Brauchen wir eine neue Transparenzdebatte in der Adtech-Industrie?
Lukas Fassbender, 28. May 2015Der Vertrauensvorschuss für Digital ist groß. So kündigte der Konsumgüterriese Procter & Gamble am Rande seiner Bilanzpressekonferenz im April „signifikante Einsparungen“ im Marketing an. Vor allem soll die Effektivität und Effizienz erhöht werden, deshalb werde es auch einen Shift der Werbeausgaben zugunsten von Digital geben. Profitieren sollen vor allem die Kanäle Search, Social Media, Video und Mobile. Zudem sollen die Dienstleister reduziert werden, um ein Mittel gegen den derzeit „ineffizienten Einsatz“ der Marketinggelder zu finden.
Als Technologieanbieter einer Demand Side Platform können wir uns darüber freuen, denn die Reduzierung von Komplexität und die Steigerung der Effizienz im Mediaeinkauf kann durch den automatisierten Einkauf via einer DSP erreicht werden. Aber wir interpretieren diesen Shift auch als Herausforderung und als einen enormen Vertrauensvorschuss in die digitale Branche. Und diesem müssen wir gerecht werden.
Ein Vertrauensvorschuss ist in der Regel etwas Gutes. Aber Vertrauen kann auch leicht verspielt werden, wenn Intransparenz zu Misstrauen führt. Und Misstrauen macht sich breit, weil viele Kunden ihren Technologieanbietern nicht mehr die richtigen Fragen stellen können, da die raschen Entwicklungsfortschritte von Media Buying-Technologien viele Advertiser einfach überfordern. Sie verstehen nicht mehr, was unter der „Motorhaube“ einer Technologieplattform tatsächlich vor sich geht.
Je komplexer Technologien werden, umso mehr Raum bieten sie zudem für fragwürdige Anbieter, die sich auf weniger anspruchsvolle bzw. uninformierte Kunden im Markt konzentrieren. Der technologische Fortschritt wird in unserer Branche sehr gerne dafür verwendet, den eigentlichen Ansatz zu verschleiern.
Besonders bedrückend ist es, dass sich immer noch Anbieter im Markt finden, die im Kern weiterhin einen Ad Network Ansatz verfolgen und aus der Kombination von Verkauf und Einkauf hohe Margen erzielen. Der Ad Network-Ansatz ist heute aber nicht mehr zeitgemäß. Im Zeitalter von SSP ist es sehr einfach für Publisher und Seitenbetreiber geworden ihr Inventar zu monetarisieren. Gleichzeitig haben Agenturen mit DSPs die Möglichkeit, sehr genau und im Auswahlverfahren zu entscheiden für welchen Traffic sie sich interessieren und was relevant und irrelevant für ihre Kunden ist. Das Zeitalter, in dem ich als Kunde jemand anderem die Auswahl meines Traffics überlasse, sollte eigentlich der Vergangenheit angehören.
Ad Networks, die in vielerlei Hinsicht die Vorreiter von kombinierten DSP/SSP-Modellen sind, waren die ersten, die es geschafft haben einen Mittelsmann zu etablieren, der für beide Seiten eines Deals tätig ist. Indem sie ein spezifisches Problem gelöst und mit dem Zugriff zu reichweitenstarkem Ad-Inventar für ihre Kunden einen Mehrwert geschaffen haben, konnten Kunden einen Interessenkonflikt ausblenden. In einer Welt von DSPs und SSPs gibt es meiner Ansicht nach aber keinen Mehrwert beide Seiten zu kombinieren. Es gibt keine Garantie, dass Agenturen und Advertiser den besten Preis für ihr Mediabudget durch eine kombinierte Lösung erhalten und es gibt zudem keine Garantie, dass Publisher ihre CPMs erhöhen können.
Die stärksten Unternehmen in Programmatic Media sind aber diejenigen Unternehmen, die sich auf eine Seite des Handels konzentrieren und ihre Kunden voll und ganz dabei unterstützen, ihre Beziehungen zu Publishern bzw. die Beziehung zwischen Publisher und Kunde nicht nur Algorithmen überlassen, über die sie keine Kontrolle mehr haben.
Kunden dieser Unternehmen erhalten das Beste aus beiden Welten, indem sie Deal IDs und Private Marketplaces nutzen. So stellen sie sicher, dass weiterhin langfristige, belastbare Beziehungen zwischen Publisher und Agentur möglich sind. Und erst dann nutzen sie eine Technologie wie im Falle einer DSP, um Zielgruppen effizient zu adressieren, Budget zu verwalten und Kampagnen zu optimieren.
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