Das Ende des Cookie-Trackings: Unsere Zukunft entscheidet sich jetzt
Tobias Wegmann, 31. August 2020Der digitale Werbemarkt ist traditionell immer in Bewegung. Doch momentan erleben wir besonders turbulente Zeiten. Neben dem allgegenwärtigen Coronavirus gibt es noch andere, maßgebliche Veränderungen, die sich auf die digitale Werbebranche auswirken: In diesen Wochen entscheidet sich die Zukunft des Cookie-Trackings – ein Kommentar.
Was zugegebenermaßen nach einer steilen These klingt, ist tatsächlich Realität: Der verstärkte Ruf nach Transparenz erfordert veränderte rechtliche Rahmenbedingungen. Diese werden zwangsläufig zu erheblichen Veränderungen im bestehenden Marktgefüge führen.
Schon jetzt schränken die großen Browser Firefox und Safari die Möglichkeiten zu Tracking und Targeting von Websitebesuchern immer weiter ein, Google kündigt für seinen Browser Chrome gar das endgültige Ende des Cookie-Trackings in absehbarer Zukunft an. Auch den mobilen Ad-Identifiern, den Cookies im In-App-Bereich, wird keine große Zukunft mehr vorhergesagt.
Apple geht da einen etwas anderen, doch nicht minder einschneidenden Weg: Das Unternehmen will mit der nächsten Version seines mobilen Betriebssystems die Frage nach Zustimmung zum Tracking schon beim Download einer App und nach eigenen Regeln erzwingen. Es reicht also, das Tracking – das sich beim Nutzer allgemein keiner großen Beliebtheit erfreut – zu verweigern und schon sind die Möglichkeiten zum Tracking des Nutzerverhaltens in der App dauerhaft ausgestellt.
Das Spielfeld wird in naher Zukunft abgesteckt sein
Diese Schlaglichter zeigen: Unser Ökosystem Cookies befindet sich gerade am Beginn der größten Umwälzung seit seinem Bestehen – in naher Zukunft wird das Spielfeld für die nächsten zehn Jahre abgesteckt sein. Diskutiert und definiert werden die neuen Regeln aber nicht im deutschen oder europäischen Markt, sondern jenseits des Atlantiks. Google hat mit seinem Konzept einer „Privacy Sandbox“ für einen, im Hinblick auf die Verarbeitung von personennahen Daten, völlig neu konzipierten Browser eine Standardisierungsdiskussion im World Wide Web Consortium (W3C) angestoßen. Das W3C ist ein öffentlich wenig bekanntes Gremium, das seit den Gründerzeiten des Internets besteht und dessen grundlegende technische Standards diskutiert sowie festsetzt.
Die Prozesse, in denen das geschieht, sind für Außenstehende auf den ersten Blick sehr komplex, die Regeln akademisch und mitunter undurchsichtig. Um den Prozess aktiv durch das Verfassen von Beiträgen mitzugestalten, muss man im W3C Mitglied werden, alle Dokumente und große Teile der Kommunikation sind aber öffentlich zugänglich.
Parallel zu den W3C Communities hat das Internet Advertising Buerau (IAB), der Marktverband der digitalen Werbeindustrie in den USA, in seinem Techlab das Projekt Rearc gestartet. Dieses Projekt wurde vor allem von den großen Adtech-Playern initiiert, die weder direkten Zugang zum Konsumenten über eigene Reichweitenplattformen haben noch Zugangssoftware wie Browser oder Betriebssystem betreiben.
Unterschiedliche Ansätze beim Lösungsansatz
Gestartet wurde dort, im Angesicht des Cookiesterbens, mit einer Bestandsaufnahe aller Business Cases, in denen das Cookie eine wichtige oder zentrale Rolle spielt. Ziel soll es auch hier sein, Regeln und technische Standards für die datengetriebene Digitalwerbung der Zukunft zu definieren. Rearc favorisiert hierbei ein arbeitsteiliges Modell, das näher an den heutigen Markgegebenheiten liegt. Dies steht im Kontrast zu Googles Ansatz, der sehr stark auf die Allmacht des Browsers fixiert ist und den der Suchmaschinenriese im W3C aktiv vorantreibt.
Eine echte technische Vision für eine datenschutzgerechte Transformation des aktuellen Ökosystem fehlt dort aber bisher noch. Zur aktiven inhaltlichen Mitarbeit an allen Inhalten von Rearc muss man Mitglied im IAB Techlab werden, erhebliche Teile des Diskussionsprozesses sind aber für alle zugänglich.
Aus Sicht von Vermarktern, Agenturen und Werbetreibenden, die unseren Markt heute abbilden, haben die beiden Zukunftslabore leider gravierende Schwächen. Sie werden aktuell noch weitgehend von Technologie- und Plattformanbietern dominiert, die Angebotsseite ist unterrepräsentiert. Werbetreibende und Agenturen sind in den Gruppen bisher kaum vertreten.
Deutsche Marketer müssen für ihre Interessen eintreten
Zudem herrscht ein Ungleichgewicht an Ressourcen: Große Player dominieren aktuell allein schon durch Ihre Fähigkeit, große Mengen an komplexen Inhalten in kurzer Zeit zu erzeugen und sie online zur Diskussion stellen, während andere schon Schwierigkeiten haben, dies alles auch nur zeitnah zu rezipieren. Und natürlich ist das eine sehr stark an den Gepflogenheiten der angelsächsischen Märkte orientierte Veranstaltung, die die besonderen Gegebenheiten unseres deutschen oder europäischen Marktes in erster Instanz nicht beachtet.
Sind dies Gründe genug, sich zurückzulehnen und abzuwarten, welche neue Welt am Ende aus den Prozessen herauspurzeln wird? So verlockend das erscheinen mag, so kurzsichtig wäre es auch, gerade für Werbetreibende und Agenturen aus unserem Markt. Auch wenn es unklar sein mag, inwieweit sich die Prozesse überhaupt beeinflussen lassen, da Entscheidungen dem Eindruck nach oft eher informell getroffen werden: Ihre Folgen werden schlussendlich so weitreichend sein, dass es im Interesse aller Betroffenen sein sollte, jetzt mitzureden – entweder direkt oder über Verbände wie dem BVDW.
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