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Facebook und die KMU's - das verflixte neunte Jahr

Frank Puscher, 25. November 2013

Je erfolgreicher Facebook in Sachen Reichweite und Verweildauer wird, umso höher werden die Ansprüche der Werbeindustrie an das weltweite soziale Netzwerk. Funktioniert eine Kampagne, ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Aber vor allem kleinere Unternehmen klagen über einen Mangel an Unterstützung.

11,1 Milliarden Visits in nur einem Monat, eine durchschnittliche Verweildauer von 22 Minuten und 20 betrachtete Seiten. Das sind die Superlative für den Monat August 2013, berechnet von Similarweb.com für die Website Facebook.com. Die Zahlen gelten weltweit für mehr als eine Milliarde registrierte Nutzer. Doch selbst wenn man es auf Deutschland herunterbricht, bleiben 3,37 Prozent Trafficanteil oder 610 Millionen Visits für den August. Die Deutschen sind – Datenschutz hin, NSA her – die fünftmeisten Facebook-Fans der Welt. USA liegt vorne mit knapp 25 Prozent, dann folgt Brasilien mit sieben Prozent und dann folgen fast gleichauf England, Frankreich und Deutschland.

„Die meisten deutschen Unternehmen haben verstanden, dass Social Media weit mehr als nur ein weiterer Werbekanal ist. Für die meisten Branchen ist daher die Zeit der Experimente mit Social Media vorbei. Umso wichtiger werden die eigentlichen Prozesse rund um Social Media in der gesamten Organisation", sagt Patrick Wassel, stellvertretender Vorsitzender der Fachgruppe Social Media im BVDW.

Das Problem scheint derzeit allerdings zu sein, dass die Optimierung der Prozesse nicht so ohne weiteres möglich ist. Während große Werbungtreibende bei Facebook auf ein gutes Maß an Unterstützung hoffen dürfen, beklagen zahlreiche kleine und mittelständische Firmen, dass sie bei der Vielzahl an Werbemöglichkeiten kaum mehr durchsteigen und dass der Support für sie seitens Facebook mangelhaft sei.

Ein Beispiel für die Verunsicherung im Mittelstand sind die gelockerten Gewinnspielregeln. Im August 2013 hat Facebook das Verbot aufgehoben, dass innerhalb der Timeline-Gewinnspiele gemacht werden dürfen. „Facebook hat hier eindeutig einen Rückschritt gemacht. Gefordert war, Verstöße gegen die Gewinnspiel-Guidelines für alle User gleich stark zu sanktionieren, nicht die Regeln größtenteils abzuschaffen“, kritisiert Lena Bräu, Head of Social Media bei der Münchner Agentur Gessulat/Gessulat.

Tatsächlich lauert für deutsche Unternehmen in der vermeintlichen Lockerung eine echte Falle, da es in Timeline-Gewinnspielen schwierig ist, dem deutschen Datenschutz zu entsprechen. Benjamin Schröter, Betreiber der App-Agentur Facelift meint: „Das deutsche Recht ist in den meisten Bereichen strenger als die Facebook-Guidelines.“

Auch Oliver Schreiber, der das Marketing des Hamburger Cocktail-Mixers Shatlers verantwortet, beklagt einen schwachen Support seitens Facebook. „Zu Anfang war das eine Katastrophe. Reaktionen auf E-Mails kamen irgendwann nach zwei Wochen.“ Inzwischen hat sich das freilich geändert. Shatlers wird dieses Jahr mit 50 000 Euro lokale Supermärkte auf Facebook unterstützen und überspringt damit die Aufmerksamkeitsschwelle seitens Facebook spielend.

Shatlers nutzt Timeline-Posts zur Bewerbung von Supermärkten, in denen die Cocktails erhältlich sind.

