Wie so oft im Leben sind es die kleinen, vermeidbaren Fehler, die eine besonders große Wirkung haben können. Hier ein Beispiel aus der Praxis: Heutige Mobilfunkverträge sind hinsichtlich der Internetnutzung volumenbegrenzt. Die ein oder zwei Gigabyte Datenvolumen im Monat sind schnell verbraucht. Insbesondere Nutzer, die täglich viel unterwegs sind, müssen damit haushalten. Ein zum falschen Zeitpunkt ausgespieltes Rich-Media-Werbemittel oder gar aufpoppende Videospots können da schnell zum Ärgernis werden und einen Schatten auf den Publisher, aber auch auf den Werbetreibenden und seine Kampagne werfen.
Rich Media Ads werden für Brandingziele also zur Markenkommunikation eingesetzt. Eigentlich sollen sie für mehr Aufmerksamkeit sorgen und den Nutzer durch Interaktion und Engagement an die Marke binden. Ihre starke Wirkungsweise über mobile Screens wurde bereits in Studien belegt. Schnell sorgen Rich Media Ads auf den persönlichsten aller Screens für den berühmten „Klick im Kopf“. Besonders die Markensympathie kann durch den Kontakt mit Rich-Media-Werbung positiv beeinflusst werden, so weit, so gut.
Plötzlich unsympathisch
Allerdings kann dieser starke Impact auch wie ein Bumerang zurückkommen und Gegenteiliges bewirken. Nämlich dann, wenn diese voluminösen Werbemittel mittelbar einen wirtschaftlichen Schaden beim Smartphonenutzer verursachen, indem sie aufgrund ihrer Datenschwere schneller das Datenvolumen aufbrauchen und ganz nebenbei den Seitenaufbau oder die App-Nutzung verlangsamen. Dann werden die Werbung und die enthaltene Markenbotschaft für den Rezipienten schnell unsympathisch und der Griff zu einem Ad-Blocker ist nicht mehr weit.
Dass Rich-Media-Werbemittel deutlich mehr Datenvolumen verbrauchen als ein Standardwerbemittel ist unzweifelhaft. „Ein Rich-Media-Werbemittel fängt bei HTML5 bei circa 300 Kilobyte an, bei Videowerbung ist man pro Spot schnell bei 2 bis 4 Megabyte“, konstatiert Simon Köpp, Sales Director vom Adserving- und Technologieanbieter Adform. Zum Vergleich, die statischen IAB-Werbebanner sind gerade einmal 3 bis 30 Kilobyte schwer.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?
Eigentlich können Mediaagenturen spielend einfach die mobilen Kampagnen so einstellen, dass ihre Third-Party-Adserver immer die passenden Werbemittel ausliefern. „Das funktioniert über eine Weichenlösung im Adserver und Fallback-Werbemittel. Je nachdem, ob der Nutzer sich in einem WLAN-Netz befindet oder mit einer niedrigen Bandbreite surft, kann der Adserver das passende Werbemittel ausliefern. Die Mediaagentur muss dazu ein Standardwerbemittel als Fallback im Adserver hinterlegen, das dann statt der Rich Media Ads oder einem Videospot zum Einsatz kommt“, sagt Köpp. Das, was Köpp beschreibt, fällt unter dem Begriff Bandwidth-Targeting oder Wi-Fi-Targeting, ein Unterfall des technischen Targetings. Eine Standardfunktion in jedem modernen Agenturenadserver.
Das Problem ist nur, viele Agenturen denken nicht daran und nutzen dieses Targeting nicht. In den meisten Fällen handelt es sich einfach nur um Schlamperei. Es sind aber auch andere Szenarien denkbar. Zum Beispiel wenn die Agentur für ihren Kunden noch nicht genügend Impressions im vorgegebenen Kampagnenzeitraum generiert hat und nun, „koste, was es wolle“, die maximale Reichweite eines Vermarkters nutzen möchte.
Doch eigentlich könnte die Mediaagentur sich doppelt absichern und beim Vermarkter ein Bandwidth-Targeting anfordern. Francois Roloff, Managing Director des Berliner Premiumvermarkters Madvertise, über den ein Werbekunde in Deutschland 3,5 Mio. Unique User sowohl in Apps als auch auf mobilen Webseiten erreichen kann, kennt die Problematik: „Bandbreiten-Targeting ist bei uns eine Standardoption. Aber am Ende bestimmt der Kunde bzw. seine Mediaagentur, welche Form des Targetings für die Kampagne eingestellt wird. Wenn wir sehen, dass die Werbemittel besonders schwer sind, geben wir regelmäßig eine entsprechende Empfehlung ab, ein Wi-Fi-Targeting zu nutzen. Aber am Ende entscheidet immer der Kunde, ob er diese Möglichkeit nutzen will oder nicht.“
Publisher-Adserver dann machtlos
Soweit die Mediaagentur aber beim Vermarkter diese Targeting-Einstellung nicht nutzt und die Werbemittel über einen Redirect vom Adserver-System der Agentur kommen, sind die Vermarkter technisch gesehen machtlos. Das bestätigt auch Jan Henrik Berg, Director Product vom Publisher-Adserving-Anbieter Adtech: „Wir haben die technische Werkzeugkiste und bieten dazu unter anderem auch ein Bandwidth-Targeting als Feature an. Wenn der Agenturkunde das in seiner Kampagne berücksichtigt, liefern wir bei einer niedrigen Bandbreite auch kein Rich-Media-Werbemittel aus. Wenn er aber dieses Targeting nicht nutzt, kann das bei der Auslieferung der Rich Media Ads natürlich auch nicht berücksichtigt werden.“
Besonders Videospots knabbern am Datenvolumen des Nutzers. Daher gibt es in diesem Bereich auch neue Überlegungen, ganz automatisch nach der zur Verfügung stehenden Bitrate das Video hoch- bzw. runterzurechnen. „Gängig ist zurzeit, dass unser Adserver dem Videoplayer des Publishers drei verschiedene Größen des Videos zur Verfügung stellt. Zukünftig wird ein Mastervideo hinterlegt und der Adserver kann über automatisches Transcoding den Videospot nach der zur Verfügung stehenden Bitrate oder gewünschten Qualität hoch- oder runterrechnen“, erläutert Berg.
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