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DATA

Data Clean Rooms als nützliches Werkzeug in der Post-Cookie-Ära

Dylan Siriwardana, 16. November 2020
Bild: Taylor Vick – Unsplash

Die Zeit des Third-Party-Cookies läuft ab. Früher oder später wird Google Chrome diese kleinen Textinformationen, mit denen Adtech-Unternehmen ihre Nutzer im Internet identifizieren, nicht mehr zulassen. Sie stehen dann also nicht mehr als Werkzeug im Online-Targeting zur Verfügung. Doch auch ohne Cookies müssen Marken ihre unterschiedlichen Zielgruppen erreichen, Werbung auf sie zuschneiden und die Ergebnisse ihrer Kampagnen messen – idealerweise sogar besser als vorher. Es ist bereits viel darüber gesagt worden, wie eine Zukunft ohne Cookies aussehen könnte: Im Raum stehen eine Rückkehr zum kontextbezogenen Targeting, Unified-ID-Lösungen oder Googles Privacy Sandbox. Aber eine weitere vielversprechende Alternative fehlte bislang weitgehend in dieser Debatte: die sogenannten Data Clean Rooms.

Ein Data Clean Room ist ein Ort, an dem Unternehmen mit großen Datenpools ihre Informationen aufbewahren und fortlaufend aktualisieren können. Werbetreibende wiederum bringen ihre eigenen Daten und Kampagnen-Insights ein. Durch die Zusammenführung der beiden Datensätze können Werbetreibende ihre Daten mit denen der Hosts der Data Clean Rooms vergleichen. Konkret sind die Marken dann dazu in der Lage zu sehen, wie die verschiedenen Daten zusammenpassen, wobei etwaige Inkonsistenzen aufzeigen, ob sie bestimmten Benutzergruppen zu viele Anzeigen ausspielen. Eine solche Inkonsistenz kann beispielsweise darin bestehen, dass Sie sich mit Ihren Marketingmaßnahmen vor allem an Smartphone-Nutzer richten, die meisten Käufe aber über Tablets ablaufen. Auf diese Weise erhöhen Data Clean Rooms die Zuverlässigkeit der First-Party-Daten.

Um es in den Worten von Myles Younger von Mightyhive zu sagen: „Data Clean Rooms sind eine Art vermittelnde Schweiz für Daten.“ Sie ermöglichen die Generierung von Erkenntnissen, ohne dass die Datensätze jemals in direkten Kontakt miteinander kommen (oder zumindest, ohne dass die individuellen Online-Aktivitäten aller Benutzer eingesehen werden können). Der bekannteste Data Clean Room ist der Ads Data Hub von Google. Doch auch andere Player wie Unilever, Amazon und Infosum bieten Werbetreibenden ihre Clean-Room-Lösungen an oder sind im Begriff, einen eigenen Data Clean Room zu entwickeln.

Data Clean Rooms in der Praxis

Schauen wir uns an einem einfachen Beispiel an, wie so ein Data Clean Room in der Praxis funktioniert: Ein Advertiser aus der Modebranche verfügt über First-Party-Daten zur Art der Geräte, die seine Kunden für ihre Käufe nutzen. Jetzt möchte er Insights über den Zusammenhang zwischen der Nutzung des jeweiligen Geräts und der Interaktionsrate bei Anzeigen mit roten und blauen Turnschuhen gewinnen. Der Werbetreibende gibt seine Daten in einen Data Clean Room und gleicht sie beispielsweise mit den Daten des Google Ads Data Hub ab. Dadurch möchte er mögliche Zusammenhänge zwischen der Nutzung des Kaufgeräts und der Farbpräferenz gewinnen. Konkret werden dazu Nutzer, denen eine Anzeige ausgespielt wurde, mit First-Party-Daten aus den Website-Interaktionen in Verbindung gebracht. Und der Advertiser stellt fest, dass iPhone-X-Nutzer eine starke Präferenz für blaue Turnschuhe haben, während die Besitzer eines Samsung Galaxy S20 vor allem auf die roten Schuhe anspringen. Diese Information kann dann zur Kampagnenoptimierung genutzt werden.

