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PLATTFORMEN & NETZWERKE

Targeting mit GAFA-Daten trotz der Walled Gardens

Uwe Roschmann, 12. Oktober 2021
Bild: Peter Mason – Unsplash

Daten sind wichtig – für jedes werbetreibende Unternehmen. Denn ohne datenbasiertes Targeting lassen sich Konsumenten heute kaum noch verstehen oder erreichen. Daten ermöglichen die bestmögliche Aussteuerung von Werbung: Sie helfen, die richtigen Zielgruppen effektiv zu erreichen. Das heißt, genau die Kunden, die ein Unternehmen ansprechen möchte, und gleichzeitig die Menschen, die auch tatsächlich angesprochen werden möchten. Weiterer Pluspunkt: Daten verbessern die Effizienz von Kommunikations- und Marketingmaßnahmen, denn Zeit und Budget werden nur für relevante Zielgruppen aufgewendet. So weit, so klar. Doch in der Praxis ist diese schöne Theorie inzwischen massiv gefährdet: Durch die Cookiekalypse.

Ein Großteil der Daten, auf deren Basis Targeting bisher möglich war, die sogenannten Third-Party-Daten werden schon sehr bald nicht mehr in gleicher Form verfügbar sein. Zumindest nicht innerhalb der erlaubten juristischen Parameter. Und was heißt das nun für Werbetreibende? Etwa zurück in die Targeting-Steinzeit? Ist „back to the Gießkanne“ die triste Zukunft des digitalen Marketings?

Glücklicherweise lautet die Antwort nein. Die Cookiekalypse signalisiert jedoch in aller Klarheit, dass neue Lösungen gefunden werden müssen.

Zwei Anti-Cookiekalypse-Strategien bieten sich dabei besonders für Werbetreibende an. Die erste Variante ist, selbst alle benötigten Daten zu sammeln, auszuwerten, zu verwalten und zu nutzen. Also „First-Party-Data“ mit GDPR-konformem Consent. Keine Frage, das ist der Königsweg – aber: auch alles andere als einfach. Um diesen Weg zu gehen, brauchen Unternehmen und Organisationen Zeit, eine gewisse Größe und natürlich auch Budget. Die zweite Möglichkeit ist, Daten zu nutzen, die es bereits gibt, auch weiterhin geben wird, und die man nutzen kann und darf. Und wo gibt es mehr davon als bei den großen Plattformen, den Facebooks, Amazons, Googles und Co., den GAFAs! Doch wie bekommen Werbetreibende Zugang zu diesen Daten? Gibt es einen praktikablen Weg in die „Walled Gardens“ der GAFAs dieser Welt?

Ein wichtiges Paradigma vorweg – „Managing Expectations"

Google, Facebook und Co. sind zu großen Teilen geschlossene Silos und werden es aller Wahrscheinlichkeit nach auch bleiben. Kerndaten werden unter Verschluss gehalten und geschützt – und ganz sicher nicht geteilt. Weil diese Silos nicht aufzubrechen sind, bedeutet das Handling von „Walled Garden Data“ auch immer, verschiedene, oligopole Silos individuell managen und optimieren zu müssen. So schön es anders wäre, das ist die Realität, auf die man sich einstellen muss. Jedes werbetreibende Unternehmen wird in Zukunft eine Facebook-Data-Strategie, eine Google-Data-Strategie und/oder eine Amazon-Data-Strategie brauchen, jede einzeln und voneinander gesondert. Das mag kompliziert klingen und aufwendig, beides ist es durchaus auch, aber andererseits ist das eigentlich auch nichts Neues.

Nehmen wir zum Beispiel Adidas: Betrachtet man die Brick-and-Mortar-Aktivitäten des Sportartiklers wird schnell klar, dass auch hier ein allgemeingültiges Vorgehen für alle Verkaufsstätten nicht hilfreich wäre. Ein Flagship-Store erfordert nun mal andere Maßnahmen als die Store-in-Stores der großen Kaufhäuser oder das klassische Sportgeschäft, um Adidas-Produkte bestmöglich zu platzieren und in Szene zu setzen. „One fits all“-Strategien helfen dort genauso wenig wie bei den GAFAs.

