nur zwei aktuelle Entwicklungen, die zeigen, dass Technologien eine immer unverzichtbarere Rolle im digitalen Marketing spielen. Und die Technologien werden immer schlauer. Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Lage, selbst hochkomplexe Systeme zu optimieren. Im Interview erläutert KI-Experte Dr. Alexander Korth, Head of Webmetrics, Agentur für Advanced Web Analytics aus dem ZenithOptimedia-Netzwerk, wie künstliche Intelligenz das Marketing verändert.

Adzine: Herr Korth, was ist eigentlich künstliche Intelligenz, KI?

Alexander Korth: Vereinfacht gesagt geht es darum, dass Technologien in der Lage sind, automatisiert Daten auszuwerten und darauf basierend Entscheidungen zu treffen. Künstliche Intelligenz hat viele Unterdisziplinen, nur einige sind für das Marketing relevant.

Adzine: … welche wären das?

Alexander Korth

Korth: Für das Marketing sind zum einen Mustererkennungen, Klassifizierungen und Vorhersagen relevant. Hier geht es um Analysen, Modellierung, Klassifizierung und eben Predictions. Zum anderen sind komplexe Entscheidungsbäume zu nennen. Wenn die anfallenden Datenmengen und Informationen so zahlreich sind, dass man sie mit klassischen Technologien nicht mehr beherrschen oder nicht mehr sinnvoll verarbeiten kann, kommt KI ins Spiel. Auch im Marketing setzt sie sich daher immer mehr durch. Viele Unternehmen im Umfeld der Marketing-Tech investieren massiv in dieses Feld. Google, Facebook, IBM, MS und Amazon sind schon aus ihrer Historie stark auf diesem Gebiet. Wir sehen zahlreiche Akquisen, deren Ziel es ist, mehr Wissen über den User zu generieren.

Adzine: Warum ist das so? Warum ist KI ein zunehmend wichtiges Thema im Marketing?

Korth: Das Marketing der Gegenwart, und natürlich auch der Zukunft, dreht sich um Userprofile. Die Zielgruppen und die Nutzungsmuster fragmentieren, Menschen nutzen unterschiedliche Devices und Unternehmen brauchen Profile, um ihre Konsumenten zu erkennen, zu verstehen und wiederzufinden. Der Wunsch nach Single Customer View, also einem einzigen, vollständigen Kundenprofil, das alle Devices und Browser umfasst, ist ziemlich laut. Aktuell rüsten Advertiser auf, um Informationen über ihre Kunden zu erfassen, zum Beispiel mit Analytics-Technologien oder Data-Management-Plattformen. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass heute auch Menschen die Technologien bedienen können, die technologisch nicht ganz so tief im Thema sind. Man muss nicht mehr der Superexperte sein, um diese Technologien benutzen zu können. Künftig wird die künstliche Intelligenz daher eine immer stärkere Rolle im Marketing spielen.

Adzine: Wo wird KI schon heute im Marketing eingesetzt?

Korth: Zum Beispiel im Empfehlungsmarketing – Amazon ist hier ein prominentes Beispiel. Einerseits werden Empfehlungen auf Ähnlichkeiten von Produkten identifiziert, andererseits wird über ein sogenanntes Collaborative Filtering von den Vorlieben und Neigungen anderer User auf die Vorlieben eines einzelnen Users geschlossen. Künstliche Intelligenz hilft, Marketers Traum zu realisieren – die zielgenaue Konsumentenansprache ohne Streuverluste. Bisher müssen spitze Marketingzielgruppen immer in Mediazielgruppen übersetzt werden, weil noch nicht über alle Medienkanäle skalierbar getargetet werden kann. Jetzt lassen sich Marketingzielgruppen schon recht gut adressieren, allerdings nicht in der nötigen Reichweite. Lookalike Modelings helfen schon heute bei der Reichweitenerweiterung. Ein wichtiger Schritt ist es hier für den Marketer, seine firmeneigenen First-Party-Daten sowie Insights daraus ins Spiel zu bringen. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist das Attribution Modeling. Das ist beispielsweise für viele unserer Kunden hochspannend. Hierbei wird eine Vielzahl von Customer Journeys untersucht, um Hinweise auf den perfekten Marketingmix zu erhalten.

Adzine: Im Marketing ist die Automatisierung in vollem Gange – ist das auch ein Fall für künstliche Intelligenz?

