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DISPLAY ADVERTISING - Cookie-Debatte

Im Zweifel ohne Targeting

Frank Puscher, 28. Januar 2014

Im Sommer 2012 setzten die Niederlande unter der Federführung der Regulierungsbehörde ACM die EU-Cookie-Direktive in Form eines strengen Opt-in um. Jegliche lokale Datenspeicherung bedarf der Zustimmung durch die Nutzer. Das finnische Medienhaus Sanoma erarbeitete gemeinsam mit der ACM eine einheitliche Lösung, für alle betreuten Websites. Hier kann der Nutzer mit einem Opt-in Zustimmung für alle Sanoma-Publikationen gleichzeitig geben. Advertising Manager Martijn Eindhoven war an der Entwicklung und Umsetzung beteiligt und berichtet von sehr hohen Opt-in-Raten durch die Niederländer.

Der finnische Medienkonzern Sanoma setzte 2012 mit 10 000 Mitarbeitern 2,4 Mrd. Euro um. Mit einem Anteil von 912 Millionen sind die Niederlande der größte Absatzmarkt für die Finnen, noch vor dem Heimatland mit 864 Mio. Euro. Drei TV Sender, 70 Print- und über 100 Onlinetitel wie zum Beispiel NU.nl und Kieskeurig.nl zählen zum Portfolio der niederländischen Tochter, der es in den letzten beiden Jahren gelang, die drastischen Verluste im Printanzeigengeschäft durch Onlinewerbung auszugleichen. Martijn Eindhoven war wesentlich an der Entwicklung der aktuellen Opt-in-Lösung von Sanoma beteiligt. Eine Öffnung in Richtung Websites Dritter schließt er derzeit aus. Das sei nicht Sanomas Geschäftsmodell.

Adzine: Herr Eindhoven, wie stellt sich die aktuelle Situation der Cookie-Regeln heute in den Niederlanden dar?

Eindhoven: Die Regelung ist ziemlich eindeutig. Wer Cookies setzen möchte, benötigt dafür eine explizite Einwilligung des Nutzers. Wie er sich diese Einwilligung besorgt, ist unterdessen noch Gegenstand der Diskussion.

Adzine: Wird zwischen 1st-Party und 3rd-Party-Cookies unterschieden?

Martijn Eindhoven

Eindhoven: Nein, es gibt keine Unterscheidung zwischen 1st- und 3rd-Party-Cookies, weil 3rd-Party-Cookies zum Beispiel von Dienstleistern des Publishers gesetzt werden könnten und das hat mit dem Datenschutzproblem nichts zu tun. In den Niederlanden unterscheiden wir den Cookie-Zweck. Sind es Analytics-Cookies oder sind es Cookies für Retargeting. Analytics-Cookies dürfen Sie weiterhin auch ohne explizite Einwilligung setzen. Sie müssen deren Einsatz in den Geschäftsbedingungen erklären. Diese Unterscheidung ist absolut nachvollziehbar.

Adzine: Wie wird das kontrolliert?

Eindhoven: Es geht um den ersten Berührungspunkt mit dem Nutzer und das ist in der Regel die Website des Publishers. Die ACM schaut sich unsere Website an, protokolliert, welche Cookies gesetzt werden, und fragt uns, welche Cookies welchem Zweck dienen. So ganz können wir das übrigens nicht kontrollieren, denn selbst im Werbemittel kann es unterschiedliche Parteien geben, die Cookies setzen.

Adzine: Wie holt sich Sanoma die Einwilligung?

Eindhoven: Wir blenden ein großes Opt-in-Fenster im Kopf der Website ein. Dort kann der Nutzer uns ein Opt-in für alle unsere Websites geben. Er kann aber auch in die Einstellungen gehen, dort einzelne Websites ausschließen oder sogar bestimmte Einsatzbereiche wie Social Media oder Retargeting verbieten. Auch diese Einstellungen wirken über das ganze Netzwerk.

Adzine: Viele Experten sagen, dass strenge Cookie-Regeln vor allem kleine Publisher behindern. Werden Sie Ihr System auch für Websites Dritter öffnen?

