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PROGRAMMATIC

Hat Programmatic Advertising ein Targeting-Problem? Eine Spurensuche

Dr. Oliver Vesper, 18. February 2020
Bild: CC0, pixabay.com

Erfolgreiche digitale Videowerbung basiert auf vielen Faktoren. Kreative Umsetzungen, qualitative Umfelder und Formate spielen wichtige Rollen. Doch die erste Frage sollte immer sein: Wen möchte ich erreichen? Ist diese Frage beantwortet, müssen alle weiteren Maßnahmen darauf ausgerichtet sein. Egal welche Zielgruppe es am Ende ist, erfolgreich ist eine Kampagne nur, wenn die definierten Nutzer auch erreicht werden. Gerade hier unterstützt Programmatic Advertising mit seinem datenbasierten und automatisierten Targeting – jedenfalls sollte es das.

Basierend auf einem Datenpool werden Zielgruppen nach demografischen Gesichtspunkten oder anhand von Interessengruppen, u.a. verhaltensbasiert angesprochen. Trotzdem sehen Werbekunden und Agenturen, besonders im Bereich Video, immer wieder von programmatischen Buchungen ab. Laut dem IAB Europe Attitudes to Programmatic Advertising Report 2019 ging der programmatische Anteil der Videobuchungen durch Agenturen 2019 sogar zurück. 2018 gaben Agenturen an, 55 Prozent aller Videokampagnen programmatisch zu buchen, 2019 waren es nur noch 50 Prozent. Vor allem bei Kampagnen mit großen Budgets und granularen Zielgruppen setzen viele auf Direktbuchungen. Entweder halten Agenturen und Werbetreibende nur an alten Gewohnheiten fest oder es gibt berechtigte Skepsis.

Sieht man sich an, wie das programmatische Ökosystem aufgebaut ist, verwundert es erst einmal, dass Agenturen und Werbetreibende so verhalten mit programmatischen Buchungen sind. Liegen doch speziell im Targeting-Bereich die vermeintlichen Stärken des Systems. Programmatische Kampagnen werden über eine Demand Side Platform (DSP) eingebucht, diese greift über eine Supply Side Platform (SSP) auf die passenden Umfelder zu und spielt die Werbung zielgenau und in Echtzeit aus. Aufgrund der Zugriffsmöglichkeit auf mehrere SSPs, inklusive dem größeren Umfeld-Portfolio und dem enormen Datenvolumen, sind DSPs den Direktbuchungen gegenüber im Vorteil. Die optimale Werbeauslieferung erfolgt aus dem Zusammenspiel mit proprietären Datenmanagement-Plattformen oder DMPs von Drittanbietern, die aus First-, Second- und Third-Party-Daten sowie mit Hilfe von KI-gestütztem kontextuellen und Umfeld-Targeting einen sehr spezifischen Zielgruppen-Mix zusammenstellen können.

Grundlage für Targeting ändert sich

Gerade die Automatisierungstechnologie versetzt DSPs in die Lage, verschiedene Inventar-Quellen gleichzeitig zu nutzen und Daten von mehreren Datenaggregatoren einzubeziehen. Das sollte sich auch nicht ändern, wenn Google in absehbarer Zeit die Third-PartyCookies in Chrome blockieren wird. Die Datengrundlage für programmatische Werbung wird sich ohnehin zugunsten des kontextuellen und Umfeld-Targetings verschieben.

DSPs und DMPs aggregieren zukünftig Daten einer Reihe von SSPs und Publishern und versprechen größere Genauigkeit. Zum einen werden Cookies nicht ganz verschwinden, zum anderen leiten DMPs schon jetzt Nutzungsverhalten über Publisher und Plattformen hinweg ab und erstellen daraus Verhaltensmuster und Vorhersagen – unterstützt durch KI und ganz ohne Cookies.

Programmatic mit großen Streuverlusten

Die nachträgliche Verifizierung durch Analyse-Unternehmen wie Nielsen oder Moat bestätigt jedoch regelmäßig innerhalb unseres eigenen Tech Stacks, dass programmatische Kampagnen das Publisher-Portfolio nicht optimal ausspielen. Direkt gebuchte Kampagnen schneiden deutlich besser ab – und das trotz geringerer Inventar- und Datenvielfalt. In unseren Private Marketplaces stellen wir immer wieder fest, dass Umfelder, in denen sich die Zielgruppe bewegt, gar nicht bespielt werden. Gleichzeitig entstehen massive Streuverluste, weil die Werbemittel an Nutzer ausgespielt werden, die von diesen gar nicht angesprochen werden sollen.

