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MARTECH

Wie Unternehmen mit Data Science das Maximum aus Daten herausholen

Anton Priebe, 21. Februar 2022
Bild: Alexander Sinn – Unsplash

In der modernen Digitalwerbung müssen Technologien allerorts Entscheidungen treffen und Data Science hilft dabei, dass es die richtigen sind. Allerdings muss ein solides Datenfundament geschaffen werden, damit Data Science optimal zum Einsatz kommen kann. Dies bringt nicht nur technologische, sondern auch organisatorische Voraussetzungen mit sich, meint Patrick Mohr, Co-Founder & Managing Partner der Martech-Beratung Mohrstade. Sein Team kümmert sich speziell um die Bereiche Datenerfassung sowie Data-Management, -Analyse und letztlich Data Science. Im Interview beschreibt Mohr, wie Unternehmen das Potenzial aus ihren Daten ausschöpfen können.

Bild: Mohrstade Patrick Mohr, Mohrstade

ADZINE: Hallo Patrick, du giltst als Analytics-Profi und beschäftigst dich insbesondere mit dem Thema Data Science. In der Adtech- und Martech-Branche ist das neben KI momentan wohl eines der beliebtesten Buzzwords. Was verstehst du unter dem Begriff Data Science und angesichts des inflationären Gebrauchs – was meint es gerade nicht?

Mohr: Data Science ist ein Begriff, der für vieles im Bereich Datenanalyse steht, und meint den Prozess, aus Daten Wissen zu generieren. In den meisten Cases fällt darunter die Anwendung von statistischen Methoden und Machine Learning. Das Wort “Science” signalisiert den Anspruch, dabei wissenschaftlich vorzugehen. Dies so zu betiteln, kann man jedoch kritisch sehen, weil in der Praxis meistens nicht die gleichen Konfidenzintervalle genutzt werden wie in der Wissenschaft. Dadurch haftet dem Begriff vielleicht eine falsche Professionalität an, die aber auch nicht unbedingt notwendig ist.

Im Gegensatz zur klassischen Statistik grenzt sich Data Science eindeutig aufgrund der technischen Orientierung ab. Prozesse und Development sind also auch Teil dessen. Gerade hier gab es in den letzten Jahren einen enormen Umbruch, was man mit Daten leisten kann, und das wiederum erklärt auch, warum er zum Buzzword geworden ist. Das ist aber auch gut und richtig so.

ADZINE: Welche konkreten Herausforderungen siehst du aktuell im Marketing, bei denen der Einsatz von Data Science helfen kann?

Mohr: Data Science kann grundsätzlich überall eingesetzt werden, wo Entscheidungen getroffen werden sollen und beschreibende Daten für diese Situation verfügbar sind. Ein Erfolgsrezept kann zum Beispiel die Segmentierung von Usern mit Cluster-Algorithmen sein, um diese dann in der Werbung individuell wieder ansprechen zu können.

ADZINE: Warum helfen die Standard-Tools auf dem Markt an der Stelle nicht weiter? Machine Learning steckt doch mittlerweile in nahezu jedem Marketing-Tool.

Mohr: Die Tools helfen oft an der falschen Stelle – das Problem liegt also in der Architektur.

Ein Beispiel: Ein Nutzer kommt über unterschiedliche Werbemaßnahmen auf die digitalen Plattformen eines Unternehmens wie eine App, Webseite oder Mediathek. Dort loggt er sich ein und besucht bestimmte Produktseiten. Ein Digital-Analytics-System erfasst diese einzelnen Kontaktpunkte. Diese Daten reichen für ein auf den Nutzer abgestimmtes Marketing aber nicht aus und sollten ergänzt werden, etwa durch unternehmensinterne Daten wie Deckungsbeiträge oder externe Daten wie zum Beispiel Wetter-Indikatoren. Alle diese Daten kann ich in einem Data Warehouse in der Cloud zusammenführen und speichern.

Wenn ein Unternehmen aber einen Interessenten akquirieren möchte, nutzt es andere technische Lösungen. Kein Unternehmen kauft einen User mit seinem Analytics-Tool oder seinem Data Warehouse ein, sondern über Adtech-Systeme. Adtech-Systeme können ihren Data-Science-Funktionen aber viele Daten gar nicht bereitstellen. Am Ende sind es also wieder Datensilos. Auf das schlechteste Datensilo, das ganz am Ende der Kundenreise operiert, wenden wir schließlich Data Science an. Dabei geht unglaublich viel Analyse-Potenzial verloren.