Eindhoven: Das haben wir überlegt, aber es ist nicht unser Geschäftsmodell. Wir müssten diese Website prüfen, ob sie unseren Regeln entsprechen, und wir bräuchten viel mehr technische Ressourcen, die wir dann entsprechend vermarkten müssten.

Adzine: Werden Online-Händler und Publisher unterschiedlich gehandhabt? Ein Online-Händler kann auch über Analytics-Cookies Personalisierung betreiben. Das ist doch wie Retargeting.

Eindhoven: Nein, es gibt keinen Unterschied. Die werden alle gleich behandelt. Wenn das Cookie relevant für den Kernprozess des Online-Shops ist, dann benötigt der Shop kein Opt-in. Sonst schon.

Adzine: Was machen Sie, wenn Sie mit einem Werbenetzwerk zusammenarbeiten, dass bei Ihnen Daten sammelt und auf anderen Websites ohne Opt-in ausspielt?

Eindhoven: Das können wir nicht verhindern. Wir haben keinen Zugriff auf die anderen Websites. Umgekehrt natürlich schon: Wenn ein Nutzer sich gegen ein Opt-in entscheidet, dann liefern wir nur statische Werbung ohne Cookies aus. Wir können nicht sicherstellen, dass ein User nicht zum Beispiel ältere Cookies im System hat, die durch die Werbung verwendet würden. Daher lesen wir dann gar keine Cookies.

Adzine: Wie hat sich die strenge Cookie-Regelung ökonomisch ausgewirkt?

Eindhoven: Gott sei Dank wählen nur wenige User das Opt-out. Tatsächlich haben wir durch die Umstellung nicht nennenswert Umsatz verloren. Auch die ganze Diskussion ist sehr schnell wieder abgeebbt. Manchmal wünschte ich mir, dass die Holländer etwas kritischer wären in Bezug auf Datenschutz, etwas deutscher.

Adzine: Könnte man sich ein Zertifizierungssystem vorstellen, bei dem sich zum Beispiel Werbenetzwerke von der Opt-in-Pflicht befreien können, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllen?

Eindhoven: Das war eines der Dinge, die wir intensiv mit Google diskutiert haben. Wir haben die gefragt, ob sie eine Opt-out-Möglichkeit anbieten, und sie haben auf die internationale Opt-out-Lösung verwiesen. Aber das funktioniert nicht. Was, wenn die Inhalte in einem Land miserabel gemacht sind und der User das Opt-out wählt? Dann leidet darunter auch die Website im anderen Land, die toll gemacht ist und verantwortlich mit den Daten umgeht. Das ist in der Werbung genauso. Denken Sie nur an Frequency Capping im Retargeting. Der eine macht das gut, der andere gar nicht. Beide benutzen aber die gleiche Technologie.

Adzine: Mit Ihrer Lösung sind sie auf die strengsten Regeln vorbereitet. Brauchen wir auch für Europa so strenge Regeln?

Eindhoven: Nicht unbedingt. Wir brauchen einheitliche Regeln. Beachten Sie Folgendes: Selbst wenn die aktuelle Diskussion überzogen ist, das System Cookies ist gut. Es ist transparenter als andere Techniken. Der User kann die Cookies löschen. Wenn Cookies noch stärker verboten werden, dann führt das nur dazu, dass andere Technologien eingesetzt werden, die weit komplizierter und weniger transparent sind. Dadurch wird das Thema Tracking in den Untergrund gedrängt. Das ist dann das Gegenteil von dem, was eine Cookie-Regulierung erreichen will.

Adzine: Herr Eindhoven. Vielen Dank für dieses Gespräch.

Bild Frank Puscher Über den Autor/die Autorin:

Frank Puscher arbeitet seit über 20 Jahren als Journalist in der Online-Branche. Er schreibt regelmäßig für Publikationen wie ADZINE, InternetWorld Business, Ct, Internet-Magazin oder die Absatzwirtschaft. Seine Lieblingsthemen sind Usability, E-Commerce und Online-Marketing. Seit 12 Jahren arbeitet Puscher außerdem als Moderator auf Online-Veranstaltungen. Außerdem berät er Unternehmen und öffentliche Institutionen im Umgang mit Online-Marketing und Social Media.

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