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Der gute Ruf des digitalen Ich

Michael Gebert, 22. März 2011

Soziale Netzwerke im Internet nehmen immer stärker an Bedeutung zu – und mit ihnen die Notwendigkeit, sich im Netz als Person mit einem guten Ruf zu etablieren. Das ist nicht nur für persönliche Kontakte, sondern auch für berufliche Perspektiven von immenser Bedeutung. Die eigene Reputation im Netz zu analysieren und zu steuern, sehen Internetexperten als einen der Megatrends im Zeitalter des Social Web.

Soziale Netzwerke im Internet können den Ruf oder die Bekanntheit einer Person positiv beeinflussen. Der Pressesprecher von Google Deutschland, Stefan Keuchel, beispielsweise macht sich das Social Web bewusst zunutze, um in der Öffentlichkeit Glaubwürdigkeit auszustrahlen. „Ich versuche über Kommunikationskanäle wie Twitter oder Xing ansprechbar und möglichst offen und transparent zu sein“, so Keuchel. In das eigene Image zu investieren, kann sich durchaus lohnen. So ist Wirtschaftspsychologe Herbert Fitzek, Professor an der University of Management and Communication in Potsdam, überzeugt, dass der gute Ruf eines Managers die Produktnachfrage steigern kann: „Produkte verkaufen sich über Personen, deshalb sollte das Image in Einheit mit dem Unternehmen stehen.“

Social Media als Karrierekiller?

Nicht nur als Markenbotschafter, sondern auch bei der Karriereplanung spielt der Ruf im Internet inzwischen eine entscheidende Rolle. Laut einer Studie des Branchenverbands BITKOM veröffentlichten im Jahr 2010 bereits 29 Prozent der deutschen Unternehmen aller Branchen offene Stellen in sozialen Netzwerken. Aber die Personaler nutzen Social Media nicht nur zur Stellenausschreibung. Bei einer Befragung der US-Jobbörse CareerBuilder im Herbst vergangenen Jahres gaben 26 Prozent der Personalbearbeiter an, Informationen über ihre Bewerber im Internet zu recherchieren. Sie klopfen Lebensläufe ab, überprüfen Referenzen, stöbern nach Meinungsäußerungen und Freizeitaktivitäten.

Nicht selten legen dabei Handlungen und Meinungen aus der Privatsphäre der Bewerber Details offen, die Personalchefs weitaus mehr interessieren als die eingereichten Bewerbungsunterlagen. Unternehmen gehen aber noch einen Schritt weiter: Headhunter wie Heidrick & Struggles beschäftigen ganze Abteilungen, um Kandidaten auf Herz und Niere zu überprüfen. Im indischen „Knowledge Management Center“ des weltweit operierenden Personalberatungsunternehmens erstellen Experten nach Informationen der Wirtschaftswoche bis zu 25-seitige Dossiers über potenzielle Führungskräfte – natürlich mithilfe des Internets.

Digitales Vergessen

In der digitalen Welt beeinflusst ein ganzes Arsenal von neuen Medien wie Blogs, Tweets, SMS, Posts auf Facebook oder Videos auf YouTube die Reputation im realen Leben. Den meisten ist dabei nicht bewusst, dass die Datenspuren, die Alltagshandlungen im Netz hinterlassen, sich ganz einfach zu einem Persönlichkeitsprofil zusammenbauen lassen – und wie wenig man dies unter Umständen beeinflussen kann. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn das Profil Fehler enthält, Informationen veraltet oder verjährt sind oder sich gar auf eine ganz andere Person mit gleichem oder ähnlichem Namen beziehen.

Deshalb will das Verbraucherschutzministerium Fotos in sozialen Netzwerken wie Facebook mit einem Verfallsdatum versehen. Der Saarbrücker Informatiker Michael Backes entwickelte zu diesem Zweck die Software X-pire, die Bilder nach einer bestimmten Zeit mit einer Art „digitalem Radiergummi“ unsichtbar machen soll. An einer ähnlichen Verschlüsselungslösung arbeitet derzeit auch ein Team an der Universität des US-Staates Washington. Das „Vanish“-Projekt will erreichen, dass sich digitale Daten aller Art, also nicht nur Fotos, nach einer bestimmten Zeit selbst zerstören. Der Haken: Solange die Daten sichtbar sind, können sie kopiert und ohne Verfallsdatum weiterverbreitet werden. Auch von den mit X-pire geschützten Fotos kann man während ihrer Sichtbarkeit auf Facebook Screenshots anfertigen und kopieren. Backes räumt daher ein, dass diese Lösung „kein Freifahrtschein“ sei.

