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Glomex jagt den Mid- und Long-Tail

Jens von Rauchhaupt, 11. Mai 2017
Adobe Stock Bild: fredmantel

Wunderlich ist das schon, wenn auf den Privatsendern der ProSiebenSat.1-Gruppe TV-Werbung für das Tochterunternehmen Glomex ausgestrahlt wird. Welcher ProSieben-Zuschauer interessiert sich denn für eine Video-Exchange? Aber vielleicht macht das Ganze doch Sinn, wenn man sich das Ziel von Glomex vor Augen führt. CEO Michael Jaschke setzt auf Reichweite und will es mit Facebook und Google aufnehmen. Dafür muss er möglichst viele Publisher – und seien sie noch so klein – für sich gewinnen.

Adzine: Herr Jaschke, was ist Glomex genau und an wen richtet sich Ihr Angebot?

Michael Jaschke: Die Glomex Exchange-Plattform ist ein Marktplatz für Premium-Bewegtbildinhalte. Hier haben auf der einen Seite Content-Inhaber die Möglichkeit, ihre Videos zu hinterlegen und auf der anderen Seite können Publisher diese Videos auf ihrer Seite einpflegen. Wir lassen auf unserer Plattform nur Premium-Inhalte, das heißt hochwertig produzierte Inhalte, zu.
Die Content Owner müssen dabei jedoch nicht zwangsläufig Studios sein. Unter unseren derzeit knapp 35 Content-Inhabern sind sechs von ProSiebenSat.1. Auf Seiten der Publisher, also derjenigen, die die Inhalte auf ihren Webseiten einbinden, haben sich bisher circa 180 registriert. Unser Angebot richtet sich an alle Publisher, insbesondere aber auch an kleinere aus dem Mid- und Long-Tail-Bereich.

Adzine: Handelt es sich bei den Publisher-Partnern nur um Angebote aus Deutschland?

Jaschke: Knapp 90 Prozent unserer Publisher stammen derzeit noch aus der DACH-Region. Die Expansion in Europa läuft jedoch auf Hochtouren. Wir haben bereits Content Owner aus Italien und UK auf der Exchange-Plattform und sind dabei, Märkte wie Portugal und Griechenland zu erschließen. Inhaltlich spezialisieren wir uns auf bestimmte Verticals, wie Lifestyle, Food oder Auto. Ein großer Pool kommt aufgrund unserer Herkunft natürlich aus dem Bereich Entertainment. Im Autosegment haben wir uns ebenfalls bereits etabliert – mit Stolz können wir sagen, dass wir in Deutschland einer der größten Content-Aggregatoren in diesem Bereich sind.

Michael Jaschke

Adzine: Passen Sie ihre Inhalte auch für die mobile Nutzung an?

Jaschke: Inhaltlich verändern wir die Videos, die ein Lizenzgeber auf unseren Marktplatz stellt, nicht. Wir optimieren über unsere Delivery-Infrastruktur, die mit dem Gartner Award ausgezeichnet wurde, beispielsweise aber die Auflösung, so dass das Video für das jeweilige Endgerät ideal ausgespielt wird. Die Länge der Videos variiert zwischen 20 Sekunden und 18 Minuten. Der Durchschnitt liegt bei 2 bis 2 ½ Minuten. Wir nennen das snackable Content.

Adzine: Wie verdient Glomex mit der Exchange Geld - was ist also Ihr Geschäftsmodell?

Jaschke: Unser Geschäftsmodell ist vergleichbar mit AirBnB – ohne auch nur ein Hotel zu besitzen, ist AirBnB der größte Hotelzimmer-Provider. So funktioniert Glomex – wir sind ein Marktplatz für Videoinhalte, ohne dass sie uns gehören oder wir Ausspielungskanäle betreiben. Um unsere Dienste, also Auslieferung, Rechtemanagement, Fraud Prevention und Monetarisierung, in Anspruch zu nehmen, müssen Content-Owner und Publisher weder Set-up noch Fixed Fees bezahlen. Wir monetarisieren uns komplett über die Werbung auf Basis eines Revenue Share-Modells.

Adzine: Viele Publisher haben bereits eigene Video-Player-Lösungen, bei Auslieferungen über Glomex kommt dann aber immer Ihr Player zum Einsatz?

Jaschke: Richtig, wir haben einen Embed-Player, der auf unserem Portal konfiguriert werden kann, damit er optimal in die Umgebung der jeweiligen Webseite passt.

Adzine: Könnte eine IP Deutschland theoretisch auch an der Glomex Exchange andocken?

Jaschke: Selbstverständlich! Wir stellen uns ganz bewusst als unabhängiger, neutraler Marktplatz auf. Da wir keine Content-Rechte besitzen, haben wir diesbezüglich auch keinen Interessenskonflikt. Wir wollen uns bewusst von zentralistischen Aggregatoren wie Youtube und Facebook absetzen. Die beiden machen gut 55 Prozent der Videoreichweite in Europa aus. In den USA waren Google und Facebook im letzten Jahr für 99 Prozent des Wachstums in der Vermarktung von Video-Content verantwortlich. Wir bieten dazu eine Alternative, bei der Umfeld und Video besser zusammenpassen.

