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DISPLAY ADVERTISING - Digital Creativity

"Kreative und Berater brauchen eigenes digitales Wissen"

Jens von Rauchhaupt, 23. Juni 2014

Auch wenn der digitale Wandel alle Bereiche des Lebens und damit natürlich auch die Werbung berührt, man wird das Gefühl nicht los, dass Kreative und die Macher von Online-Werbung in zwei Parallelwelten leben und kaum konstruktiv zusammenarbeiten. So werden in der Kampagnenkonzeption nur selten die Möglichkeiten aus Big Data und Ad Technology genutzt. Kreativkonzeptern fehlt schlichtweg das Wissen, was ihnen digital zur Verfügung steht. In solchen Fällen hilft nur eins: die Schulbank drücken. Wir sprachen dazu mit Simone Ashoff, Gründerin der Good School und Leiterin der JvM-Academy.

2009 machte sich die ehemalige Jung von Matt Kreativchefin Simone Ashoff selbstständig und gründete in Hamburg die Good School. Die Good School hat sich von Anfang an dem digitalen Wandel verschrieben und will mit einem entsprechenden Kursprogramm und kundenindividuellen Workshops Wissen und Fähigkeiten für digitale Projekte vermitteln. Dazu können Themen wie Digital Planning, Social Media, Facebook Advertising, Mobile Marketing, Performance-Marketing und Search Marketing genauso auf dem Lehrplan stehen wie Informationsarchitektur oder Projektmanagement für Online-Projekte. Seit dem fünfjährigen Bestehen haben 200 nationale und internationale Experten über 1000 Schüler aus über 180 Unternehmen geschult und so für die digitale Welt fit gemacht.

Adzine: Frau Ashoff, an wen richtet sich eigentlich das Programmangebot der Good School, nur an Kreative bzw. Konzeptioner und Werbekonzeptioner?

Simone Ashoff

Simone Ashoff: Die Good School macht Programme für Unternehmen, die fit für den digitalen Wandel sein wollen. Unter den bisher mehr als 1000 Schülern sind Unternehmensvorstände, Marketingchefs und -abteilungen genauso wie Vertriebsmannschaften und HR-Units. Und auch jede Menge Agenturkreative und Medienmacher. Man sieht: Die digitale Transformation betrifft jeden, der in der klassischen Wertschöpfungskette tätig ist, egal in welchem Segment. Und das spiegelt sich auch in der Nachfrage der Unternehmen und unserem Angebot wider.

Adzine: Nach welchen Kriterien suchen Sie das Kursprogramm und die Inhalte der einzelnen Kurse aus? Ist das eher bedarfsorientiert - was also die Unternehmen und Agenturen anfragen - oder geht es auch um Grundlagen zur digitalen Werbung, die fast immer fehlen und den Kreativen erst einmal vermittelt werden müssen?

Ashoff: Vor fünf Jahren, als wir mit der Good School starteten, richteten sich unsere Lehrinhalte an digitale Greenhorns, da das der zu dem Zeitpunkt aktuelle Bildungsstand war. Heute richtet sich die Hälfte unserer Programme an bereits digital Fortgeschrittene, die sich auf dem Laufenden halten wollen oder tiefe Expertise in Spezialfächern suchen.

Außerdem sind heute, nach fünf Jahren, die meisten Programme, die wir machen, tatsächlich tailor-made. Wir bekommen dann von einem Unternehmen eine spezifische Aufgabenstellung wie zum Beispiel: "Wir führen in unserer Marketingabteilung gerade die On- und die Offliner zusammen. Sorgen Sie dafür, dass beide Parteien eine gemeinsame Vision haben und eine gemeinsame Sprache sprechen." Wir entwickeln auf dieser Basis meist mehrtägige und mehrstufige Lernprogramme, bei denen es gar nicht immer nur um digitale Trends und Phänomene geht, sondern zunehmend auch um Veränderungsprozesse. Unsere Aufgabe ist es dann, Lust auf die Veränderung zu machen.

Adzine: Wie halten Sie sich eigentlich selbst auf dem Laufenden?

Ashoff: Mit viel Online-Research in alternativen Medien, in denen viele Trends zuerst aufgespürt werden, zum Beispiel in Blogs und auf Twitter. Die wichtigste Rolle nimmt allerdings unser Netzwerk ein. Die fortlaufenden Gespräche mit unseren Lehrern und Schülern halten mich à jour.

Adzine: Die Good School bezeichnet sich ja selbst als „Schule für den digitalen Wandel“. Dieser Wandel ist ja niemals am Ende und die Medienwelt verändert sich ständig. Wo sehen Sie selbst die größten Veränderungen, sagen wir seit Gründung der Good School im Jahr 2009?

Ashoff: Die Menschen verlieren ihre Angst vor dem Internet. Soziale Netzwerke wachsen rasant. Die weltweiten Datenmengen wachsen rasant. Der Auswertungsenthusiasmus dieser Daten durch Unternehmen und Institutionen wächst rasant. Ich glaube, dass das Thema "Big Data" wohl das größte Momentum unserer Schulthemen seit 2009 hat.