DSGVO-Konformität der Data Clean Rooms

Derartige Insights, und natürlich noch viel anspruchsvollere, lassen sich zwar nicht erst seit gestern gewinnen. Was Data Clean Rooms aber zu so einem vielversprechenden Tool für eine Zukunft ohne Third-Party-Cookies macht, ist der Umstand, dass sie vollständig DSGVO-konform sind. In Data Clean Rooms herrschen Regeln, die eine Neuidentifizierung einzelner Kunden verhindern. Technisch gesehen werden Nutzer immer noch bis zum Point of Sale getrackt, damit die Attribution funktioniert. Werbetreibende können allerdings nur noch DSGVO-konforme Anfragen stellen. Zum Beispiel nach der Zahl der Verkäufe im letzten Monat, jedoch nicht danach, was genau die Nutzer gekauft haben.

Data Clean Rooms liefern Daten für Gruppen von mindestens 50 Verbrauchern, die sich ein bestimmtes Attribut teilen, und helfen dabei, festzustellen, welche Gruppen sich an einer Kampagne beteiligt haben. Werbetreibende könnten so zum Beispiel feststellen, ob iPhone-X-Nutzer zwischen 20 und 35, die in einer Großstadt leben, auf ihre Kampagne anspringen. Solche Analysen lassen sich im Verlauf einer Kampagne mehrfach durchführen, solange genügend Daten verfügbar sind. Daraus ergeben sich Strategien, die nicht auf Cookies basieren, um seine Nutzergruppen präziser anzusprechen. Die Werbetreibenden legen ihre Daten zwar nutzerbasiert in den Data Clean Room ab, aber es gelangen keine Daten wieder nach außen, die eine klare Identifizierung zulassen.

Grenzen von Data Clean Rooms

Was sollten Werbetreibende beachten, bevor sie Data Clean Rooms nutzen? Erstens: Die Hauptanwendung für Data Clean Rooms sind bislang die Messung und die Attribution, nicht das Targeting. Diese Funktionen lassen sich noch erweitern. Zweitens erfordert die Arbeit mit Data Clean Rooms Klassifizierungen, die konsistent, sauber und aussagekräftig sind. Da Werbetreibende nicht mehr mit Benutzer-IDs arbeiten können, die ihre Kampagnen zusammenhalten, benötigen sie einen klaren Rahmen mit präzisen und klar definierten Kategorien. Dadurch wissen Werbetreibende, welche Abfragen sie an die Datensätze stellen müssen, um gewinnbringende Erkenntnisse zu erhalten. Entscheidend ist, dass diese Abfragen aussagekräftig und DSGVO-konform zugleich sind. Und drittens: Da die Data Clean Rooms nur gruppenbasierte Einblicke liefern, sind sie für zu kleine Kampagnen bis 1.000 Nutzer nicht geeignet.

Obwohl sich die Technologie hinter Data Clean Rooms erst noch im Entstehungsprozess befindet, bergen sie ein enormes Potenzial für die Werbetreibenden in einer Post-Cookie-Ära. Daher werden zukünftig noch viele weitere Data Clean Rooms entstehen. Die "Privacy First"-Umgebung ermöglicht es auch großen Unternehmen, ihre Daten in neuen Clean Rooms zusammenzuführen. Die können sie wiederum auch Werbetreibenden zur Verfügung stellen, ohne dabei gegen Datenschutzbestimmungen zu verstoßen. Daher werden wir in den kommenden Monaten und Jahren noch viel über Data Clean Rooms hören und sprechen.

Bild Dylan Siriwardana Über den Autor/die Autorin:

Dylan Siriwardana ist seit 2015 Solutions Engineer DACH beim programmatischen Mediapartner MiQ. Zuvor absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der London School of Economics. Dylan ist Software-Entwickler aus Leidenschaft. Sein Kompetenzspektrum reicht von Anwendungen für Programmatic Advertising über Cloud-Architektur bis hin zur Datenmodellierung.

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