ADZINE: Wo können Unternehmen Daten zentralisieren und Data Science schlau anwenden?

Mohr: Man braucht eine performante, offene Technologie. Da landet man schnell im Bereich der Cloud-Umgebungen wie Google, Amazon, Microsoft oder Snowflake. Hier ist die Rechenpower skalierbar und Data-Science-Lösungen können extrem umfangreich angewendet werden. Das geht weit über die vorgefertigten Data-Science-Funktionen der Adtech-Tools hinaus. Diese Cloud-Plattformen werden ja nicht nur fürs Marketing gebaut, sondern zum Beispiel auch, um etwa Echtzeit-Entscheidungen für die Fließbandproduktion zu treffen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass man dann keine Blackbox mehr hat, weil interne Data Scientists mit ihren eigenen Algorithmen arbeiten. Noch ein weiteres Tool wird das Problem demnach nicht lösen, sondern baut nur mehr Silos auf.

ADZINE: Dafür braucht man aber Leute, die sich damit auskennen. Welche organisatorischen Veränderungen bringt dies also mit sich?

Mohr: Das Marketing wird dadurch noch technischer, das heißt IT und Marketing müssen stärker zusammenwachsen. Meistens handelt es sich dabei um unterschiedliche Vorstandsbereiche, die sich einem Change-Management-Prozess unterziehen müssen. Sie müssen sich am Ende auf ein skalierbares System einigen, in dem Data Science Anwendung findet, damit es zentral gesteuert werden kann und Ergebnisse allen zur Verfügung stehen.

ADZINE: Wo würdet ihr dort als Erstes ansetzen?

Mohr: Zunächst würden wir die aktuelle Martech-Architektur darstellen, also der Frage nachgehen, welche Identifier mit welchen Daten zusammen in den unterschiedlichen Systemen erfasst werden. Meistens ist das organisch gewachsen, aber heutzutage gibt es viel bessere Lösungen dafür. Am Ende braucht man vielleicht nicht die bestehenden 20 Tools dafür, sondern nur fünf.

Wenn ich das organisatorisch vorantreiben will, muss ich auf Vorstandsebene gehen und die Entscheider überzeugen, dass sie eine gemeinsame Technologie brauchen. Dabei geht es darum, die Architektur vor Augen zu führen und zu erklären, wie sie ideal aussehen könnte. Der nächste Schritt wäre, ein zentrales Data-Science-Team zu etablieren, das aus den Daten Wissen generiert. Dieses Wissen muss natürlich auch weitergegeben werden können. Im Marketing werden in vielen Fällen Kunden und User markiert, damit Adtech-Systeme sie gezielter und effizienter ansprechen können. Die Adtech-Systeme konzentrieren sich dann auf das, was sie gut können: auf die User-Erkennung und auf die technische Ausspielung – aber eben nicht auf die Analyse.

ADZINE: Wie markieren Unternehmen ihre User am besten?

Mohr: Ein empfehlenswerter erster Schritt ist es, zu schauen, was die Kollegen aus dem CRM bereits praktizieren. Die sind meist im E-Mail-Marketing verortet und machen schon sehr viel mit Kundendaten, viel mehr als beispielsweise der Suchmaschinenbereich. Die Segmente könnte man auseinandernehmen und überlegen, ob sie für andere Anwendungsbereiche taugen. Dort werden zum Beispiel Customer-Life-Cycle-Modelle verwendet, auf die man Data Science anstatt der üblichen heuristischen Methoden anwenden kann. Letzteres gehört dann eher in 2002.

ADZINE: Wie müssen Unternehmen also ihren Martech-Stack aufsetzen, um sich zukunftsfähig aufzustellen? Kannst du das auf einen Satz herunterbrechen?

Mohr: IT und Marketing müssen besser zusammenarbeiten, um eine zeitgemäße Cloud-Technologie zu etablieren, die es ermöglicht, Data Science dort zu verwenden, wo es hingehört – in eine im Unternehmen zentrale und performante Cloud-Umgebung.

ADZINE: Danke für das Interview, Patrick!

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