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ADTECH

Dem tieferen Sinn auf der Spur

Karsten Zunke, 12. März 2009

Erdbeben, Hungersnöte, Bankpleiten – wer möchte schon in solchen Themenumfeldern Online-Werbung schalten? Das könnte unter Umständen zu peinlichen Widersprüchen zwischen Werbung und Website-Inhalt führen. Marken müssen darauf bedacht sein, ihren Ruf zu wahren und zu pflegen. Also sollten sie sichergehen, dass sie nur in passenden Umfeldern werben. Semantisches Targeting soll das ermöglichen. Lediglich einzelne Worte zu erkennen, nützt wenig, wenn man die Zusammenhänge zwischen ihnen und ihren Sinn nicht versteht. Hier ist die Bedeutungslehre gefragt. Mithilfe entsprechender semantischer Analyse-Lösungen kann Werbung heute automatisch in passenden Umfeldern platziert oder für unpassende Themen gesperrt werden.

Schon lange gibt es wortbasiertes Targeting. Eine Art Crawler analysiert die Website auf bestimmte Schlüsselwörter, gibt die Information an den Ad-Server, der dann dazu passende Werbung einblendet. Doch Wörter haben es in sich, lassen keinen Schluss auf den Inhalt der Seite zu. Ein Italien-Reisespezialist, der beispielsweise Tagesreisen nach Verona bewerben möchte, landet dabei womöglich in Umfeldern der Berichterstattung über Franjo Pooth und seine Maxfield-Pleite – also Inhalte über den Mann, der immer im gleichen Atemzug mit seiner Frau Verona Pooth genannt wird. Und wer beispielsweise ein Mittel gegen Schimmel bewerben möchte, findet sich unter Umständen auf Pferdesportseiten wieder. Es macht für Werbungtreibende also durchaus Sinn, wenn automatische Systeme die Zusammenhänge in den Texten verstehen und dazu passende Werbung ausliefern.

Umfelder semantisch erkennen
Seit geraumer Zeit wird versucht, die Bedeutungslehre im Internet anzuwenden – bislang mit mäßigem Erfolg. Dem sogenannten Web 3.0 soll aber die Zukunft gehören, so wird es immer wieder auf Veranstaltungen verkündet. Die seit Jahren als Trend gepriesene semantische Suche funktioniert bisher allerdings nur in Ansätzen und sehr rudimentär. Das semantische Web existiert gleich gar nicht, da es einer strengen Ordnungsstruktur bedarf – das Mitmach-Internet ist aber das genaue Gegenteil davon: Im Web 2.0 kann jeder User selbst Inhalte generieren und entsprechende Schlagworte dafür vergeben. Nichstdestotrotz können semantische Technologien in einigen Fällen die Suchergebisse und auch die Usability im Web verbessern. Nun soll die Semantik auch der Online-Werbung helfen.

Das bisher allgemein übliche Contextual Targeting analysiert – ironischerweise anders als es der Name vermuten lässt – nicht den Kontext, in dem die Werbung erscheint. Zum einen wird der etwas unscharfe Begriff heute oft synonym für die klassische Umfeldplanung benutzt, zum anderen wird er für Werbeschaltungen verwendet, bei denen die Anzeigen nur eingeblendet werden, wenn die Website zur Kampagne passende Keywords enthält – wie bei Google Adsense oder dem Contextual Targeting von Affilinet. Aber bei beiden Varianten wird nicht analysiert, in welchem Kontext die Werbung tatsächlich zu den Inhalten auf der Website steht. Im Gegensatz dazu geht semantisches Targeting tiefer. So erkennt zum Beispiel eine Lösung des Online-Vermarkters ad pepper auch den Sinnzusammenhang der Texte auf einer Website.

Auf der CeBIT wurde ad pepper kürzlich beim European Seal of e-Excellence Award dafür mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Prämiert wurde das Unternehmen sowohl für seine semantische Targeting-Lösung iSense, mit der sich Kampagnen auf thematisch passenden Websites schalten lassen, als auch für SiteScreen, eine Technologie zum Schutz von Markenwerbung im Internet. Mit iSense können Marketer ihre Kampagnen im relevanten Kontext platzieren, unabhängig von Format. Der Ad Server analysiert den Inhalt einer Website, bestimmt sinngemäß die enthaltenen Schwerpunktthemen und platziert die Werbung nur im gewünschten Themenumfeld.

Ap pepper setzt die Lösung in seinem Ad Network ein. Wie bei einer klassischen Umfeldplanung suchen sich Werbetreibende ihre gewünschten Themenumfelder aus. Sie können dazu aus rund 3.000 Kategorien auswählen. SiteScreen wiederum dient dazu, Werbeplätze in für Marken schädlichem Kontext zu blocken. Das System screent das thematische Umfeld aller Platzierungen auf Seiten-Ebene und verhindert auf Wunsch Werbeeinblendungen neben Themen wie zum Beispiel Gewalt, Drogen oder Glücksspiel. Hier stehen zwölf Kategorien zur Auswahl.