Adzine: Internet, Mobile, Social Media, … Aufgrund der fragmentierten Mediennutzung nimmt die Anzahl der Marketing- bzw. Kommunikationskanäle weiter zu. Was kann von einem Kampagnen- bzw. Werbekonzeptioner verlangt werden? Muss er sich mit allen Kanälen gleich gut auskennen und sich dort „heimisch“ fühlen?

Ashoff: Der Konzeptioner sollte ein breites Allgemeinwissen zu tatsächlich allen Medien und Kanälen haben. In die Tiefe kann das Wissen nicht bei jedem Medium gehen, denn wie Sie sagen: Die Anzahl und auch die Komplexität der Kanäle nimmt ständig zu.

Wichtig sind für den Konzeptioner drei Dinge:

- Wie halte ich mich auf dem Laufenden und bin jederzeit up to date?

- Wie bewerte ich die Potenziale der unterschiedlichen Medien und Kanäle für verschiedene Kommunikationsziele und Zielgruppen?

- Wie lassen sich die unterschiedlichen Medien sinnvoll miteinander vernetzen?

Adzine: Warum sehen wir noch immer so wenig echte crossmediale Kampagnen?

Ashoff: Das weiß ich nicht. Aber ich habe eine Vermutung: Das Silodenken in Unternehmen und Agenturen stoppt alle crossmedialen Absichten, Pläne und Potenziale.

Und "Nicht-Silodenken" hätte nicht nur kommunikative Vorteile, sondern auch betriebswirtschaftliche: Abteilungen teilten sich den Planungsaufwand und nutzten Synergien, Botschaften würden einheitlich kommuniziert, was das Profil schärfen und den kommunikativen Erfolg erhöhen würde. Crossmedia-Kommunikation ist ein Werttreiber.

Adzine: Sollten Kampagnen- bzw. Werbekonzeption und digitale Mediaplanung dann nicht viel enger zusammenarbeiten?

Ashoff: Ja, sollten sie. Ich würde sogar sagen, dass es am Ende eins ist.

Adzine: Ist es vielleicht auch denkbar, dass es in den größeren Agenturen bald eine Art "Kompetenzunit" geben wird, die den kreativen mit ihrem digitalen Know-how schon in der Entstehung einer Kampagnenkonzeption beratend zu Seite stehen wird. Wäre das sinnvoll?

Ashoff: Sie wünschen sich damit etwas, das es eigentlich schon gibt: Digitales Wissen in der Kampagnenkonzeption sollte durch die integrierte Zusammenarbeit zwischen den Digitaleinheiten der Agenturen und den klassischen Kreativeinheiten gegeben sein. Aber das integrierte Arbeiten funktioniert nicht immer gleich gut, da die beiden Parteien unterschiedliche Sprachen sprechen und sich dadurch nicht immer einwandfrei verstehen. Insofern ganz essenziell: Die klassischen Kreativen und Berater brauchen eigenes digitales Wissen – mindestens so viel, um mit den Digitalspezialisten in einen funktionierenden Dialog treten zu können. Das wäre auch Voraussetzung für den Erfolg solcher „Kompetenzunits", wie Sie sie schildern.

Adzine: Neben der Good School sind Sie auch Direktorin der JvM-Academy. Inwieweit decken sich eigentlich die Inhalte der JvM-Academy sich mit denen der Good School?

Ashoff: Die Good School richtet sich an Profis aller Branchen, die JvM-Academy ist für den kreativen Nachwuchs. In beiden Fällen reichen die Inhalte vom transmedialen Storytelling bis zum Prototyping.

Die Art der Vermittlung ist allerdings höchst unterschiedlich. Für unsere berufserfahrenen Schüler bereiten wir die Themen strategisch und hands-on auf: Search Engine Advertising kennenlernen und ausprobieren, einen Shitstorm live erleben, zu digitalen Ideen in der Jury sitzen - und daraus ableiten, wie relevant das für die eigene Organisation ist und für diese konkret bedeutet.

Der Nachwuchs lernt hingegen umsetzungsorientiert: Die Youngsters in der Academy sollen sich Ideen für die unterschiedlichen Medien ausdenken, Dummies bauen, A/B-Tests machen, das eigene Blog bauen und monetarisieren - und lernen, wie man damit professionell Konzepte ausdenkt und umsetzt.

Adzine: Das erste Trimester der JvM-Academy ist gerade zu Ende gegangen. Wie fällt Ihr Resümee aus?

Ashoff: Ich bin ganz schön stolz. Das Curriculum, das am grünen Tisch entstanden ist, hat funktioniert, die ausgesuchten Studenten sind toll, die Lehrer haben Gas gegeben und es hat Spaß gemacht. Die Studenten kommen jetzt in die besten Agenturen und das wird sie auf die nächste Stufe bringen.

Adzine: Haben Sie zurzeit eigentlich eine Lieblingswerbekampagne?

Ashoff: The Creator's Project von Intel und Vice: thecreatorsproject.vice.com/ - Content Marketing at its best!

Adzine: Frau Ashoff, vielen Dank für das Gespräch.

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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