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ADTECH

Die Metamorphose der Adserver

Hendrik Kempfert, 16. März 2016

Die erste Blüte der Adserver fand größtenteils rund um die Jahrtausendwende statt, zu einer Zeit, als Forrester eine 74-prozentige Online-Werbeausgabensteigerung mit dem „Streben der traditionellen Werbekunden in das Internet“ begründete. Was waren das noch für Zeiten, als wir ins Internet strebten und noch nicht in ihm lebten.

Bild: eugenesergeev - Dollarphotoclub.com

Wie alles begann

Ursprünglich nutzten Agenturen und Werbetreibende den Adserver des Publishers und vertrauten darauf, dass er für sie sinnvolle Ergebnisse erzielte. Der Vermarkter hatte dabei die Schwierigkeit, auf den effektiven Tausender-Kontakt-Preis (eTKP) hin optimieren zu müssen. Dies war gerade im werbe- und umsatzstärksten vierten Quartal besonders schwierig, sodass Vermarkter sogar Optionen ablehnen mussten, da sie kein Werbeinventar mehr besaßen. Ärgerlich, da sie ja bereits wussten, dass es im ersten Quartal schon wieder anders aussehen konnte. Sie mussten also Yield-Optimierung betreiben, um ihre Erlöse für Inventarbelegungen zu maximieren.

Mit dem „Streben der traditionellen Werbekunden in das Internet“ und den wachsenden Online-Werbeausgaben wuchsen erste Zweifel. Agenturen und Advertiser waren sich nicht immer sicher, ob die Werbebotschaften auch im gebuchten Umfeld ausgespielt wurden. Eine Kontrollinstanz sollte her und so wurde auch ein Adserver für Agenturen und Advertiser notwendig. Letztlich gewannen Adserver also vor allem deshalb an Relevanz, weil Werbetreibende genau wissen wollten, ob ihr Geld gut investiert ist und ihre Zielgruppe, wie vom Vermarkter versprochen, auch in der gebuchten Anzahl erreicht wurde.

Evolution des Adservings

War ein Adserver anfangs noch vorrangig Mittel zum Zweck, um „eindimensionale“ Banner auf den Webseiten auszuspielen, änderte sich dies, als er neben Standardwerbemitteln auch Rich-Media-Formate ausspielen sollte. Denn Advertiser forderten zunehmend Werbemittel, um ihre Marke zu bewerben, also Inhalte, die optisch und akustisch um Video, Audio und Animation ergänzt wurden. Entsprechend wollten Advertiser aber auch nicht mehr nur wissen, wo ihr Mediabudget hineinfließt und ob die Zielgruppe erreicht wurde, sondern auch, wie sichtbar die Werbebotschaften sind. Der Adserver bekam immer mehr Features, um solche Vorgaben erfüllen zu können, zum Beispiel die Sichtbarkeit oder Interaktionen des Users mit dem Werbemittel technisch messen zu können. Später kam die Zeit hinzu, also wie lange eine Einblendung sichtbar war und wie lange der Nutzer sich mit dem Werbemittel auseinandergesetzt hatte. Auf diese Weise mussten Adserver immer mehr Referenzdaten mitmessen.

Über die Jahre kamen zusätzliche neue Kanäle hinzu. Der Smartphonehype führte dazu, dass Nutzer immer häufiger mobil surften. Somit entdeckten auch immer mehr Advertiser Mobile als Werbekanal für sich. Zunächst noch als Kanal mit viel Potenzial gesehen, sprechen wir mittlerweile über Mobile first. Teilweise wird der mobile Kanal sogar vom Second zum First Screen. Immer dabei, der Adserver, der ausliefert und für den Kunden mitmisst.

An dieser Stelle kam das Thema User-Journey-Analyse ins Spiel, denn die gesammelten Daten ermöglichten genauere Aussagen zum richtigen Werbemix. Zwar steckte die User-Journey-Analyse damals noch in den Kinderschuhen, aber das datengetriebene Marketing war geboren. Und mit der Zunahme der Daten – Big Data – konnte man plötzlich tiefer in seine Zielgruppen eintauchen und diese feingranularer definieren. Das Targeting trat seinen Siegeszug im Adserving an und erlaubte es Advertisern plötzlich, sehr lokale, sehr spezifische oder sehr interessierte Zielgruppen zu erreichen. Durch die Verknüpfung mit eigenen Kundendaten oder Drittdaten werden die Möglichkeiten sogar noch weiter verfeinert.

Die eindeutigste Veränderung der Adserver-Rolle kam jedoch durch die Einbindung der Zeitkomponente: Real-Time Advertising. Die Zielgruppe in Echtzeit zu erreichen, war nun die Königsdisziplin. Dies war nicht zuletzt deshalb möglich, weil die Bandbreiten immer größer und die Systeme zunehmend intelligenter wurden. Aus den Datenmengen mussten die wichtigen, entscheidenden Daten segmentiert werden. Big Data wurde zu Smart Data.

Von klassischer Onlinewerbung hin zu Programmatic Advertising

Die Zeitkomponente ist bei der Veränderung der Adserver-Landschaft durch Programmatic maßgeblich: Advertiser oder Agenturen kaufen nicht mehr ein manuell verhandeltes Paket an Inventaren ein, welches früher per FAX, später per E-Mail angeboten wurde und dann schriftlich bestätigt werden musste, sondern können jetzt in Echtzeit entscheiden, welchen User sie ansprechen wollen. Der Vermarkter stellt in seinem System elektronisch ein, welche Pakete er zu welchem Preis geschnürt hat und die Werbetreibenden bedienen sich, auf Basis seiner Daten oder Drittdaten, entsprechend ihrer Ziele.

