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MARKETING ENTSCHEIDER

Marketing beim 1. FC Union Berlin: Paul Lehmann im Entscheider-Portrait

Sandra Goetz, 13. Dezember 2018
Bild: RonnyK; Cc0 - Union Berlin

Marketing für einen Fußballclub mag auf den ersten Blick einfach sein, schließlich verbindet alle Fußballfans die Liebe für den Sport und ihren Verein. In der Praxis unterscheiden sich jedoch nicht nur die Zielgruppen teils stark voneinander. Auch das sehr emotionale Umfeld birgt neben einigen Chancen auch hohes Risiko für die Marketing-Abteilung eines Vereins. Paul Lehmann vom Traditionsclub Union Berlin spricht mit ADZINE über Herausforderungen und Trends im Fußball-Marketing.

„Eisern Union“ schallt es von den Rängen, wenn im Stadion An der Alten Försterei der Ball rollt. Der traditionelle Schlachtruf der Anhänger des 1. FC Union Berlin stammt noch aus den Gründungsjahren des Vereins und ist eng verbunden mit dem Industriestandort Oberschöneweide und den Schlosserjungs von der Wuhlheide.

Seit 1998 ist „Eisern Union“ auch als die Vereinshymne des Fußballclubs aus Berlin-Köpenick bekannt, eingesungen von der ewigen Punkikone Nina Hagen. Ähnlich bewegt wie das Leben der gebürtigen Ostberliner Kultsängerin ist auch die Vereinsgeschichte des 1. FC Union Berlin, der es zum Kultstatus gebracht hat. Mit über 21.000 eingetragenen Mitgliedern ist Union ein bedeutender Bestandteil der Sportstadt Berlin und einer der 25. mitgliederstärksten Deutschlands. – Eine Leistung, wenn man weiß, dass noch im Jahr 2006 die offizielle Statistik 4.200 Mitglieder ausgewiesen hat. Hinter dem HSV und dem 1. FC Köln steht Union aktuell auf Rang drei der Zweitligatabelle. Zwei Spiele stehen noch aus, um weitere Punkte zu holen und um ungeschlagen in die Winterpause gehen zu können.

Bereits in Weihnachtsstimmung ist Paul Lehmann, Digital Sales Manager des Clubs. – Schließlich bewirbt dieser digital das traditionelle Weihnachtssingen mit Fans und Freunden, das am 23. Dezember stattfindet und mit weit über 20.000 Teilnehmern als größter Weihnachtschor Deutschlands gilt. Paul Lehmann: ein Portrait.

Werdegang

Bild: Union Berlin Presse

Paul Lehmann wurde kurz vor der Wende 1988 in Ostberlin geboren. Nach dem Abitur 2008 machte Lehmann eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei der GASAG AG, einem örtlichen Energieunternehmen. Bereits hier begann sich der Berliner für das digitale Marketing zu interessieren und machte ab 2011 erste Digitalschritte in Richtung seiner späteren Profession: zuerst im Online-Vertrieb, dann im Kommunikationsbereich zuständig. Im Sommer 2016 ging es zu 1. FC Union Berlin, wo der heute 30-Jährige als Digital Sales Manager in einem kleinen Team arbeitet und für die Webseite und den Onlineshop zuständig ist. Indirekt verantwortet der Vertriebsexperte auch noch das digitale Sponsoring, z. B. Content-Marketing-Partnerschaften.

Was ist das Spannende am digitalen Marketing?

„Ich finde die Schnelligkeit, die wir im Online-Marketing haben, spannend. Man kann nie sagen, dass man alles weiß. Das Gute daran ist, dass man sich hier Freiräume erarbeiten kann und wenn man sich für ein bestimmtes Thema interessiert, tiefer einsteigen und mit Kollegen und Mitstreitern auch aus anderen Vereinen austauschen kann“, sagt Paul Lehmann.

„Das weiß ich heute wirklich zu schätzen; ich kann anrufen und fragen: ‚Mensch, wie hast du das denn gemacht mit der Google-Kampagne?‘, oder fragen, wie es bei einem Kollegen gelaufen ist“, fügt der Berliner ergänzend hinzu. Eine Rivalität, wie diese manchmal auf den Rängen stattfindet, gibt es im Organisatorischen nicht.

Auch das Verhältnis zu Hertha BSC sei auf der Arbeitsebene freundschaftlich und hilfsbereit. „In Sachen digitales Marketing ist Hertha ein Vorreiter der Liga“, sagt Lehmann anerkennend.

