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VIDEO

Die Spieler laufen sich immer noch warm

Jens von Rauchhaupt, 23. März 2007

Bald ist es ein Jahr her, dass der Produzent Ralf Klassen an dieser Stelle die Vorteile von professionell produziertem Videocontent für das Internet skizzierte. Seine Kernaussagen wiederholen wir gerne: Professionelle Videofilme und Interaktivität würden für Traffic sorgen, die Produktion solcher Formate sei erschwinglich. Inzwischen haben viele Publisher Streamingflächen in ihren Websites integriert. Nachrichtensendungen sind besonders präsent. Von ein paar Ausnahmen abgesehen bleibt der Videocontent weit unter seinen interaktiven Möglichkeiten. ADZINE ging der Frage nach, ob wenigstens der Sport als Publikumsmagnet und beliebtes Vehikel für Marke und Image im Web-TV angekommen ist.

Sport aus der Tube

Was soll's, jeder YouTube-Nutzer kann abgefilmte Tore aus den Bundesligen ins Netz stellen. Die Qualität ist oftmals so unterirdisch, dass sich kein Rechteinhaber darüber wirklich Sorgen machen müsste, zumal ihm der Klageweg weiterhin offen steht. "Wer YouTube kauft, ist ein Trottel", sagte US Selfmade-Millionär Mark Cuban kurz vor dem 1,65 Milliarden Dollar Coup von Google. Der Inhaber des NBA-Teams Dallas Mavericks prognostizierte eine Klagewelle gegen den etwaigen Käufer.

Das leicht erregbare "HB-Männchen" aus Texas zeigte damit einen guten Riecher, wie nun der Rechtsstreit mit Viacom beweist. Ob sich aber Google wirklich vertrottelt angestellt hat, ist zumindest umstritten. Innerhalb von sieben Jahren soll Google mithilfe von Textanzeigen auf YouTube diese Investition amortisieren können. Was die Kalifornier aus Mountain View sonst noch mit YouTube anstellen werden, ist ein weites Feld für Spekulationen. Eine Verkaufsplattform für die Amateurfilmer soll beispielsweise geplant sein. Der Erwerb dieser extrem reichweitenstarken und anwenderfreundlichen Videoplattform ist trotz allen Rechte-Querelen noch immer ein Imagegewinn für Google.

Laut alexa.com ist YouTube in Deutschland von Platz 10 im Januar auf Platz sieben der meistbesuchten Webseiten geklettert und damit auch die unbestrittene Nummer eins unter den genutzten Videoplattformen der Deutschen. Der Internetanwender interessiert sich eben mehr für Videos im Netz als für etwaige Urheberrechtsverletzungen, soviel ist sicher.

High Noon im Preußen-Stadion

Das Beispiel von Youtube zeigt, Web-TV-Produzenten und ihre Auftraggeber befinden sich nun doch in einer ungewollten Konkurrenzsituation mit dem "user generated content" (UGC), dem "wilden Westen" wie Matthias Ehrlich, Vorstand der United Internet Media AG, das Thema UGC in einer interessanten, aber etwas zu steif geratenen W&V Web-TV-Sendung bewertete. Bei UGC müssten eben erst noch die Straßen gebaut werden, um diese Inhalte nutzbar zu machen, sagte Ehrlich an gleicher Stelle. Ob sich das Google vielleicht auch gedacht hat? Jedenfalls wird der Sportinteressierte auf den Videoplattformen besser fündig als dort, wo man Sportvideos eigentlich erwarten sollte.

Wer einmal die Regionalmannschaft Preußen Münster im Stadion "on demand" feiern sehen will - was aus Sicht eines "Preußen" viel zu selten geschieht - muss YouTube oder seine Pendants aufsuchen. Wer erfahren will, was ein Dart-Spieler unter einem perfekten Finish versteht, ist ebenfalls bei den Amateurfilmern und Rechteverletzern am besten aufgehoben, die bekanntlich schneller ihre Inhalte ins Netz speisen, als der Plattformanbieter dies überprüfen kann. Besonders amüsant bzw. ärgerlich - je nach Standpunkt - wird es, wenn YouTube-Freunde vermehrt auf ihre Handykameras setzen. Droht dem Stadionbesucher demnächst eine Leibesvisitation mit dem Ziel, Handys mit Filmfunktion beim Ordner abzugeben? Wer weiß, die Tore aus der Liga kann der User zumindest jetzt schon bei T-Online mit selbst gewählten Kameraeinstellungen konsumieren. Dort wird die Interaktivität mit Videostreams als User Engagement bereits praktiziert.

Sport von den Rechteinhabern

Nicht nur Bundestrainer Joachim Löw setzt Videos zum Coaching seiner Mannschaft ein, auch unser Fußballverband, der altehrwürdige DFB hat die Zeichen der Zeit besser erkannt als so manch ein Bundesligaverein. Neuerdings kann der Interessierte dort schöne Mitschnitte der Jugend und Trainingseinheiten verfolgen. Warum zeigt der HSV eigentlich nicht paar Freistoßvarianten von Rafael van der Vaart mit passenden Product Placements im AOL Stadion? Warum gibt's bei Bayer Leverkusen keine Tricks mit Bernd Schneider "Schnix"? In den USA kann der Anwender sich auf einschlägigen Websites coachen lassen, wie er am besten den Baseball schlägt, einen Korbleger fabriziert, besonders effizient mit Fliegen fischt oder ganz wichtig, nicht nur für Hamburger Entscheider, das korrekte Golfeisen schwingt.

