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Digitale Vermarktung: Braucht TV TKPs und Audience Targeting?

Moritz Wuttke, 22. Oktober 2019
Bild:  Serkan Turk - Unsplash, CC0

Die Sehgewohnheiten von TV-Zuschauern verlagern sich in bestimmten Altersgruppen immer mehr von linearem Fernsehen hin zu jederzeit und von überall abrufbaren, gestreamten Videos. Deshalb sind Werbetreibende dazu gezwungen, ihr TV-Budget ständig zu hinterfragen und hinsichtlich einer optimalen Reichweite und Zielgruppenabdeckung neu zu verteilen. Gleichzeitig tun sich die Fernsehsender schwer, die stagnierenden linearen Werbeeinnahmen durch digitale Budgets auszugleichen und ihr Premium-Video-Inventar für Werbetreibende attraktiver zu machen.

Denn obwohl der IAB Video Advertising Spend Report 2019 für dieses Jahr einen Anstieg der Werbeausgaben für digitale Videos um 25 Prozent prognostiziert hat, sind die Möglichkeiten, die Werbegelder in Premium Angeboten für die Bereiche TV und Video auszugeben, stark limitiert: Denn aktuell haben die beiden Plattformen Youtube und Facebook den Markt mit ihren einfachen, auf Zielgruppen basierten und hoch skalierbaren Video-Angeboten praktisch monopolisiert.

Gleichzeitig haben Fernsehsender zwar relevantes Video- und OTT-Inventar, bieten es jedoch meistens lediglich fragmentiert und ohne ein vergleichbares Zielgruppen-Targeting an. Dadurch wird das vorhandene Inventar größtenteils kaum oder unter Wert verkauft.

Wollen die Fernsehsender jedoch mit ihren größten Konkurrenten, den rein digitalen Anbietern, konkurrieren, müssen sie vor allem den Einkäufern, die bisher rein digital eingekauft haben, einen Weg aufzeigen, wie sie die Lücke zwischen traditionellem Fernsehen und digitalem Video schließen können.

Transparente und einfache Lösungen für den Erfolg

Der traditionelle Einkauf von Fernsehwerbung ist komplex. Speziell bei Premium TV- und Video-Plattformen ist er stark fragmentiert und meist sind Daten und Metriken für Käufer nur schwer einsehbar und undurchsichtig. Erst eine Vereinfachung und vollständige Anpassung an den digitalen Einkauf wird den Markt der digitalen Fernsehwerbung auch für die Sender lukrativ machen.

Eine einheitliche, plattformübergreifende Einkaufslösung könnte dem Abhilfe schaffen. Das bestätigt auch der bereits erwähnte IAB-Report: Acht von zehn Advertisern sehen in einer digitalen Plattform für TV und digitale Videos die Lösung des Problems, so der Report. Dadurch könnten die Fernsehsender ihren Einkäufern Tools und Prozesse analog zu den rein digitalen Anbietern zur Verfügung stellen, die das Planen, Einkaufen und Überprüfen ihres Inventars und ihrer Zielgruppen genauso einfach machen wie bei ihren digitalen Konkurrenten und ihren Self-Service-Plattformen. Wichtigste Voraussetzung dafür ist jedoch die Kompatibilität mit den bereits vorhandenen Währungen und Lösungen – und darin liegt oftmals die Schwierigkeit. Viele Fernsehsender haben sich lange Jahre auf ihrer Monopolstellung innerhalb des linearen Fernsehens ausgeruht. Sie waren nicht bereit, sich ihren digitalen Konkurrenten anzupassen und haben erst spät begriffen, dass sie sich dieser Entwicklung langfristig jedoch nicht entziehen können, wenn sie nicht auf wichtige und zukunftsweisende Einnahmequellen verzichten wollen.

MCN (FoxtelMedia), ein australischer Fernsehsender, hat dies erkannt und bietet mit einer optimierten, linearen TV-Plattform Einkäufern nun die Möglichkeit, auch digital einfach und transparent Inventar einzukaufen. Dazu fasst die Plattform den gesamten linearen Katalog in einer einzigen Benutzeroberfläche zusammen. Anschließend können die lokalen Zielgruppensegmente (aus den nationalen australischen Messpanels MultiView und OzTAM) gemeinsam zum Kauf angeboten werden. Mit Hilfe der Plattform kann MCN nun neue digitale Werbeformate für den gesamten Katalog seiner über 70 Kanäle auf einem einzigen Interface anbieten und gebündelt verkaufen. Dadurch werden neue Revenue Streams durch digitale Einkäufer generiert und gleichzeitig der Einkauf vereinfacht (digitalisiert).