Ran an die Daten, zusammen mit den GAFAs

Wie also kriegen Werbetreibende nun die relevanten Informationen fürs Data-Driven-Marketing aus den Silos gezogen? Die Antwort ist banal einfach: indem man Partnerschaften schließt. Anders wird es nicht gehen, denn niemand wird die GAFAs austricksen. Aber, und das sind die guten Nachrichten, man kann mit den GAFAs durchaus zusammenarbeiten: Ihre Pixel auf den eigenen Seiten verbauen, ihre Data Studios nutzen und daraus Erkenntnisse gewinnen, ihre Analytics- und Trackingsysteme nutzen, um an die so wertvollen Daten heranzukommen.

Aber geht da nicht noch mehr? Ja, klar.

Die Herausforderung für alle technischen Angebote und Möglichkeiten einer Datenübergabe sind GDPR und Personally Identifiying Information (PII). Server-to-Server ist hier der Schlüssel zur Lösung, die wiederum einmal mehr in Partnerschaften liegt. Und: Es gibt zusätzlich viele Partner, zum Beispiel Agenturen, am Markt, die werbetreibenden Unternehmen helfen können, dabei auch datenschutzkonform zu agieren.

Eines dieser PII-konformen Angebote ist zum Beispiel die „Conversions API (CAPI)“ von Facebook, gewissermaßen der Nachfolger des Facebook-Pixels. Unternehmen, die saubere Conversion-APIs aufsetzen, können heute schon datenschutzkonform mit Facebook-Daten arbeiten.

Third-Party-Daten, vereinfacht dargestellt, werden in der Regel über Cookies in den Browsern der User gespeichert, sobald sie ein Internetangebot von Unternehmen und Marken, Medien oder sozialen Plattformen nutzen. Facebook bietet hierfür beispielsweise eine fertige, sofort integrierbare Lösung für Website-Betreibende an, den sogenannten Facebook Pixel. Aus den Pixeln beziehungsweise den daraus resultierenden Cookies lassen sich vielfältige Informationen über die Nutzer auslesen, zum Beispiel Geschlecht, besuchte Seite(n), Verweildauern auf Seiten und eben auch „hat eine Produkt-Detailseite angeschaut“ oder „hat ein Produkt in den Warenkorb gelegt, aber nicht gekauft“. Also höchst wertvolle Informationen für das Targeting beziehungsweise Retargeting, das dann mit passenden Botschaften und Call-to-Actions arbeiten kann. Seit der Facebook Pixel aufgrund rechtlicher Vorgaben wie GDPR & DSGVO nicht mehr vollumfänglich beziehungsweise teilweise sogar gar nicht mehr eingesetzt werden darf, haben sich die Ergebnisse für Performance-Kampagnen auf Facebook signifikant verschlechtert. Weshalb Facebook selbst verstärkt an Ersatzlösungen wie den Conversion APIs arbeitet.

Mit Facebooks Conversion APIs werden nun keine Informationen über die User mehr im Browser, sondern auf einem neutralen Server gespeichert und können von dort auch wieder abgerufen (Server-to-Server). Auf dem Server werden die Informationen ID-basiert so hinterlegt, dass sie keinerlei Rückschlüsse auf Individuen zulassen. Diese sogenannte PII-Clearance sorgt dafür, dass IDs auch weiterhin GDPR-/DSGVO-konform genutzt werden können, und wird häufig auch von Drittparteien, zum Beispiel Agenturen, genutzt.