Alles aus einer Hand

Bleiben wir aber auf dem Boden der Tatsachen und in der Hansestadt. ADZINE holte sich eine Einschätzung über die Entwicklung von Sportinhalten im Web-TV bei dem Unternehmen, das sich damit auskennen muss, die Sportfive GmbH & Co KG, Europas größter Sportrechteinhaber. "Die Nachfrage nach Video-Content für den Online-Bereich hat sich in den letzten 1-2 Jahren deutlich erhöht. Gleiches gilt übrigens auch für den Bereich Mobilfunk", sagt Philipp Wessel, Senior Director New Media bei SPORTFIVE.

Das Unternehmen besitzt nicht nur Rechte von über 270 Sportclubs aus der ganzen Welt, ihnen obliegt gar die Verwertung der Übertragungsrechte an der UEFA EURO 2008. Daneben übernimmt SPORTFIVE die Gesamtvermarktung einiger Bundesligaclubs, online wie offline. Wenn also ein Online Publisher Sportinhalte jenseits der Bundesligaübertragung von diesen Vereinen benötigt, muss er bei SPORTFIVE anklopfen. Der Sportrechtevermarkter kommt aus dem klassischen TV-Geschäft, trotzdem ist das Thema Onlinewerbung in bewegten Bildern längst in Hamburg angekommen: "Der Trend in diesen Bereichen geht deutlich von der Nachfrage nach Rechten hin zur Nachfrage nach fertigem Content. Die größte Veränderung ist, dass Onlinekunden fertige Produktionen nachfragen, während TV-Sender Rechte einkaufen und selbst produzieren. Für verschiedene Inhalte produziert SPORTFIVE bereits die Inhalte selbst und stellt den Onlinekunden Videoinhalte in verschiedenen Formaten zur Verfügung. Diese können dann von den Kunden direkt auf den jeweiligen Plattformen als Videoclips genutzt werden. Das Thema Video-Ads ist in diesem Zusammenhang bisher noch sehr überschaubar", sagt Wessel.

Standards

Wohl wahr, das Thema Video Ads ist noch überschaubar und das hat einen triftigen Grund, der auch in den USA nach dem Griff zu einem Produkt aus dem Hause Bayer verlangt. Zwar gibt es überaus pfiffige Lösungen etwa von DoubleClick und anderen, die problemlos die Impressions des Videostreams messen, es mangelt aber an weltweiten Standards für Video Ad-Formate. Seit zwei Jahren müht man sich bei der IAB um die Standardisierung dieser Werbeformen, über eine Richtlinie ist man aber noch immer nicht hinausgekommen. Die unterschiedlichen Codices der Softwareplayer erschweren die nötige Vereinheitlichung, die erst den Einsatz von interaktiven "Engagement Elements" im Stream möglich machen. Kein Wunder also, dass immer mehr TV-Werbefilme 1 zu 1 ins Internet übertragen werden. Ob dies der Weisheit letzter Schluss sein kann, erfordert aber eine eigene Diskussion.

Nischensport findet kaum statt

Gerade Nischensportarten bieten gute Möglichkeiten zur Interaktion, um den Konsumenten auf einer Website zu halten. Nehmen wir etwa den kultartigen Dartsport. Es erfordert keine große Kreativität, um auf den Gedanken zu kommen, dass ein Onlinespieler live während einer Weltmeisterschaft gegen den Titelträger Raymond Barneveld antreten könnte, ohne dass dieser überhaupt davon Kenntnis nehmen müsste. Aber Nischensportarten finden in Deutschland als Web-TV erst gar nicht statt, und wenn, dann als Flash Games. Warum also nicht beides verknüpfen?

Während das digitale Fernsehen etwa bereits eigene Angel- und Segelkanäle anbietet, findet man im Internet noch recht wenige Streams zu diesen Sportarten: "Das Interesse für Fußball ist immer noch deutlich höher als für alle anderen Sportarten. Mit sportdigital.tv hat SPORTFIVE aber seit Anfang des Jahres eine eigene Internetplattform geschaffen, auf der auch andere Sportarten den Fans zugänglich gemacht werden. Gestartet wurde mit der Handball-WM und aktuell laufen dort pro Woche ca. 5 Spiele der Handball-Bundesliga. Ab Sommer dann alle Spiele der HBL und alle Spiele der BBL. Weitere Nischensportarten werden folgen", so Wessel auf die Frage, warum der deutsche Internetuser kaum in den Genuss von Dart, Baseball oder College Basketball kommt.

Was Hänschen nicht lernt

Das Schlagwort E-Learning 2.0 hört man in letzter Zeit immer häufiger. ADZINE wollte zum Abschluss die Meinung eines Sportwissenschaftlers und Filmemachers über die Möglichkeiten von Sportvideos im Internet erfahren: "Universitäten nutzen immer mehr die Möglichkeiten von Video im Internet. Damit können die Dozenten Bewegungsabläufe und Techniken zu Schulungszwecken in das Netz stellen, die von den Studenten auf Portalen abgerufen werden sollen. Allerdings gibt es auch für solche Produktionen Finanzierungsprobleme, die eigentlich von der Sportindustrie intelligenter ausgenutzt werden könnten", sagt der studierte Sportwissenschaftler und Geschäftsführer von Sports-Media-Team.de Dirk Egbringhoff. Egbringhoff arbeitet eng mit College-Contact.com zusammen und vermittelt mithilfe von Videoaufnahmen Stipendien in die USA und Kanada. Die Videoaufnahmen können amerikanischen Dozenten via Stream im Internet betrachten. Diese entscheiden dann nach eingängigem Studium der Bewerbungsvideos, wer das Zeug für eine amerikanische Eliteuniversität hat. Schön, dass es das Internet gibt.

Über den Autor/die Autorin:

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