Kate Hess, Ad pepper

Für Ad Networks und Premium-Vermarktung

Laut ad pepper ist semantische Online-Werbung nicht nur für Ad Networks interessant. „Semantisches Targeting macht auf jeder Seite Sinn, denn hier wird nach Kategorien gebucht und nicht nach einzelnen Seiten, sprich die Buchung erscheint exakt dort, wo sie für den Werbetreibenden im Content am meisten Sinn macht", erläutert Kate Hess, Head of Business Development und Produktverantwortliche für iSense im deutschsprachigen Raum bei ad pepper media. Semantisches Targeting komme auch dem Verkauf von Einzelsite-Kampagnen, beispielsweise auf Premium-Brand-Websites, überhaupt nicht in die Quere.
Die Engine crawlt dazu in sekundenschnelle jede neu veröffentlichte URL und speichert die thematische Klassifizierung bei sich ab. Je mehr Traffic auf einer Web-Page stattfindet, desto öfter kommt der Crawler vorbei, um neue URLs zu fassen. „Bei der zweiten Page Impression auf jeder individuellen URL ist das System somit in der Lage, innerhalb von einem Bruchteil einer Sekunde die Themen auf der Page zu identifizieren und ein relevantes Ad auszuliefern“, erläutert Hess.

Noch steht ad pepper mit diesem Ansatz hierzulande fast allein auf weiter Flur. Die CID GmbH aus Freigericht ist in diesem Bereich ebenfalls aktiv. Sie bietet diverse semantische Lösungspakete an, unter anderem für „Semantic Advertisement Targeting“. Das Unternehmen hat sich auf die Bereiche Medien, Finance und Trading spezialisiert. Erste Verlagshäuser setzen eine semantische Lösung ein, zudem ist man schon mit Vermarktern im Gespräch.
Im Gegensatz zum Web 2.0 sind für semantische Funktionen keine expliziten Web-3.0-Portale nötig. Die CID-Lösung erkennt Zusammenhänge auf den Websites und liefert die Ergebnisse zurück an den Adserver, der dann wiederum die passende Werbung ausliefert. Genau wie bei redaktionellen Artikeln analysiert diese myLOBster Media Corpus genannte Lösung auch die Werbebotschaften der Kampagnen und verknüpft Werbemittel wie Banner, Textanzeigen oder Landingpages mit thematisch passenden redaktionellen Inhalten. Zum Beispiel für ein Finanzprodukt, dass nur in einem ganz bestimmten redaktionellen Umfeld beworben werden soll.

Targeting vs. Umfeldplanung
Vor allem in den USA gibt es Bestrebungen, Umfelder semantisch zu analysieren. Das New Yorker Unternehmen Peer39 bietet zum Beispiel mit SemanticMatch eine Targetinglösung an, die auf Semantik basiert. Das System greift dazu auf eine Datenbank mit potenziellen Wortbedeutungen und Beziehungen zwischen den Wörtern zu, die sie mit den auf der Website enthaltenen Keywords vergleicht. Sobald eine Keyword-Bedeutung eindeutig abgeklärt ist, können entsprechende Werbemittel ausgeliefert werden. Das System könne laut Peer39 die Click-Through-Rate um 400 Prozent steigern. Auch in Großbritannien beschäftigt man sich mit diesem Thema. 4AdNetworks aus London hat beispielsweise mit Apricot eine semantische Targeting-Lösung speziell für Ad Networks im Portfolio.

Hierzulande setzen die Online-Vermarkter hauptsächlich auf ihre am Markt etablierten, klassischen Targeting-Lösungen. Für viele Marketer hat es zudem auch nichts mit Targeting zu tun, wenn Seiten automatisch gescannt und Sinnzusammenhänge hergestellt werden. Denn streng genommen handelt es sich aus Planersicht dabei nicht um ein Targeting, sondern um eine Umfeldplanung. Targeting gilt landläufig als eine direkte Zielgruppenansprache – egal, in welchem Umfeld sich die User aufhalten. Mit dem semantischen Targeting erscheint die Reklame aber immer passend zu entsprechenden Website-Inhalten. Nichtsdestotrotz wird der Begriff auch im angelsächsischen Bereich für diese Form der automatisierten Umfeld-Analyse eingesetzt. Ob ein angesagtes Wording den semantischen Lösungen auch zum großen Durchbruch verhilft, bleibt allerdings abzuwarten.

Über den Autor/die Autorin:

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