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Warum die Sichtbarkeit als Qualitäts-KPI für Inventar nicht ausreicht

Anton Priebe, 20. Oktober 2021
Bild: Bacila Vlad – Unsplash

Die Viewability gilt weithin als wichtige Kennzahl, um die Qualität eines Werbekontakts zu klassifizieren. Ein Werbemittel muss schließlich auf dem Bildschirm zu sehen sein, um überhaupt Wirkung zu entfalten. Dabei sagt die Sichtbarkeit alleine noch nicht viel aus, meint Michael Zeisler, Regional Director DACH der Adtech-Plattform Sovrn. Er ist überzeugt davon, dass man auch beweisen sollte, dass ein User aktiv vor dem Bildschirm sitzt. Sogar die Optimierung einer Branding-Kampagne auf das vom Nutzer gezeigte Engagement mit einer Website hält Zeisler für zielführend. Im Interview verrät Sovrns DACH-Chef, wie seine Plattform das bewerkstelligt und welche Herausforderungen Publishern sonst aktuell bei der Vermarktung begegnen.

Bild: Sovrn Michael Zeisler, Sovrn

ADZINE: Hallo Michael, bitte erkläre Sovrn in zwei Sätzen.

Michael Zeisler: Sovrn kommt aus dem SSP-Geschäft, geht aber hin zu einer Plattform, auf der ein Publisher die relevantesten Tools findet, die er für die Monetarisierung braucht. Dafür bieten wir, neben den SSP-Produkten, bereits Analyse- und Commerce-Tools, etwa für Affiliate-Links oder Preisvergleiche.

ADZINE: Ihr habt euch mit den Analyse-Tools insbesondere auf das Messen von User Engagement konzentriert. Magst du uns verraten, warum?

Zeisler: Wir betrachten zwei Dinge: einmal die Viewability mit dem IAB-Standard, der besagt, dass mindestens 50 Prozent der Anzeige im sichtbaren Bereich sein müssen. Vor Jahren haben wir aber festgestellt, dass die Messung der Sichtbarkeit nicht ausreicht. Denn es kann ja sein, dass jemand in der Küche ist und sich einen Kaffee macht und das Ad ist trotzdem die ganze Zeit sichtbar im Screen – und der Advertiser zahlt für eine Werbe-Einblendung, die der User überhaupt nicht gesehen hat. Unsere Analyse-Tools zielen deshalb darauf ab, zu erfassen, ob der User tatsächlich aktiv ist.

ADZINE: Wie macht ihr das?

Zeisler: Wir prüfen dafür über 40 Signale wie Mausbewegungen oder Scrollen, die uns verraten, dass wirklich jemand vor dem Bildschirm sitzt. Wenn jemand beispielsweise in die Browserzeile wechselt, gilt das für uns als inaktiv. Ebenso, wenn jemand fünf Sekunden lang nichts tut. Wir zählen im Endeffekt die “viewable engaged time”.

Das kommt insbesondere beim Ad Reload zum Zuge. Wir laden die Banner erst neu, wenn unsere Analyse-Tools einen aktiven User nahelegen, und sie für eine bestimmte Zeit, meist 20 Sekunden, gesehen wurden. Der Publisher kann die Zeit auch individuell festlegen und entscheiden, welche Slots oder Kampagnen neu geladen werden. Wir sind darüber hinaus dabei, ein Predictive Targeting für Engagement zu entwickeln. Damit kannst du dann sowohl Inventar, als auch Audiences segmentieren.

ADZINE: Wie ist das mit dem Datenschutz vereinbar?

Zeisler: Die Daten sind komplett anonymisiert. Wenn ein Publisher Audiences kreiert, dann tut er das mit seinen First-Party-Daten. Ansonsten messen wir das Engagement live in der Session. Hier sind wir DSGVO-konform, da die Daten nicht personenbezogen sind.

ADZINE: Braucht die Werbeindustrie das Engagement also als neue Qualitäts-KPI?