Spannend findet Lehmann – wie alle digitalen Marketer –, dass man durch die Messbarkeit und die Insights „sofortiges Feedback“ von den Fans bekommt. Wichtig ist das für die eigene Arbeit, schließlich könne man mit seiner Annahme richtig, aber auch falsch liegen. „Wenn man falsch lag, muss das adaptiert werden, Erfahrungen draus gezogen und verändert werden. Das macht mir am meisten Spaß in der Branche“, so Paul Lehmann.

Welche Herausforderungen hat der Fußballclub?

Von der Historie her ist der 1. FC Union Berlin e. V. ein Ostberliner Fußballverein. Auch wenn die Fans aus allen Teilen der Stadt kommen und heterogen sind, gibt es laut Lehmann die „Erzkonservativen“, die seit Jahren ihre Dauerkarte und eine genaue Vorstellung davon haben, wie der Verein samt Ansprache sein soll. Auf der anderen Seite gäbe es aber auch die Zugereisten, die sich für den Verein begeistern. „Wie erwirbt dieser seine Tickets, wie sprechen wir auch diese Zielgruppe an, ist eine unserer Kernfragen und Aufgaben“, sagt Lehmann, schließlich solle keine der Zielgruppen vernachlässigt werden.

Eine weitere Herausforderung sei die absolute Abhängigkeit vom Sport, die sich auf die Nachfrage auswirke. Wenn sich die Stimmung bei Fans und Interessierten ändert, „sind wir in einer besonderen Situation, weil wir uns in einem sehr emotionalen Umfeld befinden. Das ist Chance und Risiko zugleich“, weiß der Digital-Sales-Experte.

Die Änderungen der Algorithmen im Social-Media-Bereich sind eine der Veränderungen, die für Paul Lehmann in diesem Jahr besonders relevant waren. Einen weiteren Trend sieht Lehmann beim Shift zum Bewegtbild-Content: „Dieser Content wird jetzt sowohl von den Plattformen honoriert wie auch von den interagierenden Fans. Auch deswegen versuchen wir viel mehr als noch in der Vergangenheit in den Bereich Bewegtbild-Content zu investieren.“

Weniger als Trend denn als Fazit konstatiert Paul Lehmann eine Veränderung im Verhalten der Fans und potentiell Interessierten: „Wir und andere Vereine beobachten, dass die Fans nicht mehr automatisch zu uns kommen. Das Nutzerverhalten verändert sich. Für uns heißt dass, das wir einen anderen, auch neuen Aufwand betreiben müssen, um die Fans zu uns zu ziehen und von uns zu begeistern.“

Was wird Trend 2019?

Für Paul Lehmann steht das neue Jahr ganz klar unter dem Stern der „Personalisierung“. Die Fans und Nutzer sind bequemer geworden. Sie haben eine hohe Erwartung an ihre Clubs. „Personalisierte Werbemittel, personalisierte Ansprache. Zur richtigen Zeit mit der richtigen Ansprache aufzuwarten wird immer bedeutender werden“, so Lehmann.

Für sich selber wünscht sich Paul Lehmann, dass er samt dem kleinen Team, mit dem er zusammenarbeitet, „Union online für jedermann erlebbar“ machen kann. „Union hat so viel zu erzählen. Hier ist so viel Energie vorhanden. Diese gilt es dem Fan und Interessierten aufzuzeigen und näherzubringen. Aber: Wir sind nicht Zalando oder ein anderes Digitalunternehmen, die zig Leute in ihren Marketingabteilungen sitzen haben, unsere Personalstärke heißt 2,5. Wir werden nie First Mover sein, aber Early Adopter zu sein ist schon unser Anspruch“, sagt Lehman.

Mit dem traditionellen Weihnachtssingen, das ursprünglich von „89 Verrückten“ halblegal mit Glühwein und Gebäck im Stadion An der Alten Försterei anno 2003 begann, ist der Verein auf alle Fälle mehr als ein Early Adopter. Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der Sänger und Sängerinnen.

Seit Weihnachten 2015 erfüllen die Stimmen von über 28.000 Menschen das eiserne Wohnzimmer. Das wird auch Weihnachten 2018 nicht anders sein, denn das Weihnachtssingen ist inzwischen ein generations- und vereinsübergreifendes Ereignis. – Das soll ihnen erstmal einer nachmachen … First Mover, Eisern!

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