Programmatic Video Advertising – Neue Evolutionsstufe für Bewegtbild
Karsten Zunke, 3. February 2014Noch vor wenigen Jahren war es schwierig, eine genügend große Reichweite für Videokampagnen im Internet sicherzustellen. Reichweiten-Aggregatoren hatten Hochkonjunktur. Mittlerweile geht es weniger um fehlende Reichweite, sondern vielmehr um Effizienz. Das sogenannte Programmatic Video Advertising ist im Aufwind. Dieses automatisierte Einbuchen von Videospots in Online-Bewegtbild-Content vereinfacht die Buchungsabläufe zwischen Agentur und Vermarkter beträchtlich. Insbesondere Marketer sehnen sich nach mehr Effizienz. Doch fehlende Standards bremsen das Wachstum. Noch.
In diesem Jahr wird in Deutschland die automatisiert gebuchte Videowerbung einen Anteil von 13,1 Prozent am gesamten Video-Advertising haben, so eine Prognose des Marktforschungsinstitutes IHS, Electronics & Media. Bereits im Jahr 2017 soll dieser Anteil hierzulande circa 26,6 Prozent betragen. Dies entspräche einem Marktvolumen von 92,3 Millionen Euro. Und die Bedeutung programmatischer Buchungen dürfte weiter steigen.
Für Publisher hat ein programmatischer Verkauf viele Vorteile: Insbesondere die Effizienz und die niedrigeren Kosten sprechen für das maschinelle Verkaufen. Auch lässt sich so der bestmögliche Preis erzielen. „Programmatic demokratisiert den tatsächlichen Prozess des Kaufens und die Publisher bekommen, was sie brauchen, höhere CPMs“, sagt Cornelia Reitinger, Director Publisher Development bei LiveRail EMEA. Das Unternehmen bietet eine Video-SSP mit der Publisher ihre Videoinhalte monetarisieren können. Die Plattform kann auch als Private Exchange betrieben werden, damit Vermarkter den Zugang zu Inventarsegmenten kontrollieren können.
Der Demand-Side bietet einem automatisierten Einkauf ebenfalls viele Vorteile. Der Einkaufsprozess wird schneller und effizienter. Und mit Bewegtbild-Werbung im Web können die Werbetreibenden nun auch jene Nutzer erreichen, die immer weniger TV konsumieren. Wird automatisiert in Videonetzwerke eingebucht, lassen sich Nutzer plattformübergreifend ansprechen und die Kontaktdosis per Frequency Capping steuern. Auch das Ausspielen unterschiedlicher Ads in Abhängigkeit von der Kontaktzahl ist Publisher-übergreifend möglich. Die Technologie verspricht zudem bessere Ergebnisse bei gleichem Budgeteinsatz, da einzelne Impressions ganz gezielt gebucht werden können.
Erst einmal parallel
„Programmatic verfügt über die Voraussetzungen, die Buchungsprozesse von Videowerbung komplett zu verändern“, sagt Mathias Blüm, Geschäftsführer von clipkit aus Berlin. Das Technologieunternehmen vermarktet Bewegtbild-Content, indem es einen selbst entwickelten Video-Player anbietet, der automatisierte Werbebuchungen unterstützt und cloudbasiert auf Inhalte einer Online-Videothek zugreift. Dass Programmatic die klassischen Buchungen aber tatsächlich komplett ersetzt, daran glaubt Blüm nicht. Im Moment findet im Trading noch vieles über einen Fixpreis statt, eine Second Price Auction muss sich erst noch komplett durchsetzen. „Die tradierten Modelle werden so schnell nicht kippen. Klassische und programmatische Buchungen werden nebeneinander existieren“, so der Experte. Schon heute zeichnet sich diese Entwicklung ab.
Die internationalen Big-Spender im Online-Werbemarkt sind auch die Treiber für den automatisierten Einkauf von Videowerbung. Die Beratungsleistung erfolgt aber auch bei clipkit nach wie vor über die Planungsteams. „Sowohl auf Vermarkter- als auch auf Agenturseite arbeiten die programmatischen und die klassischen Planungsteams sehr eng zusammen. Lediglich in der Auslieferungstechnologie gibt es Unterschiede“, so Blüm. Bereits fünf Agentur-Trading-Desks sind an die clipkit-Adserver angeschlossen. Jede Anbindung ist individuell, da einheitliche Standards fehlen. Blüm rechnet damit, dass sich das bereits in einem halben Jahr ändern könnte. „Bis dahin werden bei uns Programmatic Buying und direkter Kundenkontakt weiterhin parallel laufen“, so Blüm.
Fehlende Standards bremsen
Noch ist das Angebot für programmatisches Video Ad Buying in Deutschland überschaubar. Nur wenige Ad Exchanges, SSPs und Videovermarkter bieten es an. Marktbeobachter gehen davon aus, dass automatisierte Videobuchungen erst dann im großen Stil erfolgen, wenn sich dafür Standards etabliert haben. Denn was heute bei der einen Video-SSP funktioniert, kann bei einer anderen gar nicht vorgesehen sein.
