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Transparent, grün und sozial – Verantwortung in der Werbebranche

Alexander Weißenfels, 28. April 2023
Bild: Ben White – Unsplash

Inmitten von globalen Krisen ist Nachhaltigkeit das Thema, über das gerade jeder spricht – auch in der Werbebranche. Schnelle Entwicklungen und immer neue Innovationen bringen auch immer neue Herausforderungen mit sich, und mit der Klimakrise stehen wir vermutlich gerade vor der größten unserer Zeit. Dieses Problem wird niemand allein lösen können, sondern wir alle müssen Verantwortung für unsere tagtäglichen Entscheidungen treffen, da bilden die Akteure des Werbe-Ökosystems keine Ausnahme. Doch Verantwortung hört nicht bei der Umwelt auf, im Gegenteil. Es gibt noch viele weitere Themen, in denen Werbetreibende, Publisher und Agenturen gleichermaßen Stellung beziehen müssen.

Nachhaltig ist nicht nur grün

Wenn von Nachhaltigkeit und Verantwortung gesprochen wird, denken viele in erster Linie an Klima- und Umweltschutz und daran, wie sie möglichst ihre Emissionen reduzieren können – und das ist auch gut so. Denn machen wir uns nichts vor: Wenn wir Klimawandel und Artensterben nicht stoppen, um unseren Planeten zu retten, dann brauchen wir irgendwann auch kein Marketing mehr. Doch Nachhaltigkeit hat noch weitere Facetten, welche durch die ESG-Kriterien deutlich gemacht werden. Mithilfe der ESG-Kriterien können Unternehmen hinsichtlich der drei Aspekte Environmental, Social und Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – bewertet werden.

ESG ist längst nicht mehr nur ein Schlagwort, um Anleger:innen anzulocken. Kaum ein Reporting kommt mehr ohne die Nennung der drei Kriterien aus, und Mitarbeiter:innen, Bewerber:innen und die Öffentlichkeit beobachten mit Argusaugen, wie fair, transparent und nachhaltig Unternehmen und Marken agieren und kommunizieren. Von Unternehmen jeder Branche wird erwartet, dass sie Verantwortung für ihr tägliches Handeln übernehmen – im Großen wie im Kleinen. Und viel häufiger als man denkt, kommen Entscheidungen zum Wohle der Gesellschaft auch den Unternehmen selbst zugute.

Transparente Kommunikation ist alles

Das erste der drei ESG-Kriterien betrachtet, inwieweit ein Unternehmen umweltschonend agiert, den Ausstoß von Treibhausgasen und Schadstoffen reduziert, sowie Energie und Ressourcen nachhaltig nutzen. Das Problem ist, dass viele Unternehmen sich zwar ambitionierte Ziele setzen, was den Klimaschutz angeht, jedoch nicht kommunizieren, wie weit sie dabei schon vorangekommen sind. Das gilt auch für die anderen Kriterien, doch scheint Greenwashing hier ein besonderes Problem zu sein. Unternehmen und Marken machen sich unglaubwürdig, wenn sie ihren Fortschritt nicht offen kommunizieren, und erwecken den Eindruck, dass sie die Umsetzung ihrer eigenen Ziele nicht allzu ernst nehmen. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und große Firmen können nicht von heute auf morgen ihren Betrieb CO2-neutral aufstellen, doch wenn Erkenntnisse, Fortschritte und daraus resultierende Tipps offen kommuniziert werden, dann können diese Unternehmen mit bestem Beispiel vorangehen und weiteren Akteuren der Branche den Weg weisen.

Um Emissionswerte präzise zu bilanzieren, kann beispielsweise das Greenhouse-Gas-Protokoll genutzt werden. Dieses definiert einen globalen Standard sowie eine nützliche Methode, um Treibhausgase umfassend zu reduzieren. Laut einer aktuellen Studie von Netfed, im Rahmen derer die ESG-Kommunikation diverser Unternehmen analysiert wurde, nutzen noch nicht einmal 40 Prozent der Konzerne diese Möglichkeit. Strategische Partnerschaften mit Unternehmen wie Scope3, die die Emissionen der gesamten Medien- und Werbelieferkette messen, können Marken dabei helfen, einen Einblick in die Auswirkungen zu erhalten, die ihre aktuellen Kampagnen auf die Umwelt haben, um Kampagnenleistung und CO2-Emissionen in Einklang zu bringen. So können Akteure der Werbebranche aktiv dazu beitragen, ein grüneres, digitales Ökosystem zu schaffen und können ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele voranbringen, bevor mit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) Unternehmen zukünftig für ihre CO2-Emissionen zur Verantwortung gezogen werden.

Wertvolle Daten müssen geschützt werden

Verbraucher:innen fordern nicht nur Transparenz, wenn es um Emissionen und Nachhaltigkeitsmaßnahmen geht – sie wollen auch genau wissen, welche Daten Unternehmen über sie besitzen und wer darauf Zugriff erhält. Die anhaltenden Diskussionen über die cookielose Zukunft und Werbe-Tracking haben weit über die Werbebranche hinaus Wellen geschlagen. Gemeinsam mit verschärften gesetzlichen Datenschutzbestimmungen sorgt das Thema für ein immer stärkeres Bewusstsein der Verbraucher:innen dafür, wie und in welchem Umfang ihre Daten von Unternehmen gesammelt und an Dritte weitergegeben werden. Auch Entscheidungen wie die von Apple, das Werbe-Tracking in iPhone-Apps nur noch mit expliziter Erlaubnis zuzulassen, sorgen für ein höheres Datenschutzbewusstsein. Sie tragen jedoch auch dazu bei, dass Verbraucher:innen sich verstärkt damit auseinandersetzen, was mit ihren Daten wirklich passiert, was dazu führt, dass ihr Vertrauen in Onlinewerbung, Marken und Publisher sinkt.

