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SOCIAL MEDIA

Panikmache? Verbraucherzentrale schaltet Facebook-Fanpage ab

Jens von Rauchhaupt, 28. Juni 2018
Bild: Monkey Business - Adobe Stock

Verbraucherzentralen haben eine Leuchtturmfunktion, sei es für die Verbraucher, aber auch für Unternehmen und Marken, wenn es um rechtliche Fragen geht. Nun hat die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein heute, am 28. Juni, ihre Facebook-Fanpage deaktiviert. Die Verbraucherschützer begründen dies mit dem EuGH-Fanpage-Urteil vom 5. Juni 2018 und den dazu formulierten Stellungnahmen der Datenschutzbehörden. Reine Panikmache oder eine zwingend notwendige Maßnahme, um sich rechtskonform zu verhalten und Abmahnungen zu entgehen? Sollten also Unternehmen und Medien nun ebenfalls ihre Fanpages schleunigst deaktivieren?

Am 5. Juni entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Betreiber einer Facebook-Fanpage für die dort stattfindende Datenverarbeitung datenschutzrechtlich mitverantwortlich sind. Die deutschen Aufsichtsbehörden weisen darauf hin, dass nach dem Urteil des EuGH dringender Handlungsbedarf für die Betreiber von Fanpages besteht, und gaben dazu einige Empfehlungen für Fanpage-Betreiber heraus.

Da Facebook seine eigene Datenschutzrichtlinie bis zum heutigen Tag (Stand: 28. Juni 2018) noch nicht dem EuGH-Urteil angepasst hat, stellt sich die Frage, ob Unternehmen dem Beispiel der Verbraucherschützer nun zwingend folgen sollten. Der ADZINE-Redaktion liegen bereits einige Beispiele vor, wo kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch Sportvereine aufgrund der Entscheidung des EuGH, aber auch durch den Entschluss der Verbraucherzentrale ins Grübeln gekommen sind und ihre Fanpage sicherheitshalber deaktiviert haben. Wie viele Fanpages inzwischen in Deutschland „unten“ sind, wollte oder konnte Facebook auf unsere Anfrage nicht sagen.

Facebook will „in Kürze“ die Änderungen der eigenen Datenschutzrichtlinie umsetzen, um laut Facebook „die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben für die Seitenbetreiber zu erleichtern“. Das soziale Netzwerk wäre gut beraten, diese Anpassungen wirklich schnell vorzunehmen. Das befindet auch Prof. Dr. Ralf E. Strauß, Präsident des Deutschen Marketing Verbands: „Es wäre wünschenswert, wenn Facebook schnellstens die Situation klärt. Es ist die Aufgabe des US-Konzerns, seinen Kunden Rechtssicherheit zu bieten. Der Ansatz, dass Unternehmen, die kommerzielle Fanpages betreiben, die Verantwortung für die Datenverarbeitung mittragen sollen, ist ja vielleicht noch nachvollziehbar. In der Praxis aber können Fanpage-Betreiber keinerlei Einfluss auf die Datenverarbeitung des Social-Media-Anbieters nehmen – es ist vor dem Hintergrund vollkommen realitätsfern, diese dennoch in die Verantwortung zu nehmen. Die Auseinandersetzung darf nicht auf dem Rücken der Nutzer ausgetragen werden, nur weil nicht in ausreichendem Maß gegen die Anbieter vorgegangen werden kann.“ Der Markenverband schaltet übrigens seine eigene Facebook-Fanpage zunächst nicht ab, auch wenn das momentan „die einzige, rechtskonforme Lösung wäre“, wie Verbandsvorstand Michael Vagedes sagt.

Letzteres sieht die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein so, was wiederum bei Branchenvertretern wie Christopher Reher, Projects & Privacy Director bei der Demand-Side-Plattform (DSP) Platform 161 und Datenschutzexperte im BVDW, Kopfschütteln verursacht. Reher spricht in diesem Zusammenhang von einem „völlig falschen Signal der Verbraucherzentrale“, das nur darauf abziele, die Menschen unnötig zu verunsichern. Der IT-Fachanwalt Martin Schirmbacher von Härting Rechtsanwälte in Berlin sieht nach der EuGH-Entscheidung kein deutlich gestiegenes Risiko, das den Entschluss der Verbraucherzentrale rechtfertigen würde. „Der EuGH hat nicht entschieden, dass die Datenverarbeitung durch Facebook rechtswidrig ist. Das ist die Beurteilung der Verbraucherzentrale, die diese auch vor dem EuGH-Urteil schon so hätte treffen können. Der EuGH hat nur entschieden, dass auch die Fanpage-Betreiber für die Datenverarbeitung mitverantwortlich sind. Das war nicht eindeutig, vieles sprach aber dafür, dass das so entschieden werden würde. Insofern muss sich die Verbraucherzentrale fragen lassen, warum sie ihre Seite nicht schon vorher abgeschaltet hat.“

Drohen jetzt Abmahnungen? Ja oder nein?