Adzine: Keine Sorge, dass das Kartellamt was dagegen haben könnte?

Jaschke: Nein, warum? Glomex ist eine unabhängige Tochter von ProSiebenSat.1, ohne Anteile von RTL oder einem anderen Medienhaus.Und: unsere Geschäftsbedingungen sehen vor, dass jeder Content-Owner seine eigene Vermarktungslösung mitbringen kann. Ein großer Publisher bringt sein eigenes Vermarktungshaus mit. Bei Content-Häusern, die keinen Vermarkter haben, übernehmen wir diese.

Adzine: Wie wollen Sie es nun mit YouTube und Facebook aufnehmen?

Jaschke: Im Gegensatz zu Youtube und Facebook können wir die Inhalte an eine wesentlich spitzere Zielgruppe ausliefern, da die Videos bereits in einem speziellen Umfeld abgespielt werden. Wir fokussieren uns bei glomex sehr viel stärker auf das intent-getriebene Konsumieren von Informationen als es bei Youtube und Facebook der Fall ist.

Adzine: Gibt es auch spezielle themenübergreifende Zielgruppen, die sie anbieten?

Jaschke: Wir arbeiten an einer Lösung, bestimmte Audience-Gruppen zu targeten. Bisher können wir Zielgruppen basierend auf Content, Umfeld und Gerät, über das der Content konsumiert wird, unterscheiden. Unser Entwicklungsteam erarbeitet derzeit eine Vielzahl von datenschutzkonformen Targeting-Optionen, die sehr viel umfangreicher sind als das, was Werbetreibende heute nutzen. Auch in Hinblick auf die Datenschutzrichtlinie der EU, die 2018 in Kraft treten und das so genannte Third-Party-Cookie unterbinden soll, ist unser Targeting sicher.

Adzine: Sie arbeiten also nicht mit Cookies?

Jaschke: In dem Rahmen, in dem es heute möglich ist, arbeiten wir noch mit Cookies. Wenn diese per Gesetzgebung nicht mehr möglich sind, stellt es für uns trotzdem kein Problem dar, da wir ja bereits wissen, welcher User-Typ auf welcher Webseite ist. Je kleinteiliger die Webseite, desto besser kann man die Zielgruppe targeten. Das können die großen Aggregatoren nicht leisten.

Adzine: Ist ein Frequency Capping über die verschiedenen bespielten Seiten möglich?

Jaschke: Das ist möglich, liegt aber eher in der Zuständigkeit der Adtech des jeweiligen Sales-Hauses. Bei uns herrscht das Erstvermarktungsrecht. Die SevenOne Media hat die Erstvermarktungsrechte für ProSiebenSat.1-Inhalte und für Content, der sonst keinen Vermarkter hat. Erhält der Erstvermarkter eine Werbeanfrage und kann diese nicht bedienen, geht die Anfrage zurück zu uns und wird programmatisch vermarktet. Wir arbeiten hierfür mit Yieldlab, aber auch anderen SSPs zusammen – in Deutschland zum Beispiel auch mit FreeWheel/StickyAds. Niemand bekommt exklusive Vermarktungsrechte.

Adzine: Eine Vermarktung über Google ist wohl ausgeschlossen?

Jaschke: Wir sind an agnostischen Lösungen interessiert und somit an Ansätzen, die die besten TKP-Preise bieten. Würden wir über Googles AdX eine gute Vermarktung erzielen, würden wir auch das tun. Letztlich sind wir unseren Partnern, den Content Ownern und Publishern, verpflichtet. Natürlich sind wir dennoch mit Google beziehungsweise Youtube im Wettbewerb.

Adzine: Die Agenturen wollen heutzutage immer mehr Tracking-Tools einsetzen, das User-Engagement analysieren. Ist das etwas, das Sie dann auch zulassen?

Jaschke: Wir setzen einen der namenhaften Ad Verification-Anbieter ein und tracken jede Ad nach Sichtbarkeit, Brand Safety, Ad Fraud. Unsere Lösung ist zudem immun gegen Ad Blocking. Allerdings sind wir sehr darauf bedacht, die Nutzererfahrung nicht zu beeinträchtigen. Dazu bieten wir ebenfalls verschiedene Möglichkeiten an.

Adzine: Immer mehr Publisher setzen mittlerweile auf Outstream und fahren dadurch zunehmend mehr Gewinne ein. Sehen Sie Outstream als Bedrohung oder denken Sie, dass Ihre Lösung trotzdem funktionieren kann?

Jaschke: Das Outstream-Modell ist sicherlich ein Modell, das für den User nicht optimal ist, da für ihn eine reine Werbeform hinzukommt. Wir werden in Kürze ein Produkt launchen, das Content im Outstream-Format anbietet. Wir haben auch Lösungen, die geblockte Ads identifizieren und Content an den so frei gewordenen Stellen in die Webseiten einfügen – wir nennen das Content Plugins. Die User Experience steht dabei für uns immer im Vordergrund.

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