„Die Angebotsstruktur muss der Nachfragestruktur entsprechen“, sagt Manfred Klaus, Geschäftsführer der Plan.Net Gruppe. Einheitliche Maßstäbe seien dringend nötig. „Insbesondere für Spotlängen, Frequenzen und Targetingmöglichkeiten sind Standards nötig“, sagt Klaus, der darüber hinaus für verlässliche Inventarprognosen und klare Aussagen zu Verfügbarkeiten plädiert. „Ziel sollte sein, dass dieses Videoinventar nach AGOF-Kriterien identifizier- und buchbar wird.“
Auch der Qualitätsaspekt ist für Werbungtreibende sehr wichtig. Videowerbung ist per se bereits stark brandingorientiert. Dass die angebotenen Umfelder auch „brandsafe“ sind, spielt daher eine besondere Rolle. Aus Sicht von Klaus ist das Risiko, mit seiner Marke in einem unpassenden Umfeld zu erscheinen, beim Programmatic Buying aber nicht größer als bei typischen Rotationsbuchungen bei Zweit- oder Drittvermarktern. Für Agenturen ist es dem Experten zufolge wichtig, dass das Inventar möglichst genau beschrieben ist, um sich nicht unerwartet in Gaming-Umfeldern oder Bilderstrecken wiederzufinden. „Programmatic Buying bringt die klassischen Qualitätsrisiken mit sich. Aber sie lassen sich über Vereinbarungen und ein detailliertes Monitoring abschwächen“, sagt Klaus. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, wird der Volumenanteil im Video-Advertising, der programmatisch abgewickelt wird, schnell steigen, lautet seine Prognose.
Qualität ist das höchste Bewegtbild-Gut
Auch bei Smartclip weiß man um die Befindlichkeiten der Werbungtreibenden, insbesondere in Bezug auf die Umfeldqualität. Als Reichweiten-Aggregator gestartet, hat sich das Unternehmen mittlerweile zu einem Multi-Channel-Videovermarkter entwickelt und vermarktet Videoinhalte auch auf Smartphones, Tablets und internetfähigen Fernsehern. Neben dem klassischen Direct-Sales-Geschäft bringt das Unternehmen Publisher und Werbetreibende auf seiner selbst entwickelten SmartX Platform zusammen. Sie ermöglicht Programmatic Advertising.
Unabhängig vom Buchungsprozess stellt der Vermarkter an alle seine Publisher die gleich hohen Qualitätsanforderungen. „Inventar, das automatisiert buchbar ist, hat die gleiche Qualität wie unser Direct-Sales-Inventar“, betont Kay Schneider, Director SmartX Platform. Zunächst werden auch hier die meisten Werbebuchungen noch nach dem klassischen Media-Sales-Verfahren abgewickelt. „Wir sind aber überzeugt, dass der Anteil der ausschließlich programmatisch eingebuchten Videowerbung schnell und deutlich steigen wird“, sagt Schneider. Um den Hemmschuh der fehlenden Standards loszuwerden, arbeitet man mit DSPs eng zusammen. Die SmartX Platform ist als SSP positioniert. Werbungtreibende können sich somit nicht direkt auf der Plattform einloggen, sondern müssen ihren Trading Desk oder eine DSP andocken.
Programmatic und Real-Time Bidding
In diesem Zusammenhang weist Schneider auf ein großes Missverständnis hin, das im deutschen Markt herrscht: „Programmatic Video Buying ist technisch gesehen immer ein Real-Time Bidding“, sagt Schneider. Es sei ein Fehler, Real-Time Bidding (RTB) mit einer Second Price Auction gleichzusetzen. Vielmehr seien alle Preismodelle im RTB möglich. Selbst ein automatisierter Handel mit Fixpreisen oder Inventargarantien fallen in die Rubrik des Real-Time Bidding. „Sobald über eine Server-zu-Server-Verbindung in Echtzeit gehandelt wird, ist es Real-Time Bidding“, sagt Schneider. Denn: Während beim klassischen Adserving der Käufer die vom Server angebotene Impression annehmen muss, ist dies beim Real-Time Bidding nicht der Fall. Auch ohne Auktionsmechnismus kann ein Advertiser entscheiden, ob er auf die angebotene Ad Impression ausliefern möchte oder ob er lieber eine andere auswählt.
Programmatic Video Ad Buying ist für erste Vermarkter und SSPs bereits ein Wachstumstreiber. Marktbeobachter gehen davon aus, dass der programmatisch abgewickelte Anteil an der Videowerbung schnell steigen wird, sobald aus Agentursicht die Voraussetzungen erfüllt sind. Doch das ganz große Wachstum für das Video-Advertising könnte schon bald nicht mehr aus dem Web kommen, sondern aus anderen Kanälen. So erwartet Smartclip das größte Inventarwachstum mittlerweile im Bereich Mobile und Connected TV und arbeitet gleichzeitig intensiv daran, Werbung im linearen TV über Adserver verfügbar zu machen.
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