Zeisler: Auf jeden Fall. Wenn wir die Demand-Seite betrachten, dann orientiert man sich dort nach Impressions und auch Klicks, aber selbst wenn jeder tausendste oder zweitausendste User klickt, sind das keine beeindruckenden Zahlen. Die Brand Awareness hängt eben eher davon ab, ob das Ad gesehen werden kann und der User auch vor dem Device sitzt.

ADZINE: Das bedeutet, ihr unterstützt Branding, als auch Performance, richtig?

Zeisler: Genau. Es hilft definitiv in beiden Bereichen. Advertiser können auch konkret auf User Engagement targeten, das ergibt in der Regel höhere Performance-Werte, also bessere Klickraten.

ADZINE: Die Finanzierung von Publishern durch Werbung wird immer schwieriger, viele sind in den vergangenen Jahren auf Paywalls umgestiegen. Ist die goldene Zeit des Publishings vorbei?

Zeisler: Nein, das denke ich nicht. Es ist jedoch nicht leichter geworden, guten Content zu monetarisieren. Die Akzeptanz der Paywalls in Deutschland ist noch recht gering. Es ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig und mir fehlt eine branchenweite Aufklärungskampagne. Dagegen spricht jeder von den US-amerikanischen Datenkraken, aber die bekommen trotzdem sämtliche Berechtigungen, weil der User weiter auf Facebook, Google oder Amazon surfen möchte. Der europäische Publisher hat eine riesige Aufgabe bekommen, dabei wurde der Ursprung der DSGVO – die Datenkraken – gar nicht durch die Gesetze erfasst.

ADZINE: Vor welchen Herausforderungen steht die Vermarktung sonst zurzeit?

Zeisler: Neben den gesetzlichen Änderungen wandert der Blick immer hin zu Google. Ohne Google-Demand kann keiner wirklich überleben. Wenn Google beispielsweise ankündigt, Third-Party-Cookies auszusperren, hat die Branche 12 Monate kein anderes Thema mehr.

Dennoch ist es natürlich wichtig, sich von Third-Party-Cookie-Targeting unabhängiger zu machen und Alternativen zu entdecken, wie man seine First-Party-Data nutzen und anreichern kann, um den Wert gegenüber der Demand-Side zu steigern.

ADZINE: Welche Trends sind auf Publisherseite momentan sichtbar?

Zeisler: Den Wasserfall haben wir lange hinter uns gelassen und Header Bidding hat sich durchgesetzt. Publisher stellen sich momentan eher die Frage, ob man nur auf Prebid oder auch auf Open-RTB setzt, ob man Googles oder Amazons Lösungen integriert. Publisher müssen noch herausfinden, welche am besten funktionieren. Da geht es natürlich auch um zusätzliche Kosten, wenn man einfach alle integriert.

Außerdem beschäftigen sich viele mit den schon angesprochen Alternativen zum Third-Party-Cookie und hier insbesondere mit First-Party-Targeting. Insgesamt spielt die Diversifizierung der Monetarisierung von Inhalten eine große Rolle. Publisher schauen nicht nur auf Advertising, sondern immer mehr auf alternative Erlösmodelle wie beispielsweise Commerce, also etwa Affiliate Links. Auch die Inhalte werden teils für solche Modelle maßgeschneidert.

Insgesamt sind wir als Industrie aktuell leider ausgebremst, weil Personal fehlt. Jeder würde gern die Themen vorantreiben, aber alle sind auf der Suche nach den richtigen Fachkräften.

ADZINE: Wo siehst du für Supply-Side-Plattformen in Zukunft noch Raum für technologische Innovation?

Zeisler: Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren extrem viel erreicht haben. Der Markt ist sehr diversifiziert und daher entwickeln sich die Player alle schnell weiter.

Natürlich kann das Matching des Inventars mit demjenigen Partner der Demand-Side, der darin den größten Wert sieht, noch besser werden. Es steckt viel Potenzial im Thema Targeting und welches Inventar über welche Marktplätze angeboten wird.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Michael!

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