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STUDIEN & ANALYSEN - Studie aus UK

15 Prozent der Programmatic-Ausgaben verschwinden spurlos

Jens T. Möller, Analyst, 28. May 2020
Bild: Magnezis Magnestic; CC0 - unsplash.com

Eine aktuelle Studie der Society of British Advertisers (ISBA) und der Association of Online Publishers (AOP) zeigt eindrucksvoll, dass die programmatische Angebotsseite in Großbritannien häufig viel zu komplex ist und es an Organisation mangelt. Insofern bestehe hier ein großer Bedarf an Reformen, um Transparenz für alle Teilnehmer im programmatischen Ökosystem zu gewährleisten. Die Zahlen aus UK dürften als Indikator für den ganzen europäischen Markt dienen, verfügt Großbritannien doch über den ausgereiftesten Programmatic-Markt.

Durchgeführt wurde die “ISBA Programmatic Supply Chain Transparency Study” vom Beratungsunternehmen Pricewaterhouse Coopers (PwC). Ziel war es, die programmatische Angebotsseite abzubilden und jeden Schritt in der Lieferkette zu identifizieren. Die erbrachten Dienstleistungen und die dadurch entstehenden Kosten sollten in jeder Phase nachvollzogen werden können. Dazu sammelte PwC Daten von 15 Werbetreibenden, acht Agenturen, fünf Demand-Side-Plattformen (DSPs), sechs Supply-Side-Plattformen (SSPs) und zwölf Publishern.

Insgesamt wurden über tausend verschiedene Lieferketten identifiziert. Bei den 15 untersuchten Werbetreibenden waren es allein 290 “Supply Chains” mit über 31 Millionen Impressionen. Dabei zeigt sich, dass Publisher durchschnittlich lediglich 51 Prozent der Werbespendings erhalten. Das Besorgniserregende daran ist jedoch vielmehr, dass unter Berücksichtigung anderer sichtbarer Kosten wie etwa DSP/SSP-Gebühren circa 15 Prozent der Werbespendings überhaupt nicht zugeordnet werden können und damit im Nichts verschwinden. Die Supply Chain ist somit viel zu unübersichtlich für die einzelnen Teilnehmer im programmatischen Ökosystem.

Bild: Meetrics Philipp von Hilgers

Philipp von Hilgers, Geschäftsführer des Messdienstleisters Meetrics, hat hierfür eine Erklärung: “Im programmatischen Bereich geht es bei Open Market auch darum für Inventare Abnehmer zu finden, die in der Erst-, Zweit- und Drittvermarktung nicht gefunden werden konnten. Inventare werden also weitergereicht und das Weiterreichen produziert Transaktionskosten. Vereinfacht gesagt, der Preis für das Inventar sinkt und die Transaktionskosten steigen”, so der Analytics-Experte. “Der Endabnehmer zahlt für das Produkt aus gesunkenen Inventarpreisen und gestiegenen Transaktionskosten. Wie das Verhältnis beider Komponenten einen finalen Preis bilden, bleibt dabei intransparent”, erläutert von Hilgers weiter. Hinsichtlich der Frage, wohin die 15 Prozent des Budgets konkret verschwinden könnten, gibt er zu bedenken: “In diesem Ökosystem gibt es viele monetäre ‘Abflüsse’: Inventarbesitzer (Publisher), ein oder mehrere Vermarkter und deren SPPs, die DSP(s) der Agentur, die Agentur und ihr Trading-Desk-Produkt, DMP- und Ad Verification und Audience-Anbieter. Diese Marktteilnehmer können im Idealfall für den Endabnehmer und Advertiser einen Mehrwert liefern, auch wenn sie Kosten verursachen, nämlich dann, wenn sie für den Werbetreibenden Werbeplätze liefern, von denen die gewünschte Wirkung ausgeht und die sie sonst nicht angeboten bekommen hätten oder nur für mehr Geld. Ein besonderes Kostenrisiko stellen Marktteilnehmer dar, die nicht in die obige Aufzählung passen.”

Die ISBA-Studie gibt aufgrund ihrer Ergebnisse zwei Empfehlungen für Werbetreibende, Publisher und andere Marktteilnehmer wie Technologieanbieter. So sei eine Standardisierung von Verträgen und Technologien erforderlich, um die Transparenz in der Supply Chain zu erhöhen. Weiterhin wird eine Zusammenarbeit in der Branche als unabdingbar erachtet, um verschwendete Werbespendings zu vermeiden. Die ISBA hat daraufhin eine Taskforce eingerichtet, um die bislang unbekannten Kosten zu untersuchen und die Standardisierung voranzutreiben.

Takeaways

  • Eine neue Studie in Großbritannien zeigt eindrucksvoll, dass die Lieferketten im programmatischen Ökosystem häufig viel zu komplex sind und es an Transparenz mangelt.
  • Dabei zeigt sich, dass Publisher durchschnittlich lediglich 51 Prozent der Werbespendings erhalten. Unter Berücksichtigung anderer sichtbarer Kosten wie etwa DSP/SSP-Gebühren können circa 15 Prozent der Werbespendings überhaupt nicht zugeordnet werden und verschwinden damit im Nichts.
  • Die Standardisierung von Verträgen und Technologien sowie eine Zusammenarbeit der einzelnen Branchenvertreter sollen hier Abhilfe schaffen.

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