Die Einführung des Over-the-Top-Produkts (OTT) der Deutschen Telekom, Magenta TV, ist mehr als nur eine Reaktion auf die Streaming-Anbieter Netflix und Amazon. Es läutet auch ein neues Fernsehzeitalter in Deutschland ein. In dessen Zuge werden Streaming Angebote, OTT, Apps und programmatische Werbung in großem Umfang im Wohnzimmer ankommen und an Bedeutung im Haushaltstargeting zunehmen.
Sollte die Telekom mit diesem Content- und App-Angebot – das allen Kunden unabhängig vom Internetanbieter zur Verfügung steht – Erfolg haben, wäre es ein Zeichen für den Markt, stärker in ähnliche Angebote zu investieren und dem Wettbewerb aus den USA etwas entgegenzustellen. Ein weiterer Beleg für die Veränderung des Marktes war die Ankündigung, dass sich der OTT-Anbieter Magine TV von seiner schwedischen Muttergesellschaft getrennt hat, um eine unabhängige Gesellschaft in Deutschland zu werden. Diese Fortschritte der Branche lassen darauf schließen, dass OTT-Produkte hierzulande ihre Nischenexistenz hinter sich lassen und die Fusion von linear und digital gleichermaßen Zuschauern und Werbetreibenden viel zu bieten hat.
TV-Werbung je nach Zuschauer und Region
Laut Goldbach Germany sind inzwischen 80% der deutschen Haushalte mit smarten TV Geräten ausgestattet. Das Wissen um die Vorteile des internetfähigen Fernsehers setzt sich zunehmend durch, ebenso wie der branchenweite Standard HbbTV. Letzterer wird in Deutschland und Europa in den kommenden Jahren immer wichtiger werden und ist entscheidend dafür, dass Werbespots individuell an den Zuschauer angepasst werden können – und das auf Grundlage anonymer Daten. Rechtliche Grundlagen und eine gute technische Infrastruktur vorausgesetzt, können dann nicht nur wie bislang einzelne Banner sondern ganze Werbeblöcke ausgetauscht und programmatisch auf den individuellen Zuschauer und die Region abgestimmt werden. Addressable TV würde mit der flächendeckenden Einführung von HbbTV 2.0 nach Jahren vielversprechender Prognosen endlich die Reichweite des linearen Fernsehens und die Präzision der Online-Werbung vereinen.
Auf Seiten der Inhalteproduzenten gibt es inzwischen auch Veränderungen. Um nicht den Anschluss zu verlieren, konzentrieren sich traditionelle Medienhäuser zunehmend auf Partnerschaften mit anderen Sendern, Technologieanbietern und Plattformen. Die jüngste Deloitte-Studie mit den Prognosen zur Videobranche im Jahr 2030 bestätigt den Trend. „Der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit, der heute etablierten Sender und Content-Produzenten, ist der Ausbau der Digitalkompetenzen“, sagt Deloitte-Medienexperte Alexander Mogg. Gemeinsam, so die Idee, kann man den neuen Sehgewohnheiten gerecht werden und gleichzeitig mit regionaler Werbung und Premium-Video neue, genauere Methoden im Video-Marketing umsetzen.
Alte Rivalitäten hinter sich lassen
Eine Allianz, die zeigt, wie Sender alte Rivalitäten ablegen und einen europaweiten Ansatz verfolgen, ist der European Broadcaster Exchange (EBX), darunter sind Sender wie ProSiebenSat.1 (Deutschland), TF1 (Frankreich), Mediaset (Italien und Spanien) und Channel 4 (Großbritannien). EBX wurde geschaffen, um "die Anforderungen an markensichere Umfelder und qualitativ hochwertige europaweite Online-Videokampagnen mit Reichweite in großem Umfang zu erfüllen".
Das Modell ermöglicht es den teilnehmenden Senderpartnern Technologie, Forschung und Premium-Inhalte gemeinsam zu nutzen und Werbetreibenden europaweit qualitativ hochwertiges, programmatisch gehandeltes Inventar anzubieten. Langfristig soll auch anderen Medienunternehmen ermöglicht werden, ihr Inventar zur Verfügung zu stellen. Denn alles, was die Markensicherheit und die Qualität der Werbung auf diese Weise steigert, ist begrüßenswert.
Durch technologischen Fortschritt und verstärkte Zusammenarbeit in der Industrie können sowohl Sender als auch Werbetreibende profitieren. Am wichtigsten ist jedoch, dass der Verbraucher die Vorteile des neuen TV- und Video-Ökosystems mit einer größeren Auswahl an Premium-Inhalten und einem insgesamt besseren Seherlebnis nutzen kann.
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