Online ist das am besten messbare Werbemedium. Nahezu jede Aktion kann getrackt, analysiert und sofort optimiert werden. Doch mit der mobilen Nutzbarmachung des World Wide Web werden den althergebrachten Technologien die Grenzen aufgezeigt. Tracking und Targeting funktionieren für das Display Advertising auch in der mobilen Welt. Aber sie funktionieren anders. An eine geräteübergreifende Customer-Journey-Analyse ist bisher ebenso wenig zu denken, wie an ein Tracking und Targeting, das übergreifend Applikationen und mobile Webseiten einschließt. Das Display Advertising steht im Kanal Mobile vor Herausforderungen. Der Trend zu RTB hilft, sie zu meistern.
Die Smartphone-Dichte steigt, die mobile Nutzung des Internets nimmt weiter zu. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie ist die Unterwegs-Nutzung im Jahr 2013 deutlich gestiegen. 41 Prozent der deutschen Onliner haben im vergangenen Jahr das Internet über mobile Endgeräten benutzt. Im Jahr zuvor waren es erst 23 Prozent. Jeder fünfte deutsche Onliner surft demnach mittlerweile sogar täglich mobil im Web. Für die Studie wurden bundesweit repräsentativ 1.800 Erwachsene in Deutschland befragt. Im Rahmen der Studie „Mobile Effects 2014-1“ gaben bei einer Onsite-Befragung im Tomorrow Focus Media Netzwerk sogar rund 70 Prozent der Befragten an, das mobile Internet täglich zu nutzen. Die Herausforderung für Display-Marketer ist es, diese wachsenden Zielgruppen möglichst treffsicher anzusprechen. Insbesondere in der oft unruhigen mobilen Nutzungssituation ist die Relevanz einer Werbung erfolgsentscheidend.
Display Retargeting im Kommen
Als Synonym für relevante Werbung gilt im klassischen Display Advertising gut gemachtes Retargeting. So wundert es nicht, dass dieses Art von Kampagnen nun peu à peu auch mobile Endgeräte erobert. Die Technologieanbieter rüsten auf, der Markt ist groß. Grundsätzlich erfüllt mobiles Retargeting dieselben Zielsetzungen wie „klassisches“ Retargeting; es soll den Abverkauf realer Güter aus den Online-Shops der Werbekunden befeuern. Allerdings mit einer Besonderheit: „Mobile ist heute in erster Linie ein Informationskanal“, sagt Alexander Gösswein, Geschäftsführer DACH von Criteo. Durchschnittlich 20–30 Prozent des Traffics kommen dem Experten zufolge über mobile Endgeräte, die Sales passieren dann aber zu 90 Prozent vom heimischen Rechner aus. „Werbetreibende Unternehmen müssen erkennen und verstehen, dass Mobile in erster Linie eine ‚Anschubfunktion‘ für Sales auf anderen, nicht mobilen Geräten hat“, so Gösswein. Denn erst dann werde sich auch die Verkaufssituation für die Publisher verbessern, die heute noch vielfach auf mobilem Inventar „sitzen bleiben“.
Ähnlich dem Retargeting auf dem Desktop geht es beim mobilen Retargeting darum, Nutzer zu markieren und ihnen Produktanzeigen einzublenden, welche eine hohe Kaufwahrscheinlichkeit versprechen. Laut einer Studie des Programmatic-Advertising-Spezialisten myThings steigert Mobile Retargeting bereits heutzutage den Abverkauf um 18 Prozent. Aber es gibt Unterschiede. „Der Mobile-Konsument verhält sich anders als der Desktop- oder Laptop-Käufer“, erläutert Ralph Frühwald, Managing Director Germany von myThings. So rufen Nutzer mit Smartphone oder Tablet die Shopseiten wesentlich gezielter auf. Auch Kaufentscheidungen fallen Mobile wesentlich schneller. Der Studie zufolge ist die Zeit zwischen dem letzten Ansurfen des Shops und dem Sale via Mobile 13-mal kürzer als auf dem Desktop.
Ein Gerät, zwei Welten
Eine veränderte Mediennutzung in Richtung Mobile, wachsende Budgets, zunehmender M-Commerce und vielversprechende Studienergebnisse – Marktbeobachter sind sicher: Retargeting erobert die mobile Werbewelt. Doch genau genommen handelt es sich um zwei mobile Werbewelten: die Applikationen und die mobilen Websites. Obwohl der Nutzer beides auf einem Gerät aufruft, sind es zwei voneinander getrennte Technologien. Das Problem: Innerhalb von Apps können keine Cookies gesetzt werden. Um Werbungtreibenden ein Tracking innerhalb von Apps zu ermöglichen, erzeugen die Hersteller für ihre Geräte sogenannte Device IDs.
Apple hat erst kürzlich von seiner datenschutzrechtlich umstrittenen UDID auf die neue IDFA (Identifier for Advertisers) umgestellt. Jetzt gibt es für Nutzer eine Opt-out-Möglichkeit, und wird das Gerät zurückgesetzt, erhält es eine neue ID. So wird verhindert, dass Konsumenten beim Kauf eines gebrauchten Gerätes mit falscher Werbung beliefert werden. Auch Google bietet für Android-Geräte mit seiner neuen „Advertising ID“ eine ähnliche Trackingmöglichkeit mit Opt-out. Der Haken beider IDs: Sie funktionieren nur innerhalb von Applikationen. Device IDs können vom Mobile-Webbrowser nicht ausgelesen werden. Aufgrund der technischen Unterschiede entwickeln viele Technologieanbieter in zwei Richtungen – in Retargeting-Lösungen für mobile Websites und in solche für Applikationen.
