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MEDIA

Optimierung auf falsche Ziele – Branding zu schwierig für die Maschine?

Frederik Timm, 25. Februar 2020

Funktioniert der Markenaufbau über Programmatic Advertising? Obwohl Programmatic Branding schon lange ein Begriff ist, regt sich trotzdem Kritik an dessen Mehrwert in der Strategie zum Markenaufbau. Kritiker meinen sogar, dass der automatisierte Mediaeinkauf in seiner jetzigen Form eher der Marke schade. Sind die automatisierten Systeme mit den Markenzielen überfordert?

Programmatic Advertising hat es möglich gemacht, den Erfolg von Kampagnen besser zu messen und sie nahezu in Echtzeit zu optimieren. In dem Versuch, Search-Metriken auf Display-Werbung zu übertragen, nutzten Advertiser die Technologie anfangs hauptsächlich für performance-getriebene Werbung – Markenaufbau lief über klassische I/O-Buchungen. Vor einigen Jahren haben Werbetreibende jedoch damit begonnen, Programmatic Advertising auch für die Aussteuerung ihrer Branding-Kampagnen zu nutzen. Als ein Argument dafür wird immer wieder die bessere Messbarkeit genannt. Doch genau hier setzt die Kritik am Programmatic Branding an. Ein automatisiertes System kann nur auf messbare Ziele hin optimiert werden, jedoch gelten für Branding-Kampagnen häufig Maßstäbe, die sich nur schwer von den eingesetzten Technologien quantifizieren lassen. So hilft die aus Search-Kampagnen bekannte Klickfixierung in der Erfolgsmessung an dieser Stelle nicht weiter.

Kampagnen dürfen nicht nur auf dem Papier gut aussehen

Bild: Norman Wagner Norman Wagner

Norman Wagner, Head of Group Media von der Deutschen Telekom, hegt Zweifel an der Wirksamkeit von Programmatic Advertising in der Branding-Strategie und findet für Programmatic in seiner jetzigen Form harte Worte: „Aus meiner Sicht ist es im aktuellen Zustand ein tödlicher Parasit für Marken.“

Wagner warnt davor, dass viele der typischen Digital-KPIs nicht in eine Markenstrategie passen, denn „viele Zahlen können trügen und müssen differenziert betrachtet werden. Klassische KPIs greifen häufig zu kurz.“ Sie würden sich zu stark an den von Systemen messbaren Kennzahlen orientieren. Wagner mahnt vor dem Irrglauben, dass sich eine Branding-Kampagne gut optimieren lässt, solange ein Messpixel vorhanden ist.

Als Beispiel führt er die View Through Rate (VTR) für Videos an. Grundsätzlich stimmt die Annahme, dass ein Konsument, der ein Video komplett gesehen hat, mehr Kontakt zur Marke und ihrer Botschaft hatte als jemand, der nach ein paar Sekunden abbricht. Wer jedoch seine Kampagne auf VTR optimiert, schließt häufig bestimmte Zielgruppen aus, damit die Kampagne besser performt. So scheiden zum Beispiel Nutzer aus, die Cookies löschen oder Videos nur selten komplett sehen. Präferiert werden hingegen Personen, die bereits Kontakt mit der Marke hatten und sie somit ohnehin schon kennen. Auf dem Papier mag die Kampagne dann zwar erfolgreich gewesen sein, in der Praxis ist Markenwachstum damit allerdings nur schwer zu erreichen.

Trotzdem sieht Norman Wagner großes Potenzial im Programmatic Advertising. Es sei die beste Methode, um digitale Medien zu bespielen und damit essentiell für Marken. Die Marken müssten die Technologie jedoch besser zu ihrem Vorteil nutzen und sich ihre Kampagnenziele nicht durch das System vorgeben lassen.

Performance-Gesichtspunkte im Branding

Bild: Vodafone Presse Sven Stühmeier

Wie das in der Praxis aussehen kann, erklärt Sven Stühmeier, Gruppenleiter Digital Communication & Technology bei Vodafone. Im Marketing des Telekom-Riesen hat man eigene KPIs entwickelt, um den Branding-Erfolg zu messen und die Kampagnen entsprechend zu optimieren. Stühmeier erklärt: „Ich habe gelernt, dass sich KPIs durch ein Unternehmen komplett durchziehen sollten. Die hauptsächliche Frage war: Wie kann man die Wirkungsmessung von einem Unternehmensziel auch digital möglich machen? Unser Ziel ist letztlich, Produkte zu verkaufen. Wir brauchten also einen KPI, der den Return on Ad Spent wiedergibt.“ Dieser KPI steht nun an oberster Stelle der Marketingstrategie.

Stühmeier entfernt sich zudem davon, den Klick als ein Indiz für das Interesse des Kunden zu werten. Man habe sich daher dazu entschieden, einen Cost-per-qualitative-Visit einzuführen. Das sei nichts anderes, als dass die Interaktion eines Besuchers auf der Vodafone-Seite bewertet wird. „Wie lange ist eine Person auf unserer Seite? Was macht sie dort? Scrollt sie runter? Packt sie ein Handy in ein Angebot hinein? Wenn solche Kriterien erfüllt sind, gilt es als qualitativer Kontakt“, erklärt der Markenexperte. Dass der Branding-KPI einen starken Performance-Einschlag hat, sei dabei nicht hinderlich: „Letztlich muss ich sehen, was das Ziel einer Branding-Maßnahme ist. Die ist am Ende des Tages immer dafür da, dass ich eine Consideration bei einem User erzeuge – egal ob direkt oder nachgelagert.“ Die die Markenbekanntheit von Vodafone ohnehin schon auf einem hohen Level sei, schade schade es nicht, die Kriterien etwas härter anzusetzen.

Branding und die Grenzen von Programmatic

Es zeigt sich in der Strategie von Vodafone, dass die Optimierung von Kampagnen im Programmatic Advertising – auch wenn sie Branding-Ziele verfolgen – immer auf klar messbaren Kennzahlen beruht. Marketer stehen daher vor der Herausforderung, die Kampagnenmesswerte, die ihnen durch die programmatischen Systeme bereitgestellt werden, in für sich nutzbare Branding-KPIs zu übersetzen. Markenbekanntheit oder -wiedererkennung lassen sich auch hier nur im Nachhinein durch Marktforschung messen. Das schließt jedoch nicht aus, dass Programmatic Branding wirksam zum Markenaufbau beitragen kann. Schließlich lassen sich mittels Programmatic-Technologien mittlerweile branding-wirksame Rich-Media-Werbemittel immer häufiger auf Premiumplatzierungen aussteuern, genauso wie klassische I/O-Kampagnen. Gleiches gilt für Radio-, TV- und Out-of-Home-Werbung sowie Print-Mailings – all diese Werbegattungen werden zunehmend programmatisch buchbar und für den Markenaufbau nutzbar.

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