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MEDIA

Du bekommst, was du verdienst – oder zulässt

Johann Hermann, 31. August 2015

Lange war es still um das Thema Transparenz in der Mediabranche. Es schien, als wären die Probleme mit dem Code of Conduct und diversen Transparenzpapieren gelöst – der langjährigen Initiative, die die Organisation der Werbungtreibenden im Markenverband (OWM) seit Anfang der Jahrtausendwende systematisch betrieben hat. Seit zwei, drei Jahren rumort es aber wieder – und in den letzten Wochen nicht nur hinter den Kulissen. Durch die überaus dynamische Entwicklung des Digitalgeschäftes hat das Thema Transparenz neue Aktualität und Brisanz gewonnen.

Überrascht muss ob der aktuellen Diskussion eigentlich keiner sein, denn: Auf einen schwelenden Konflikt hat bereits im Jahr 2012 eine Untersuchung von McKinsey und der OWM hingewiesen. Demnach fühlten sich schon vor drei Jahren 85 Prozent der interviewten Media- und Kommunikationsentscheider in puncto puncto „Leistungsbeitrag digitaler Kanäle“ überfragt.

Der Advertiser: Saulus oder Paulus?

Um hier Ursachenforschung zu betreiben, sollte man einen Blick auf das Marktgefüge werfen, das idealerweise als austariertes Dreieck aus Medienanbietern, Agenturen und Werbekunden funktioniert. Fakt ist: Die Werbekunden finanzieren dieses Dreieck. Die entscheidende Frage ist: Schafft hier auch derjenige an, der zahlt? Vertraglich wurde die Zusammenarbeit mit den Agenturen in den letzten Jahren so weit spezifiziert, dass – theoretisch – heute ein Unternehmen die Transparenz-Sspielregeln ziemlich genau nach seinen Vorstellungen festlegen kann. Häufig gehen die Kunden dabei auch einen besonderen Deal ein: Das Unternehmen lässt zu, dass die Agentur über Rabatte und Rückflüsse von den Medien und Vermarktern „quersubventioniert“ wird – und im Gegenzug das Honorar für die Betreuung geringer zu Buche schlägt. Die Rechnung geht dann auf, wenn sich das Procurement des Unternehmens von den Effizienzgewinnen bei der Entlohnung des Mediadienstleisters beeindrucken lässt.

Faule Longtail-Eier und Klickbetrug

Klar ist aber auch, dass bei einem derartigen Abkommen, keine 100-prozentige Transparenz über die Einkaufskonditionen zu erwarten ist – und die Agenturmarge aus diesen Geschäften von den Kunden schwer nachvollziehbar ist. Dies wäre zu verkraften, wenn Kampagneneffizienz und -effektivität trotzdem gewährleistet blieben. Leider ist das häufig nicht der Fall und diese Gefahr droht vor allem in der komplexen Online-Branche. Dies hat mehrere Gründe: In keiner anderen Gattung tummeln sich so viele Anbieter und Angebote wie im Online-Geschäft. Die Folge ist neben einer äußerst schwierigen Überschaubarkeit auch ein hoher Wettbewerbsdruck mit wahren Rabattschlachten. Ein ideales Terrain für kreative Geschäftsmodelle der Agenturen wie dem Trading, das hier seinen Ursprung fand. Von den Preisvorteilen dieser kompakten Inventarpakete profitieren auch die Kunden. Allerdings versteckt sich darin wohl auch so manches faule Longtail-Ei. Ein zweiter Intransparenz-Treiber ist die zunehmende Automatisierung des Geschäftes. Zwar können betrügerische Auswüchse wie etwa Click Frauds und Bot- Traffic nicht direkt den Agenturen angelastet werden, dennoch obliegt es ihnen, die Leistungen der Online-Kampagnen gewissenhaft zu kontrollieren.

Paradigmenwechsel

Solange in der Zusammenarbeit zwischen Werbekunden und Agentur im Grunde nur die Höhe der Rabatte und Honorare von maßgeblichem Interesse ist, wird sich nicht viel ändern. Agenturen müssen für immer noch weniger Honorar ihre Leistung erbringen und entweder ihre Personalkosten senken oder neue Income- Streams „entdecken“. Beides ebnet nicht den Weg in eine vertrauensvolle und befriedigende Zusammenarbeit zwischen Agentur und Werbekunde.

Welche Lösungsmöglichkeiten bieten sich? Der Harvard-Ökonom Michael Porter hat die Optionen der Geschäftsmodelle klar umrissen: Entweder man ist Kosten- oder Qualitätsführer. Als Kostenführer müsste sich die Agentur in unserem Fall darauf konzentrieren, für die Mediabuying-Fee auch nur die entsprechende Leistung anzubieten, nämlich den puren Einkauf von Media. Eine damit einhergehende Beratung wäre in diesem Modell nicht inkludiert. Als Qualitätsführer würde man nicht auf Basis des Mediavolumens bezahlt, sondern für die erbrachte Leistung, die sich objektiv an messbaren KPI´s bemisst. Modelle für eine übergreifende Performancebewertung sind keine Zukunftsmusik, sondern existieren bereits.

Eine derartige Differenzierung nach Agenturtypen wird aktuell durch die technologische Weiterentwicklung getrieben. Durch datenbasierten Mediaeinkauf in Echtzeit verliert die Dienstleistung an Relevanz, da die Optimierung zunehmend automatisiert erfolgt. Der neue, innovative Mehrwert einer Agentur besteht in der Auswahl der besten Technologien, in der Datenanalyse und dem kontinuierlichen A-B-Testen neuer Werbemöglichkeiten.

Ob nun Modell 1 oder 2 – fest steht auch, dass für eine wirkungsvolle Kontrolle der Agentur der Kunde selbst zu sorgen hat. Diese Verantwortung kann und darf er nicht abgeben. Hierfür sollten bereits zu Beginn der Zusammenarbeit die Weichen richtig gestellt werden. Immer jedoch sollten sich Werbungtreibende ihrer Budgethoheit bewusst sein und die Verteilung der Marketinggelder nicht unkontrolliert der Agentur überlassen. Die Instrumente, die Allokation der Budgets zu überprüfen und zu justieren, stehen zur Verfügung. Und es ist höchste Zeit für die Kunden, diese auch zu nutzen.

Bild Johann Hermann Über den Autor/die Autorin:

Bereits im Alter von 25 Jahren gründete Johann Hermann zusammen mit drei Studienkollegen im Jahr 2000 die united-domains AG und war dort im Vorstand für den Bereich Finanzen verantwortlich. Nach dem Verkauf der Firma an die Lycos Europe NV stieg er 2006 als Finance Director bei dem Performance-Spezialisten QUISMA ein. Später übernahm er das Key Account Management und war mit seinem Team vorrangig für Neu- und Bestandskunden zuständig. Von Juli 2012 bis Dezember 2014 fungierte Hermann bei QUISMA als Managing Director DACH. Seit Juli 2015 ist Johann Hermann Geschäftsführer bei adatics und verantwortlich für die strategische Geschäftsausrichtung sowie Neukundenakquise.

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