Apps für Retargeting immer interessanter
Verschiedene Studien zeigen, dass mobile Nutzer weitaus mehr Zeit innerhalb von Apps verbringen als auf mobilen Websites. Für die USA gibt es Untersuchungen, die sogar von einem Verhältnis 80 zu 20 ausgehen. Das In-App-Universum ist für Marketer somit äußerst interessant. Während die Intention der Retargeter auf mobilen Websites jener im klassischen Internet sehr ähnelt, kommen innerhalb von Apps weitere Ziele hinzu. Hier geht es unter anderem auch darum, App-Downloads zu generieren, In-App-Verkäufe zu pushen oder für eine aktive App-Nutzung zu sorgen.
„Die Bandbreite mobiler Retargeting-Kampagnen ist im In-App-Bereich immens“, sagt Matthias Schoen, Chief Product Officer von Trademob. Der App-Marketing-Dienstleister promotet vorrangig mobile Applikationen. In jüngster Zeit kommt Schoen zufolge bei den App-Betreibern aber zunehmend der Wunsch auf, die Nutzerschaft der Apps zu aktivieren. „Retargeting ist dafür ein probates Mittel“, sagt Schoen. Um ein In-App-Retargeting zu starten, wird die Nutzerschaft segmentiert und anschließend in verschiedenen Applikationen eine auf die jeweiligen Segmente zugeschnittene Kampagne ausgespielt – beispielsweise um Nutzer einer Hotel-App zur Rückkehr in diese App zu bewegen oder um konkrete Zimmerbuchungen zum Abschluss zu bringen. Das In-App-Retargeting funktioniert lediglich appübergreifend. Für Retargeting auf mobilen Websites gibt es wiederum eigenständige Technologien. Derzeit ist es noch nicht möglich, mit einer Retargeting-Lösung Nutzer sowohl in Apps als auch über mobile Websites anzusprechen. Daran arbeitet die Branche mit Hochdruck.
Gräben überwinden
Eine Alternative, die sowohl in Applikationen als auch im mobilen Browser funktionieren würde, wäre ein digitaler Fingerprint – ähnlich den Bestrebungen im Desktop-Web. Aber Mobile ist die Herausforderung, einen digitalen Fingerprint zu erzeugen, ungleich schwerer, da Smartphones eines Typs stets sehr ähnlich konfiguriert sind. So stecken entsprechende Bestrebungen noch in den Kinderschuhen.
Wie man das Problem eines Trackings über mobile Websites und Apps hinweg zumindest ansatzweise lösen kann, zeigt der Mobile-CRM-Dienstleister 360dialog. Hier arbeitet man unter anderem mit sogenannten „Smart App Links“, die in eine E-Mail- & Media-Kampagne eingebaut werden können. Klickt der Nutzer einen Link zum Beispiel in einem Newsletter, so landet er direkt in der Applikation des werbenden Anbieters, sofern die App auf dem Smartphone oder Tablet installiert ist. Im Augenblick des Klicks wird ein Cookie geschrieben und kann später mit der Device ID abgeglichen werden. Somit kann der Nutzer sowohl in Apps als auch in mobilen Web-Anwendungen für zum Beispiel Mobile-Retargeting-Kampagnen wiedergefunden werden. Ist die App auf seinem Smartphone nicht installiert, kann der klickende Nutzer automatisch auf die mobile Website oder den jeweiligen App Store geleitet werden.
Geräteübergreifend tracken
„Im vergangenen Jahr zeigte sich, dass viele Adserver noch gar nicht in der Lage waren, Ads auf Basis einer Device ID auszusteuern. Mit dem zunehmenden Real-Time Bidding verbessert sich die Situation“, sagt Roland Siebert, Gründer und CEO von 360dialog. Neben Facebook und Google können insbesondere jene Anbieter entsprechende Kampagnen gut ausspielen, die an eine RTB-Infrastruktur angeschlossen sind, denn diese Systeme übergeben bei einem Ad Request auch die Device ID. „Eine kleine zweistellige Prozentzahl aller Ad Requests verfügt bisher über eine Information zur Device ID“, schätzt Siebert. Vor allem in dynamischen Umfeldern dauere es daher sehr lange, bis man einen Nutzer im Rahmen eines Retargetings wiederträfe. Spätestens in zwei Jahren werde dies jedoch kein Problem mehr darstellen, ist sich der Experte sicher. Denn die RTB-Infrastruktur und -Reichweite wächst im mobilen Ökosystem stetig.
Die Herausforderung für die Zukunft dürfte Marktbeobachtern zufolge vielmehr sein, den Graben zwischen Apps und mobilen Websites zu überwinden und Nutzer auch geräteübergreifend zu tracken, um Display-Werbung über verschiedene Geräte hinweg auszusteuern. Diese Möglichkeit würde die Relevanz der angezeigten Produktempfehlungen weiter erhöhen. Dazu müssten alle Geräte, mit denen ein Nutzer online geht, identifiziert und auf eine einheitliche ID gematcht werden. Bisher ist dies nur mit einem Log-in des Users möglich.
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