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PROGRAMMATIC

Marktzahlen: Ist Facebook Programmatic?

Frederik Timm, 29. November 2019
Bild: Ben Sweet; CC0 - unsplash.com

Um die Entwicklung von Programmatic Advertising einschätzen zu können, sind Marktzahlen unerlässlich. Technologie-Anbieter und auch wir als Redaktion wollen wissen, welchen Anteil Programmatic am digitalen Werbemarkt hat. Nur so lässt sich die Entwicklung des technologischen Fortschritts beurteilen. Diese Evaluation des Marktes wird jedoch durch die derzeit vorliegenden Reports und Analysen erschwert. Eine große Rolle spielt dabei die Frage, ob Social Media – und damit vorrangig Facebook – mit in die Bewertung des Programmatic-Advertising-Marktes einfließen sollte. Schließlich würde eine Inklusion der Plattform das Ergebnis stark verzerren und den Markt größer erscheinen lassen als er ist.

Laut aktuellem Zenith Programmatic Marketing Forecast werden global 69 Prozent der digitalen Medien im Jahr 2020 programmatisch gehandelt. Zu den “digitalen Medien” zählt die Agentur “alle Formen der bezahlten Werbung innerhalb von Online-Inhalten, einschließlich Banner, Online-Video und Social Media, jedoch ohne Paid Search und Classified Ads.” Mit der Inklusion von Social Media, also überwiegend Facebook, in die Programmatic Ad Spendings ist die Agentur nicht allein. So berücksichtigt Emarketer beispielsweise ebenfalls Soziale Medien im Rahmen des Programmatic Digital Display Ad Spend. In den USA würden die Werbeausgaben für Facebook und Co. demnach sogar über die Hälfte im Bereich Programmatic ausmachen.

Programmatic Advertising ist offen für alle

Programmatic Advertising ist im Grunde eine Einkaufsmethode, um Mediainventar datenbasiert und automatisiert zwischen Publishern und Werbetreibenden zu handeln. Die teilnehmenden Technologieplattformen – Demand Side, Supply Side, Data Management, Adserver – lassen sich in einem offenen Netzwerk nutzen und miteinander verknüpfen.
In den vergangenen Jahren hat sich die Technologie jedoch stark weiterentwickelt. So geht der programmatische Mediaeinkauf heute weit über die Restplatzvermarktung mittels der Open Auction hinaus. Auf Private Marketplaces, die Publisher für ausgewählte Werbetreibende anbieten, und per Direct Deal wird auch hochwertiges Inventar gehandelt. Ursprünglich rein für Display-Bannerwerbung genutzt, ist der Programmatic-Markt auch in Bezug auf die Inventarvielfalt weit über seine ursprünglichen Grenzen hinaus gewachsen. Mittlerweile können Werbetreibende neben Display-Bannern auch Video-, TV-, OTT-, Radio- und sogar Print-Inventar programmatisch einkaufen.

Zumindest in der Theorie ließen sich so die Inventare all dieser Kanäle und Formate übergreifend miteinander verknüpfen. So würde ein Werbetreibender nur eine einzige Demand-Side-Plattform benötigen, um über alle Kanäle hinweg seine gewünschte Zielgruppe über den Einkauf von Werbung auf beispielsweise Webseiten, Out-of-Home-Schirmen oder TV zu erreichen.

In der Praxis setzen jedoch viele Marktteilnehmer, sowohl auf Einkaufs- als auch Verkaufsseite, auf unterschiedliche Technologielösungen, wodurch ein fragmentiertes, aber dafür für jeden Marktteilnehmer offen zugängliches Ökosystem entsteht. Das bringt zwar Herausforderungen wie nötige Standardisierung und mangelnde Transparenz mit sich, sorgt jedoch für gesunden Wettbewerb und verhindert im Idealfall Monopole.

Walled Gardens schotten sich ab

Facebook passt nicht in dieses Bild. Die Plattform bietet ihre Medialeistung und das damit verbundene Targeting über eine eigene Buchungsplattform an und ist nicht mit den restlichen Technologie-Anbietern verbunden. Die Plattform bildet damit einen eigenen Walled Garden, eine eigenständige Lösung. Somit unterscheidet sich Facebook stark vom restlichen Programmatic-Markt. Und tatsächlich rechnet auch Zenith in ihrer Erhebung der Programmatic-Zahlen Social Media nicht in allen Märkten mit ein. So erklärt die Agentur auf Anfrage, dass in Deutschland Social Media nicht unter Programmatic fällt – in anderen Ländern sei dies jedoch anders.

Bild: Katja Reis - LinkedIn Katja Reis

Der Grund dafür ist praktischer Natur: “Hierzulande betrachten Kunden Facebook in erster Linie als Social-Media-Kanal, der eigene strategische Ziele innerhalb der Customer Journey erfüllt. Dafür stellen Kunden einen Teil ihres Mediabudgets bereit. Die Detailplanung und Exekution erfolgt bei uns über das Social-Team, die Orchestrierung mit anderen, beispielsweise programmatisch gebuchten Kanälen, erfolgt über einen gemeinsamen Beratungsansatz”, erklärt Katja Reis, Managing Director Publicis Media.

Bild: Initiative Steffen Loechel

Ähnlicher Ansicht ist auch Steffen Loechel, Project Manager Digital bei Initiative. Zur Frage, ob er Facebook als Teil des Programmatic-Ökosystems ansieht, antwortet er: “Beide Bereiche sind datengetrieben und gleichsam relevant für uns. Weil Social Media aber Walled Gardens sind, können wir etwa übergreifende Zielgruppen und kombinierte Inventare im Programmatischen besser nutzen. Deshalb unterscheiden wir zumindest momentan noch zwischen Social Media und Programmatic – und zwar in allen Märkten.”

So scheint in Deutschland eine klare Unterscheidung zwischen Programmatic und Social Media bzw. Facebook zu herrschen. Für die Klarheit von veröffentlichten Marktzahlen ist dies nur zuträglich. Schließlich verschleiert eine gemeinsame Wertung der beiden Bereiche das reale Wachstum des offenen Programmatic-Markts.

Bild: OMD Sascha Dolling

Ob Facebook nun wirklich zum Programmatic-Ökosystem zählt, kann jedoch eigentlich nur ideologisch beantwortet werden, wie Sascha Dolling, Managing Partner Data Driven Marketing bei OMD, klarmacht: “Rein technisch wird Werbung in sozialen Netzwerken unstrittig programmatisch ausgesteuert. ‘Walled Gardens’ als geschlossene Systeme, die keinen offenen, technologieübergreifenden Mediahandel ermöglichen, stehen allerdings in einem tiefen Widerspruch zum Wesen des Programmatic Advertising. Insofern lässt sich die Frage der Zuordnung nicht eindeutig beantworten. Aus Marktsicht ist eine Öffnung der ‘Walled Gardens’ für das programmatische Ökosystem geboten. So könnten diese einen echten Beitrag für das digitale Marketing insgesamt liefern.”

Facebook verzerrt das Marktbild

Für uns als Redaktion steht fast, dass Facebook zwar Programmatic als Einkaufstechnologie nutzt, jedoch für sich genommen ein eigenständiges Produkt, inklusive Targeting und Media, darstellt und damit nicht Teil des offenen Programmatic-Marktes ist.

Um aussagekräftige Marktzahlen zu gewährleisten und die tatsächliche Entwicklung von Programmatic Advertising einschätzen zu können, müssten Social Media und damit Facebook bei der Erhebung der Zahlen ausgeschlossen werden.

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