Lena Bräu hebt fünf große Ärgernisse aus Sicht der KMUs hervor:

  • Es gibt keinen Support. Die Kontaktformulare sind in den Hilfeseiten tief unten vergraben.
  • Es gibt keine Monatsabrechnungen. Die Beträge werden tageweise zusammengefasst. Auch eine Unterscheidung zwischen Kampagnen funktioniert bei den kleineren Accounts nicht. Dass Facebook hier seit Jahren nicht weiterkommt, ist wirklich unprofessionell.
  • Die Tageslimits sind zu klein. Facebook setzt willkürliche Limits und erhöht diese nur langsam.
  • Die Administration läuft über private FB-Konten. Nur wen Facebook im Netz findet, der darf auch den Account pflegen.
    Dass jetzt wieder jedermann Gewinnspiele auf der Timeline veranstalten kann, schadet der Qualität des Contents, auf die Facebook ja eigentlich so pocht. Für Agenturen ist es jetzt zugleich noch schwieriger, die Nutzung von kostenpflichtigen – aber durchaus sinnvollen – Apps beim Kunden zu verteidigen.

Facebook ist sich dieses Problems durchaus bewusst, kann mit einem kleinen Team rund um KMU-Betreuer Arne Henne in Hamburg aber eben nur einen Bruchteil des nötigen Supports leisten. „Unser Team für kleine und mittelständische Unternehmen wurde im vergangenen Jahr gegründet. Seitdem befindet sich das Team im Aufbau. Es ist ein länger andauernder Prozess und aktuell sind wir noch nicht so weit, dass wir jedem Kunden einen Ansprechpartner nennen könnten“, erklärt er gegenüber Adzine.

Bei einer Milliarde Nutzern könne man leider nicht schnell auf alles reagieren, aber die Hilfeseiten seien „besser als ihr Ruf“, antwortet er auf Lena Bräus Kritik. Am Thema Monatsrechnung sei man dran und die Tageslimits könne man „auf Antrag“ erhöhen, wenn vorher entsprechende Zahlungen geleistet wurden.   

Um noch mehr Hilfestellung bieten zu können, gibt es ein Workshop-Programm namens Start to Success. Hier lernen Neukunden den Umgang mit Social Media, den Facebook-Anzeigenformaten und vor allem dem Targeting. Das Problem nur: Start to Success verlangt in den ersten 30 Tagen ein Budget von 1200 Euro. Gerade Einsteiger schreckt diese Summe ab. Lena Bräu plädiert für eine Reduktion der Anforderung und ist sich sicher: „Bei sichtbaren Erfolgen wird das Budget dann meist gerne erhöht.“

Das Programm 'Start to success' ist für Kleinunternehmen, die nicht wissen, ob Facebookwerbung wirken wird immer noch teuer

Gleichzeitig begann Facebook diesen Sommer, das Portfolio möglicher Werbeformen radikal zusammenzustreichen. 27 Formate waren es noch im Juni. Gegen Ende des Jahres soll nur noch die Hälfte übrig sein. Die Professionalisierung ist in vollem Gang. Unterdessen flattert schon der nächste Ärger ins Haus: Ein namhafter deutscher Social-Media-Experte, der nicht namentlich genannt werden wolle, äußert gegenüber Adzine: „Solange Facebook kein Geschäftsmodell anbietet, dass für Agenturen attraktiv ist, wird der Anteil an Paid Media, der an Facebook geht, im Vergleich zum Gesamtbudget verschwindend gering bleiben.“ Facebook-Advertising sei zu kleinteilig und daher mit zu viel manuellem Aufwand verbunden. Und gleichzeitig gibt es keine belastbaren Provisionsregelungen. Es wartet viel Arbeit auf Facebook in den nächsten Wochen und Monaten.

Bild Frank Puscher Über den Autor/die Autorin:

Frank Puscher arbeitet seit über 20 Jahren als Journalist in der Online-Branche. Er schreibt regelmäßig für Publikationen wie ADZINE, InternetWorld Business, Ct, Internet-Magazin oder die Absatzwirtschaft. Seine Lieblingsthemen sind Usability, E-Commerce und Online-Marketing. Seit 12 Jahren arbeitet Puscher außerdem als Moderator auf Online-Veranstaltungen. Außerdem berät er Unternehmen und öffentliche Institutionen im Umgang mit Online-Marketing und Social Media.

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