Korth: Marketing Automation ist im Grunde eine automatisierte, regelbasierte Entscheidungskette. Hochkomplexe Regeln benötigen Maschinen, die die entsprechend hochkomplexen Entscheidungsbäume bauen. Der Marketer gibt die Basisinformationen ein, aber der eigentliche Entscheidungsbaum kann aufgrund seiner Komplexität nur von einer Maschine optimiert werden. In diese Richtung geht die aktuelle Entwicklung.

Adzine: Sind intelligente Maschinen die besseren Marketer?

Korth: Die Menschen werden bleiben. Aber wenn wir uns zunehmend einem One-to-One-Marketing nähern, benötigen wir maschinelle Unterstützung. Wir brauchen sie, um steuern, bewerten und entscheiden zu können, wer wann mit welcher Botschaft angesprochen wird. Den richtigen User zur richtigen Zeit ansprechen war bisher nur ein Slogan. Jetzt ist es tatsächlich umsetzbar – aber eben nicht händisch.

Adzine: Wo genau sitzt die künstliche Intelligenz im Online-Marketing – wird die Intelligenz auf einer Plattform konzentriert oder werden es eher viele kleine intelligente Lösungen sein, die ein schlaues Ganzes ergeben?

Korth: Diese Frage lässt sich schwer beantworten. Möglichst alles auf eine Plattform zu konzentrieren, hat den Vorteil, dass man seine Marketingaktivitäten sehr effizient steuern kann. Aber als Advertiser sollte man auch darauf achten, sich nicht in Abhängigkeit eines einzigen Technologieanbieters zu begeben. Denn genau das ist der Nachteil einer zentralen Lösung. Wichtig ist in jedem Fall, dass alle Komponenten miteinander gut interoperabel sind. Welche Art von Plattform die Steuerzentrale sein wird, lässt sich dabei nicht genau sagen. Als Kandidat kommt durchaus die DMP in Frage. Noch sind die DMP-Funktionalitäten allerdings relativ trivial, aber sie entwickeln sich rasant weiter.

Adzine: Was wird künftig im Marketing durch die Unterstützung von KI möglich sein?

Korth: Beispielsweise werden Unternehmen künftig auch bei unvollständigen Daten sehr genaue Prognosen treffen können. So werden Unternehmen auf Basis ihrer CRM-Daten sowie unter Zuhilfenahme gemieteter Daten zum Beispiel vorhersagen können, dass ein bestimmter Kunde, der gerade zum ersten Mal die Unternehmenswebsite besucht, mit hoher Wahrscheinlichkeit ein künftiger A-Kunde sein wird. Dadurch kann man ihn mit Paid- oder Owned-Media sehr gezielt ansprechen. Gleiches gilt für Kunden mit Churn-Risiko oder jeden anderen Website-Erstbesucher. Natürlich entbehren solche Träume nicht einer gewissen Spookiness. Das Thema Datenschutz wird in diesem Zuge noch einmal neue Relevanz bekommen.

Adzine: Die Technologie entwickelt sich rasant, was empfehlen Sie jetzt Unternehmen?

Korth: Unternehmen müssen im Bereich Marketing-Tech massiv aufrüsten. Selbst die Großen haben hier Nachholbedarf: Sie denken teilweise, wenn sie eine DMP haben, sind sie gut aufgestellt. Es reicht aber nicht, Daten zu erfassen und in ein System einzuspeisen. Über Methoden der künstlichen Intelligenz ist hier noch viel mehr möglich. Letztlich darf man die Daten nicht nur von oben in einen Funnel geben, sondern man muss auch die Daten im unteren Teil des Funnels erfassen und analysieren.

Adzine: Wie wird die Entwicklung weitergehen?

Korth: Es kommen neue Herausforderungen auf die Unternehmen zu: Viele Aufgaben wie Nutzermodellierung und Predictions werden zum Beispiel heute meist in der DSP abgebildet; das muss künftig beim Advertiser geschehen. Entsprechende Prozesse muss der Advertiser aber auch personell abbilden können, entweder selbst oder über einen spezialisierten Berater. Auch macht es Sinn, exklusive Datenpartnerschaften einzugehen, also 1st und 2nd Party Data zusammenzubringen, so dass beide profitieren. Solche Partnerschaften gibt es schon heute. Künftig werden wir sie noch öfter sehen.

Adzine: Vielen Dank für das Gespräch!

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