Durch zusätzliche technische Lösungen, befeuert vom Programmatic-Siegeszug, ist die Online-Werbung zudem immer stärker automatisiert und technisiert worden. Wo Chancen sind, gibt es eben auch Risiken. Datenschutz und Adfraud beispielsweise sind solche Risiken, die die Branche aktuell intensiv diskutiert. Anti-Adfraud-Technologien sollen beispielsweise herausfinden, ob eine Impression wirklich vom User konsumiert oder von einer Maschine nur simuliert wird. Im Gegensatz zum gesunden Menschenverstand kann Technologie zwar besser erkennen, ob Parameter im Verhalten nun eher eine Maschine oder einem Menschen entsprechen, aber bedingt durch die Echtzeitentscheidung bedarf es dabei komplexer und extrem schneller Technologie, um Adfraud zu vermeiden.
Darum werden in der programmatischen Zeit die Systeme um Anti-Adfraud-Technologien ergänzt. Adfraud bleibt dabei aktuell die größte Herausforderung der Branche. Schätzungen zufolge gehen allein in den USA Werbeausgaben von mehr als 7 Milliarden Dollar pro Jahr durch Adfraud verloren. Selbst Facebook sagte vor kurzem den Launch seiner geplanten Demand Side Platform vorerst ab, da die Testphase der DSP gezeigt haben soll, dass zu viel Adfraud im Markt vorhanden sei.

Programmatic eröffnet jedoch auch mehr Chancen, insbesondere für Unternehmen mit kleineren Werbebudgets. Sie haben nun auch eine Chance gegen Advertiser mit sehr großem Budget und können trotzdem gute Platzierungen in der richtigen Zielgruppe buchen. Das war früher im persönlichen Kontakt selten möglich. Programmatic sei Dank, öffnete sich der Adserver einer breiteren Zielgruppe.

Und auch hier nahm die Kanalvielfalt weiter zu. Neben der Desktopwerbung können automatisiert gehandelte Werbeeinblendungen nun auch mobil und In-App erzielt werden. In letzter Zeit bedienen Adserver auch zunehmend Digital Out Of Home (DOOH) und TV (IPTV) programmatisch. Mit steigender Relevanz des Internet of Things werden noch weitere Aufgabenbereiche für den Adserver hinzukommen. Bereits in naher Zukunft wird es mehr digitale Werbekanäle und Werbemöglichkeiten geben, als wir uns das aktuell vorstellen können. Neue Technologien, wie zum Beispiel iBeacons, werden Menschen am POS oder POI weiter motivieren, mehr zu konsumieren. Der Adserver entdeckt das Proximity Marketing.

Alle diese Platzierungen werden weiterhin vom Adserver bedient und laufend mitgemessen. Die Grundfunktion des Adservers bleibt damit erhalten. Allerdings hat die Kanalvielfalt zugenommen und auch die Parameter, die bei der Ausspielung und Messung berücksichtigt werden müssen, wie etwa Sichtbarkeit, Engagement oder Interessen, sind zahlreicher geworden. Dementsprechend ist die verarbeitete Datenmenge deutlich gewachsen. Aus diesem Grund kann ein Adserver heutzutage recht genaue Aussagen über User Journey und Nutzerprofil treffen. Ein wertvolles Asset in Zeiten von Data Driven Marketing und zunehmender Personalisierung von Werbeinhalten.

Der Wandel hält an

Und hier könnte ein weiterer Evolutionsschritt im Wandel der Adserver versteckt liegen. Wird ein Adserver aktuell meist noch pauschal oder per TKP bezahlt, könnte die zukünftige Bezahlung auf Basis der vorgehaltenen und gemessenen Daten geschehen. Denn diese Daten müssen vom Betreiber datenschutzkonform gespeichert, aggregiert und vorgehalten werden. In Echtzeit. Und das kostet. Zudem liefern sie viele wertvolle Insights für Werbetreibende, zum Beispiel in Bezug auf die Customer Journey, sodass sich Adserving-Anbieter vielleicht zukünftig für die Weitergabe und Nutzung der Daten bezahlen lassen könnten.

Schlussendlich lässt sich festhalten: Am stärken beeinflusst wurde die Adserver-Entwicklung durch die Mobilität der User, die stärkere Nachfrage nach Gradualität, also einer stark heruntergebrochenen, spitzen Zielgruppe, und der Echtzeitkomponente. Konnte ein Adserver früher alles, was man von ihm verlangte, alleine leisten, sind die Systeme nun deutlich offener konfiguriert und müssen in der Lage sein, sich in genutzte, bestehende Systeme per Schnittstelle zu integrieren – ob nun DMP, DSP oder CRM-System. Im besten Fall ist ein Adserver Bestandteil einer integrierten Plattform als „One Stack Solution“, in der Adserver, DSP und DMP optimal zusammenarbeiten. Aber auch damit passt sich der Adserver den Anforderungen des Marktes an. Oder um es mit einem bekannten deutschen Musiktitel zu sagen: „Der Adserver ist gekommen, um zu bleiben.“

Bild Hendrik Kempfert Über den Autor/die Autorin:

Hendrik Kempfert ist Commercial Director bei Adform und verantwortet das Geschäft des Plattform-Anbieters in Deutschland, Österreich und der Schweiz und. 2010 an Bord gekommen, zeichnet er für den Einstieg und Erfolg des Unternehmens im deutschsprachigen Raum verantwortlich. Adform ist europaweiter Spezialist für Online Display Marketing-Lösungen wie Demand-Side-Plattform, Adserving, Data Management Plattform sowie Brand Solutions.

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