Laut den Digital Ad Ratings von Nielsen ist dies kein singuläres Problem. Im dritten Quartal 2018 sind spezifische Altersgruppen – demografische Daten sind die häufigste Basis der Zielgruppendefinition – mit stark variierendem Erfolg erreicht worden. Wenn alle Nutzer und Nutzerinnen über 18 Jahre in Deutschland erreicht werden sollten, lag die Zielgenauigkeit bei zufriedenstellenden 94 Prozent. Je spezifischer jedoch die angesprochene Altersklasse ist, desto ungenauer fällt das Ergebnis aus. Bei der Altersgruppe der 18- bis 49-Jährigen wurde eine Trefferquote von 66 Prozent erzielt, bei den 18- bis 34-Jährigen sinkt die Quote auf nur knapp 49 Prozent ab. Noch ungenauer wurde es, wenn die gemessenen Kampagnen nicht nur nach Alter, sondern zusätzlich auch nach geschlechtsspezifischen Kriterien ausgespielt wurden. War die gewünschte Zielgruppe weiblich und zwischen 18 und 34 Jahren, befanden sich nur ein Viertel der erreichten Nutzerinnen innerhalb dieses Parameters. Bei männlichen Nutzern derselben Altersgruppe erreichten sogar nur 17 Prozent der Werbeformate die gewünschte Zielgruppe.

SSPs und DSPs stehen die gleichen Instrumente zur Verfügung, um den Erfolg ihrer Videokampagnen zu überprüfen. Beide Seiten – Supply und Demand – sollten das Problem also erkennen. Da die entsprechenden Tools nicht in Echtzeit arbeiten, kann auf laufende Kampagnen kaum Einfluss genommen werden. Um auch programmatisch gebuchte Kampagnen bestmöglich ausliefern zu können, sind also Analysetools für Ad- und Audience Verification notwendig, die an das programmatische Ökosystem angepasst sind. In der aktuellen Marktsituation mangelt es an Offenheit zwischen DSP und SSP, sodass eine einheitliche Lösung nicht entwickelt wird. Die Konsequenz: SSPs investieren in entsprechende Tools, um Agenturanforderungen gerecht werden zu können, auch wenn dies originär im Aufgabenfeld der DSPs liegt. Programmatische Werbung ist insgesamt auf dem Vormarsch, 2020 soll der Markt laut Dentsu Aegis um weitere 17,7 Prozent in Deutschland wachsen, doch ist dieser Anstieg nur nachhaltig, wenn das Targeting-Versprechen eingehalten wird.

Mehr Offenheit für höhere Treffgenauigkeit

Alle Beteiligten gehen mit ihrem Datenmix sehr diskret um, welche Daten bei wem einfließen, ist Geschäftsgeheimnis. Das ist verständlich und legitim, doch um die Ineffizienzen auszumachen und zu beheben, bedarf es größerer Transparenz. Im kontextuellen Targeting kann diese durch mehr Einblick in das angebotene Inventar gewährleistet werden. SSPs stellen dies bereits sicher und übermitteln in vielen Fällen die genauen Webadressen der buchbaren Inventare in der Buchungsanfrage. Vor allem muss es aber einfacher werden, nachzuvollziehen, wie Zielgruppen bestimmt werden. Dafür stehen den DSPs dank Datensynchronisation mit Hilfe der sogenannten Buyer User ID – einer Kennung der DSP, die in die SSP integriert wird und Nutzer- und Zielgruppendaten abgleicht – bereits viele Informationen zur Verfügung. Vom Publisher über die DSP, SSP, und DMP bis hin zur Agentur sollten sich alle Anbieter innerhalb der Wertschöpfungskette intensiver austauschen, um die Ineffizienzen im Targeting zu dezimieren und Ad- und Audience Verification in Echtzeit zu ermöglichen. Dann kann programmatische Werbung wirklich treffsicher ausgeliefert werden.

Keine Daten, kein Werbemarkt? Antworten auf der Adtrader Conference

Datenschutz und restriktive Browsereinstellungen sind nur zwei Gründe, warum wir in Zukunft weniger Informationen erheben und die Identifizierung der digitalen Nutzer erschwert wird. Auf der Adtrader Conference am 19. Februar in Berlin diskutieren Branchenexperten, wie sich diese Entwicklung auf die Mediaprodukte auswirkt und welche Ersatzlösungen Anbieter parat haben.

Auch Dr. Oliver Vesper wird vor Ort sein und mit Marius Rausch (Xandr) und Hanno Stecken (Performance Media) über die Chancen und Perspektiven des Addressable-TV-Marktes diskutieren.

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Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Dr. Oliver Vesper Über den Autor/die Autorin:

Oliver Vesper ist Co-Chief Executive Officer bei smartclip Europe und seit 13 Jahren in diesem Unternehmen tätig. Seit seiner Ernennung zum Co-CEO im Jahr 2019 fokussiert er sich hauptsächlich auf Strategie, Vision und Teamkultur von smartclip. Er praktiziert einen "Lead-by-Example"-Managementstil. Als Geschäftsführer für die DACH-Region leitete er zuvor den gesamten programmatischen Online-Video-Bereich. Davor war er bis 2010 als Director für Business Development tätig und verantworte die Umsetzung und Entwicklung der Supply-Side-Strategie auf allen Kanälen. Oliver Vesper ist promovierter Betriebswirt mit dem Schwerpunkt Marketing-Controlling. Er hat diverse Lehraufträge an Hochschulen in den Bereichen Betriebswirtschaft von Medienunternehmen, Controlling und BI.

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