Dem muss dringend entgegengewirkt werden, denn Unternehmen sind auf ihre Kund:innen und die wertvollen Daten, die sie von ihnen erhalten, angewiesen. Dessen müssen Unternehmen sich bewusst sein, und dementsprechend handeln. Sie müssen Verantwortung für den Schutz ihrer gesammelten Kundendaten übernehmen, um die Privatsphäre ihrer Kund:innen zu schützen und ihnen die Kontrolle über ihre Daten zurückgeben. Das hat auch rechtliche Gründe, denn Datenschutz ist ein Grundrecht, das neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung explizit in Artikel 8 der Grundrechtecharta der EU als ein solches verankert ist. Andererseits ist ein verantwortungsvoller Umgang auch deshalb gefordert, damit Unternehmen ihre Kundschaft nicht verlieren, denn diese werden den Missbrauch ihrer Daten nur schwer verzeihen können.

Soziale Verantwortung wahrnehmen

Um Kund:innen und auch Mitarbeiter:innen nicht zu verlieren, müssen sich Unternehmen auch ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden – insbesondere in der Werbebranche. Werbung ist allgegenwärtig. In der U-Bahn, in der Innenstadt, im TV oder im Internet – überall können sich Unternehmen und Marken präsentieren. Und was gezeigt wird, beeinflusst maßgeblich, was als „normal“ wahrgenommen wird, sprich: welche Körper, Geschlechtermerkmale, Beziehungen oder Lebensläufe. Das Gezeigte spiegelt die Gesellschaft, formt sie andererseits jedoch auch. Diese Wechselwirkung geht mit einer großen Verantwortung einher, birgt jedoch auch viele Chancen und Möglichkeiten, wichtige Botschaften und Werte zu kommunizieren.

Frei nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ nutzen viele Unternehmen ihre guten Taten direkt für Marketingzwecke. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn so wird ebenfalls Aufmerksamkeit für wichtige Themen erzeugt. Doch nicht jedes Unternehmen, dass sich auf den ersten Blick sozial, gerecht und nachhaltig präsentiert, kann diesem Eindruck bei einer näheren Überprüfung standhalten. Unternehmen, die nur einen bestimmten Teil ihrer Strategie den aktuellen, gesellschaftlichen Trends anpassen, betreiben Social- oder Green-Washing – je nachdem, welches Thema sie in den Vordergrund rücken. Es reicht nicht aus, vereinzelt gute Projekte zu unterstützen, wenn das Unternehmen selbst nicht nach den ESG-Kriterien handelt. Diese sollten auch in internen Angelegenheiten berücksichtigt werden, denn Unternehmen tragen auch ihren Mitarbeiter:innen gegenüber Verantwortung. Diese reicht von fairen Arbeitsbedingungen, der Schaffung eines angenehmen Arbeitsumfeldes und einer angemessenen Vergütung über Angebote zur Weiterbildung und der Förderung diverser Teams hin zur Gleichberechtigung aller Geschlechter.

Aus Fehlern lernen

Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, ist oft nicht leicht, denn es setzt voraus, dass man sich auch mit begangenen Fehlern intensiv auseinandersetzt. Doch nicht alles klappt von jetzt auf gleich, und auch Unternehmen, die bereits viel richtig machen, geraten hin und wieder in die Kritik – oft nur aufgrund von Kleinigkeiten. Verbraucher:innen erwarten keine Perfektion, doch sie fordern Ehrlichkeit, Transparenz und den Willen, sich zu verbessern und aus Fehlern zu lernen. Sie schenken ihr Vertrauen Unternehmen, deren Werte mit ihren eigenen übereinstimmen, und die nicht nur auf die neuesten Trends aufspringen. Verantwortung zu übernehmen und auch zu schwierigen Themen Stellung zu beziehen, ist definitiv mehr als nur ein Trend – und das kann man nur unterstützen.

Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Alexander Weißenfels Über den Autor/die Autorin:

Alexander Weißenfels verantwortet als VP DACH das deutschsprachige Geschäft bei Adform, einer unabhängigen Advertising-Technologie-Plattform. Weißenfels stieg 2013 bei Adform als Account Director am Standort Düsseldorf ein und übernahm zwischenzeitlich die Rolle des Head of Client Service, bevor ihm Anfang 2016 die Senior-Beratung von internationalen Direktkunden übertragen wurde. Weißenfels verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Online-Werbe- und Online-Technologiebranche. Vor seiner Zeit bei Adform war er unter anderem drei Jahre bei einem Startup für Bewegtbildwerbung tätig sowie fast neun Jahre bei verschiedenen Agenturen der globalen Agenturholdings Publicis und Omnicom Media Group.

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