Eine der größten Herausforderungen für die TV-Branche wird es sein, die Programme digital genauso erfolgreich wie im Linearen zu monetarisieren. Dafür werden TV-Vermarkter die Qualität vom Premiumvideo deutlicher machen und mit Dynamic Ad Insertion (DAI) und holistischem Yield Management umzugehen lernen müssen.
Höhere Engagementwerte
Der kontinuierliche Aufbau der Distribution von TV-Inhalten über Web, Mobile, Over-the-Top (OTT) und Set-Top-Boxen ermöglicht ein exponentielles Wachstum von Premiumvideo über anhaltend sichtbare, betrugsfreie und werbefreundliche Umfelder hinweg. Dies wird im Thesenpapier „The Unrivaled Value of Premium Video“ deutlich belegt, den das FreeWheel Council for Premium Video (FWC), ein Zusammenschluss führender US-TV-Sender und Netzbetreiber (u. a. ABC, A+E Networks, Comcast, Discovery Communications, ESPN und Fox), kürzlich vorgestellt hat. Laut einer Marktanalyse in Zusammenarbeit mit dem Video-Analytics-Spezialisten MOAT erzielt Premiumvideo 38 Prozentpunkte mehr „Engagement“ als Nicht-Premiumvideo-Angebote. Über die „Engagement“-Metrik von MOAT wird ausgewertet, ob eine Videowerbung über die ganze Länge hinweg gut hör- und sichtbar war.
„Budgets folgen noch nicht Zuschauern“
Kunden wie Louis Paskalis, Senior Vice President and Enterprise Media Executive der Bank of America, haben das erkannt und setzen ganz klar auf Premiumvideo. „Es handelt sich dabei nicht um eine Return-on-Sales-Entscheidung, sondern um eine, die wir mit dem Return-on-Relationship begründen,“ betont er im FWC-Thesenpapier. Bei „Return-on-Relationship“ wird analysiert, wie eine Marke an Relevanz und an unterscheidungsrelevanten Merkmalen gewinne und wie sich dies in der Folge auf die Geschäftsergebnisse auswirke. Die bisherige Branchenrealität zeigt aber ein anderes Bild. In der Tat, „Fernsehen auf neuen Plattformen wird immer bedeutender, jedoch folgen die Budgets noch nicht so schnell den Zuschauern“, kommentiert Pooja Midha, Senior Vice President Digital Ad Sales and Operations beim FWC-Mitglied ABC.
Was müssen also TV-Vermarkter tun, um dies zu verändern? Zum einen gilt es, die Vorteile von Premiumvideo in Richtung Mediaagenturen und Werbekunden deutlicher und sichtbarer zu machen. Das Council for Premium Video ist eine der vielen Initiativen, die sich genau dieses Ziel auf die Fahne geschrieben haben.
Datengestützt zum Ziel
Zum anderen müssen Premiumvideovermarkter ihr Inventar weiter ausbauen und qualitativer, das heißt vor allem targetable, machen. „Dynamic Ad Insertion“ (DAI) auf Live-TV spielt dabei eine bedeutende Rolle. Bei DAI wird das lineare TV-Signal manipuliert, das in Simulcast auf Web, Mobile oder OTT gesendet wird, um die TV-Werbung durch digitale Werbung auszutauschen. Wenn darüber hinaus dieses Videoinventar dank gut gemanagten Audience-Daten als Targeted Impressions angeboten wird, können Publisher deutlich höhere TKPs verlangen, wobei die Zuschauer Werbespots zu sehen bekommen, die besser auf sie zugeschnitten sind. Wie die Zahlen aus FreeWheels Video Monetization Report Quartal für Quartal zeigen, macht digitale Werbung auf Live-TV in Ländern wie den USA inzwischen über ein Drittel der gesamten Premiumvideowerbung aus. In Deutschland ist dies wiederum durch die hiesige Fernsehregulierung zurzeit kaum möglich. Das verhindert letztendlich die nationale TV-Industrie in ihrer zukunftsfähigen Entwicklung und stellt sie schlechter gegenüber der neuen Konkurrenz aus den GAFAs (Google, Amazon, Facebook, Apple, ...), die kein Geheimnis daraus machen, die TV-Werbebudgets im Visier zu haben.
Zum Schluss müssen TV-Vermarkter erfolgreich ihren starken Direktvertrieb mit dem zunehmend an Bedeutung gewinnenden Programmatic-Vertrieb kombinieren. Ein solches „Holistic Yield Management“ wird es ihnen ermöglichen, sowohl ihre Kunden besser zu bedienen – Targeted-Impressions werden ja meist programmatisch abgewickelt – als auch das meiste aus ihrem vielfältigen Inventar zu holen, wenn direkt verkaufte gegen auktionsbasierte verkaufte Kampagnen konkurrieren können.
Programmatisch, aber mit Blick auf Qualität
Aber dabei dürfen TV-Vermarkter nicht ihr größtes Alleinstellungsmarkmal gefährden: nämlich die Qualität. Durch die starke Regulierung des Fernsehens haben sich sehr strenge „Compliance“-Regeln etabliert, worauf das Vertrauen in TV zum großen Teil auch fundiert ist –bei Werbekunden und Zuschauern gleichermaßen. Beispiele für Compliance sind, dass ein Werbespot nicht zweimal hintereinander zu sehen ist oder dass der Hauptsponsor eines TV-Programms sicher sein kann, dass keiner seiner Wettbewerber auf dieses Programm mit werben darf. Inventar darf nur mit programmatisch verkauften Kampagnen belegt werden, wenn keine direkten Konflikte mit diesen Compliance- und Qualitätsregeln auftauchen – sonst wird der Wert von Premiuminhalten untergraben. Und da wären wir zurück beim ersten Punkt. Premiumvideo entsteht auch aus einem qualitativem Werbeerlebnis, wovon alle Parteien profitieren: Sender, Werbekunden und schließlich auch die Zuschauer. Ein echter circulus virtuosus.
Nur wenn die Premiumvideoindustrie, sowohl sell-seitig als buy-seitig, den Präzedenzfall durchsetzt, dass nicht jedes Video gleich ist, wird sie in der Lage sein, den vollen Wert der Werbebotschaft auszuschöpfen – eine Botschaft, die nicht nur auf einer Vielzahl von Bildschirmen ausgestrahlt wird. Sondern eine, die lineare TV-Erlebnisse widerspiegelt und auf ein hochskalierbares, interessiertes Publikum trifft.