Martin Schirmbacher

„Abgemahnt werden kann man immer“, sagt Schirmbacher. Der Fachanwalt sagt aber auch: „Aus meiner Sicht besteht dafür derzeit aber kein erhöhtes Risiko. Die Verbraucherverbände werden abwarten, wie das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht weitergeht. Wettbewerber haben mit Abmahnungen wegen angeblicher Datenschutzverstöße schlechte Karten. Nicht jeder Datenschutzverstoß ist auch ein Wettbewerbsverstoß. Schließlich sind die Datenschutzbehörden derzeit hoffnungslos überlastet. Auch dort wird man andere Sorgen haben als Facebook-Pages.“ Der kleine Dorfverein oder der Bäcker von nebenan hat also zunächst einmal wenig zu befürchten. Aber was können Fanpage-Betreiber nun proaktiv tun, wenn sie ihre Site nicht deaktivieren wollen? Reicht nicht einfach der Verweis im Impressum auf die Facebook-Datenschutzrichtlinie, wie überall zu lesen ist? Martin Schirmbacher gibt drei konkrete Empfehlungen ab:

  • Es bedarf einer Datenschutzerklärung, die nach bestem Wissen und Gewissen erläutert, welche Daten zu welchem Zweck erhoben und verarbeitet werden.Darin sollte auch auf die eigene Zugriffsmöglichkeit eingegangen werden und ein Hinweis auf die gemeinsame Verantwortlichkeit erfolgen. Außerdem ist in der Tat ein Link auf die Datenschutzhinweise von Facebook zu machen. Wir empfehlen, dass in den von Facebook vorgesehenen Link. „Datenschutzrichtlinie“ zu integrieren und von dort auf eine gesonderte Seite auf der eigenen Website zu verweisen.
  • Wenn die These des EuGH von der gemeinsamen Verantwortlichkeit stimmt, ist mit Facebook eine Vereinbarung über die gemeinsame Verantwortlichkeit für die Daten zu schließen. Meine Prognose ist, dass Facebook eine solche Vereinbarung in den nächsten Wochen ausrollen wird. Bis dahin muss es ohne einen solchen Vertrag gehen.
  • Man sollte natürlich die weitere Entwicklung im Auge behalten. Mehren sich tatsächlich Abmahnungen, kann man immer noch reagieren. Außerdem ist zu überlegen, inwieweit das für andere Plattformen, die eine eigene Gestaltung der Präsentation und eigene Auswertungsmöglichkeiten bieten, nicht genauso ist. Für YouTube, Twitter und Instagram wird wohl das Gleiche gelten. Auch eBay, Amazon oder Immobilienscout müssen prüfen, wer eigentlich für die Datenerhebung auf den Seiten der Kunden verantwortlich ist und was daraus folgt. (Zu diesem Thema haben Härting Rechtsanwälte ein Webinar angefertigt, das über diesen Link abrufbar ist.)

Deaktivierung der Facebook-Fanpage

Fanpage-Betreiber können ihre Site auf Facebook recht unkompliziert über die Funktion „Deaktiviere Dein Konto“ in den Kontoeinstellungen ruhen lassen. Die Fans bleiben dem Betreiber dabei erhalten, versicherte uns eine Pressesprecherin von Facebook in Hamburg. Mehr Infos gibt es dazu hier:

Fazit

Fanpage-Betreiber befinden sich derzeit in einem völlig rechtsunsicheren Raum. Abmahnungen sind indes kaum zu befürchten. Wer sich aber völlig datenschutzkonform verhalten will, sollte seine Fanpage in der Tat vorübergehend deaktivieren, bis Facebook die Datenschutzrichtlinie angepasst hat und jedem damit klar wird, welche weiteren Schritte vorzunehmen sind.

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