Die neue Öffentlichkeit

Kritiker ziehen daher den nachhaltigen Umgang mit persönlichen Daten dem ‚digitalen Vergessen‘ vor. Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club meint zum ‚digitalen Ratzefummel‘ X-pire: „Ich möchte nur ungern eine technische Lösung abnicken, die bei Leuten nicht greift, die es nicht gut meinen.“ Es könne mehr Schaden als Nutzen stiften, wenn sich die Nutzer in einem falschen Gefühl der Sicherheit wögen. Viktor Mayer-Schönberger von der Harvard University und Autor des Buchs ‚Delete‘ vergleicht den Versuch, im Netz etwas ungeschehen zu machen, daher auch mit dem Wunsch, eine Tätowierung wegzubekommen.

Tinte beziehungsweise Informationen gingen dabei oft nicht weg, sondern verliefen nur noch weiter, sagt er. Auch Journalist und Internetexperte Richard Gutjahr hält die Vorstellung, dass einmal ins Netz gestellte Daten löschbar sind, für naiv. Seiner Meinung nach steht die Gesellschaft beim Thema Öffentlichkeit gerade an einem Wendepunkt. „Wir werden uns daran gewöhnen, dass wir öffentliche Menschen sind und dass wir uns auch selbst in der Öffentlichkeit darstellen wollen“, ist Gutjahr überzeugt.

Eigenes Persönlichkeitsprofil verfolgen

Unabhängig vom Haltbarkeitsdatum von Fotos, Videos oder Posts scheint es unerlässlich, die eigene Reputation im Netz ständig im Blick zu behalten, zu analysieren und die Informationen über das eigene Persönlichkeitsprofil sinnvoll zu verdichten. Roland Fiege, Managementberater und Social-Media-Experte, sagt: „Für die Analyse von Reputation im Internet ist die klassische Keyword-Suche längst nicht mehr ausreichend.“ Nach Meinung des Buchautors des Fachbuchs ‚Social Media Balanced Scorecard‘ bedarf es linguistischer und kontextsensitiver Suchalgorithmen, die das gesamte Web, seien es klassische Portale oder soziale Netzwerke durchforsten und die relevanten Inhalte auf einen Nenner zusammenbringen. Fiege referiert zu diesem Thema auf dem Internet World Kongress am 12./13. April 2011 im Rahmen des Themenschwerpunktes Social Media Monitoring und Online-Reputation.

Reputation als persönliches Aushängeschild

Dr. Bernhard Doll, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Orange Hills GmbH und Experte für die visuelle Modellierung innovativer Strategien, Services und Geschäftsmodelle, hält nichts von Aktionismus, wenn es um den guten Ruf geht. „Reputation ist von Nachhaltigkeit und Beständigkeit geprägt“, ist Doll überzeugt. Reputation sei das Aushängeschild der Persönlichkeit und solle gerade durch die neue Dynamik sozialer Medien proaktiv aufgebaut werden – bevor es andere tun. Doll proklamiert den offenen Umgang mit der eigenen Identität im Web und hält Reputation für ein immens wichtiges Zukunftsthema. Daher ist er, ebenso wie Roland Fiege, dem Kuratorium der Reputeer GmbH beigetreten, einer Beratungsagentur für Online-Reputation Management, die Personen und Unternehmen beim kontinuierlichen Aufbau und nachhaltigen Schutz ihres guten Rufs im Internet unterstützt.

Fazit

Wer sich im Internet einen guten Ruf aufbauen will, der sollte sich dabei weder zu sehr auf Datenschützer noch auf Ministerien oder neue Technologien verlassen. Da das Selbstbild im Netz sehr stark von Fremdeinwirkungen geprägt ist, ist es wichtig, selbst Verantwortung zu übernehmen. Nur wer ein klares Bild davon hat, wie sich die eigene Reputation im Netz entwickelt, wird auch in der Lage sein, diese positiv zu steuern und frühzeitig negative Einflüsse abzuwehren.

Bild Michael Gebert Über den Autor/die Autorin:

Michael Gebert ist Mitgründer der Reputeer GmbH & Co.KG, einer Beratungsagentur für Executive Reputation Management, und verfügt über eine langjährige Expertise im Internetbusiness. Als Initiator der Marketing Society und der Tweet Akademie ist Gebert Spezialist für Social Media Marketing.

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