Einführung einer einheitlichen Währung

Die Installation einer digitalen Plattform für den gleichzeitigen Einkauf von linearen und digitalen Werbeformaten ist jedoch nur der erste Schritt. Mindestens genauso wichtig ist die Vereinheitlichung der dazu verwendeten Währung. Das Messen und Optimieren der Werbung muss über alle Kanäle hinweg einheitlich erfolgen. Denn die bisher geltende Währung GRP (Gross Rating Point) oder Brutto-Reichweite sind nur für die Messung des linearen Fernsehens geeignet. Um die Effizienz von Fernsehen und digitaler Werbung jedoch miteinander vergleichen zu können und eine optimale Verteilung ihres Budgets über alle Medien hinweg zu erreichen, müssen Werbungtreibende auf einheitliche Standards zugreifen können.

Genau das hat der US-amerikanische Sender NBCU getan und vor kurzem CPMs als Währung eingeführt. Ab sofort nutzen alle lokalen TV-Sender von NBC und Telemundo statt der traditionellen Bewertungskriterien den TKP (Tausender Kontakt Preis) zur Messung des Kampagnenerfolgs. Auch ein Medienhaus in Singapur hat eine ähnliche Umstellung vorgenommen: Um eine optimale Reichweite zu kosteneffizienten Konditionen anbieten zu können, hat es für alle Medienkanäle (TV, Radio, Digital-Out-of-Home und DOOH) eine kombinierte CPV-Währung (Cost-per-View) eingeführt. Dadurch kann das Medienhaus ab sofort dynamische Anzeigenpreise und TKP-basierten TV-Einkauf sowie einen crossmedialen Media-Verkauf auf nur einer Plattform anbieten.

Verlagerung auf Zielgruppen

Ein weiteres, wichtiges Thema ist die Zielgruppenansprache. Die Zuschauer von heute können nicht mehr über nur einen Kanal erreicht werden. TV-Einkäufer benötigen deshalb eine ganzheitliche Sicht ihrer gewünschten Zielgruppe, um sie in ihrem jeweiligen Umfeld ansprechen und den Media-Einkauf effizient gestalten zu können.

Wie das funktionieren kann, hat das Beispiel MCN aufgezeigt. Durch die Zusammenarbeit von Marktforschung, lokalen Datenanbietern und Fernsehvermarktern entstand eine aggregierte und wesentlich optimiertere Übersicht über die regionalen und lokalen Zielgruppen.

Ähnlich agiert auch der amerikanische Fernsehvermarkter NCC. Im Auftrag von Cox, Comcast und Charter hat er Zuschauerdaten von fast 40 Millionen Haushalten aggregiert und vereinheitlicht, um daraus einen umfangreichen, zielgruppenbasierten Marktplatz für TV-Planung und TV-Einkauf zu entwickeln. Unter Beibehaltung der herkömmlichen Planungs-, Berichts- und Messfunktionen ist diese Plattform die erste in den USA, mit der Vermarkter ihre TV-Ausgaben basierend auf ihren individuellen Zielgruppen planen, umsetzen und optimieren können. Zusätzlich werden sie durch das Inventar zahlreicher Video-Content und Kabelanbieter skaliert.

Fernsehsender müssen lernen digital zu denken

Die Vormachtstellung der Fernsehsender, die sie vor der Digitalisierung inne hatten, ist vorbei. Werbung wird längst nicht mehr für jeden Kanal einzeln eingekauft, sondern übergreifend und basierend auf Zielgruppen geplant, optimiert und gemessen. Daran müssen sich die Fernsehsender anpassen und ihre Angebote und Lösungen digitalisieren, damit sie mit den rein digitalen Anbietern mithalten können. Eine einheitliche Währung ist dafür Grundvoraussetzung, denn nur so können Umfelder, Zielgruppen und Kampagnen bewertet und gemessen werden. Erste Beispiele aus Asien und den USA zeigen, dass eine Umstellung nicht nur möglich, sondern erfolgreich sein kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch europäische Fernsehsender erste Plattformen an den Start bringen und eine rein digitale Vermarktung anbieten.

Bild Moritz Wuttke Über den Autor/die Autorin:

Moritz Wuttke ist eine der Schlüsselfiguren im Bereich Advanced TV in Asien und Europa. Bereits seit über zehn Jahren beschäftigt er sich mit Programmatic Advertising mit Fokus auf Addressable TV. Vor IPONWEB arbeitete Wuttke als Director of Advanced TV für IMD-Honeycomb, ein Unternehmen zur Distribution von programmatischen TV-Videos sowie als Geschäftsführer Asien für die Adstream Holding. Darüber hinaus war er für internationale Unternehmen im Bereich digitale Medien tätig, darunter 24/7 Media und CPX Interactive. Außerdem war er Board Member bei mehreren chinesischen Unternehmen aus der Werbe- und Mediabranche

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