Dort, wo die Conversion API bereits im Einsatz ist, zeigt sie gute bis sehr gute Ergebnisse. Größte Herausforderung auf Unternehmensseite ist es jedoch dafür zu sorgen, dass pro ID ein eindeutiger Identifier existiert, der die „Server-to-Server“-Nutzung überhaupt erst ermöglicht und die neutralen IDs beim Abruf eindeutig erkennen und alle benötigten Daten zusammenführen kann. Ein solcher Identifier kann beispielsweise eine E-Mail-Adresse sein. Ist ein Match zwischen ID und Identifier serverseitig einmal vollzogen, bieten die Conversion APIs alle Vorteile, die zuvor bereits der Facebook Pixel mit sich brachte, das nun aber vollkommen GDPR/DSGVO-konform, wenn auch mit eingeschränkter Reichweite.

Dennoch kann das große Vorteile haben: Datenhoheit und Kontrolle über die so gewonnenen Daten sowie über den Austausch dieser Daten über den gesamten Funnel.

Conversion APIs, auch die von Facebook, werden zeitnah weiter an Bedeutung gewinnen. Facebook arbeitet deshalb intensiv an einer „Gateway Conversion API“, die auch sehr bald in Deutschland bereitgestellt werden wird. Mit dieser API wird die technische Implikation von Conversion APIs massiv vereinfacht. Sie lässt sich dann von jedem Werbetreibenden ohne IT-Aufwände, gewissermaßen per „Drag and Drop“ verwenden. Für die Bereitstellung der nötigen neutralen Server arbeitet Facebook mit Amazon AWS zusammen.

Voraussetzung für die Verwendung von Conversion APIs bleibt aber, dass die Anbindung richtig aufgesetzt wird, entweder von der eigenen IT oder mithilfe eines weiteren (Agentur-)Partners, um als Unternehmen die bestmögliche Lösung für die individuellen Anforderungen, vor allem im Kontext GDPR, zu entwickeln.

Fazit: Eine sinnvolle Lösung. Aber sie hat ihren Preis.

Es dürfte wohl kaum überraschen: Facebook bietet die Conversion-APIs nicht aus altruistischen Motiven an, sondern verfolgt wirtschaftliche Ziele. Das muss Werbetreibenden bewusst sein. Durch Partnerschaften mit den GAFAs werden die Starken zudem weiter gestärkt, und Unternehmen müssen ein gewisses Maß an Kontrollverlust akzeptieren. Die gesamte Consumer Journey nicht mehr allein zu kontrollieren, sich abhängiger zu machen und die an den Datenschutz gekoppelte Verantwortung zu schultern, ist der Preis für Lösungen wie diese. Wer nicht bei null anfangen möchte, indem eigene Daten gesammelt werden, muss das schlicht in Kauf nehmen.

Unternehmen kommen also an die Daten der „Walled Gardens“ durchaus heran. Aber eben nur nach Regeln, die die großen GAFA-Data-Silos vorgeben.

Bild Uwe Roschmann Über den Autor/die Autorin:

Uwe Roschmann (36) ist Managing Director bei Digitas Pixelpark, der Agentur für Customer Experience im internationalen Digitas-Netzwerk. Dort verantwortet er das Neugeschäft, die strategische Ausrichtung sowie das Produkt- und Serviceportfolio der Agentur und entwickelt maßgeschneiderte, kundenindividuelle Lösungen im digitalen Bereich, insbesondere für Zukunftsthemen. Aktuell treiben ihn neben Social Commerce insbesondere die Bereiche Commerce, hier in aktiver Funktion auch für Publicis Commerce Germany, aber auch Marketing-Automatisierung, Data-driven Marketing Solutions sowie Consumer Journey, Content und Social Media um. Der diplomierte Wirtschaftswissenschaftler hatte zuvor verschiedene Positionen in den Bereichen Digital, Media und Kreation bei der Publicis Groupe inne und betreute unter anderem Etats wie Daimler/Mercedes-Benz, Telefónica/O2, Zalando, Novartis und L’Oréal. Uwe Roschmann ist außerdem Geschäftsführer des Online-Spirituosen-Vertriebs somelio.de.

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