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SEARCH MARKETING

SEO vs. Preissuchmaschinen im E-Commerce – stirbt organischer Traffic aus?

Regina Leuwer, 5. August 2013

Im Juni führte Google seine Product Listing Ads (PLA) und Google Shopping zusammen – seither gilt: Wer ins Google-Shopping-Schaufenster will, muss zahlen. Schon länger mehren sich die Stimmen, die beklagen, dass Google die organischen Suchergebnisse zugunsten bezahlter Ads und eigener Services ins Abseits drängt. Lohnen sich SEO-Maßnahmen für Online-Händler überhaupt noch oder stirbt der Such-Traffic zugunsten von Preisvergleichsportalen und anderen Aggregatoren aus?

„SEO wurde schon oft für tot erklärt, aber es hat mehr Leben als eine Katze”, ist sich Jens Tonnier, ‎Head of SEO bei Performancemarketing-Spezialist ad agents, sicher. Denn auch wenn Google mehr und mehr bezahlte Werbeflächen anbietet, gibt es nach wie vor die Top-10-Suchergebnisse und die müssen ausgefüllt werden.

Patrick Scherr

„Die Tendenz geht ganz klar weg von SEO und hin zu Preissuchmaschinen und ähnlichen Plattformen“, sagt dagegen Patrick Scherr, Marketingchef bei Flagbit, einer Karlsruher Internetagentur, die sich auf E-Commerce-Shops spezialisiert hat. Zu den Kunden von Flagbit gehören mehr als 20 Groß- und Einzelhändler, etwa Technik-Versand Jacob Elektronik. “Ein Grund ist, dass SEO sich intern schlechter rechtfertigen lässt: man gibt im Monat 1.000 bis 10.000 Euro aus, um dann erst ein halbes oder ganzes Jahr später Effekte zu sehen. Mit Googles Product Listing Ads (PLA) kann ich als Händler dagegen meinen Produktkatalog sofort einstellen. Ein Klick kostet dann zwar 75 Cent, aber ich weiß sicher, dass jemand mein Produkt gesehen hat“, erklärt Scherr.

SEO sei zwar weiterhin empfehlenswert, aber es werde nicht mehr in dem großen Stil betrieben wie vor zwei oder drei Jahren. Themenblogs von Kleinredakteuren werden stärker, die gegen ein geringes Entgelt oder im Austausch für kostenlose Produkt-Samples Artikel verfassen, während klassisches SEO und Linkbuilding zurückgeht. “Stattdessen wird immer mehr Budget in Affiliate Marketing, Gutscheinportale und Preissuchmaschinen investiert”, sagt Scherr.

Dominik Wojcik

SEO und Preissuche können sich ergänzen

Oftmals müssen die Online-Händler sich gar nicht zwischen SEO und Preissuchmaschinen entscheiden, sondern einfach testen, ob nicht beide Kanäle sinnvoll sind, findet Dominik Wojcik, Geschäftsführer vom SEO-Berater Trust Agents aus Berlin: “Es geht dann ganz klar um die entstandenen Cost per Order (CPO) und damit auch den verbundenen ROI auf das eingesetzte Budget, idealerweise sollte man nicht unterschätzen, dass User gerne mehrere Kontakte brauchen, bis sie einen Kauf wirklich abschließen. So kann es durchaus sinnvoll sein, den User über alle möglichen Kanäle zu erreichen und dann mit dem Attributionsmodell zu messen, welcher Kanal am performantesten funktioniert.” 

Als Beispiel nennt Wojcik einen Fernseherkauf: Er sucht einen Fernseher bei Google, klickt auf das erste Ergebnis und landet auf der Produktseite eines Shops. Ihm gefällt der Fernseher, also sucht er nun nach Produktname + Test in Google und landet auf einer Preisvergleichsseite. Nachdem er die Bewertungen gelesen hat, klickt er wiederum auf den Link zum Shop und kauft den Artikel. „Wer hat jetzt den meisten Erfolg? Die Preissuchmaschine, die mich zurückgeführt hat, oder doch der Shop, der das Produkt in den organischen Suchergebnissen platziert und mich drauf aufmerksam gemacht hat“, gibt Wojcik zu bedenken.

Es könne also sinnvoll sein, beide Kanäle auszuspielen und zu messen, welche Preissuchmaschine welchen Traffic liefert und wie hoch die Conversion Rate ist. Denn nicht alle der Preissucher performen gleich gut. “Weiterhin sollte man nicht vergessen, dass der User auch einen Customer Lifetime Value hat. Ich habe meinen Kundenstamm erweitert und kann ihn über CRM-Maßnahmen immer wieder in den Shop leiten und wieder zum Kauf bewegen”, so Dominik Wojcik.

Jens Tonnier

Konkurrenz ist brutal

Das Ranking funktioniert bei Preissuchmaschinen meistens logischerweise über den Preis, auch wenn inzwischen User-Rezensionen immer wichtiger werden. Das führt zu Preiskämpfen und drückt die Marge zusätzlich.  Zudem eignet sich nicht jedes Produkt gleichermaßen für die Preissuchmaschinen. Jens Tonnier von ad agents: ”In verschiedenen Themenbereichen sind die Traffic-Kanäle sehr unterschiedlich. So ist zum Beispiel Mode als heterogener Produkttyp kein typischer Kanal für Preissuchmaschinen. Modekauf wird nach anderen Kriterien entschieden – oft emotional.“

Bei homogenen Produkten wie Technik ist der Anteil der Preissuchmaschinen am Traffic viel höher. Elektronikhändler haben schon jetzt teilweise nur noch 20 Prozent eigengenerierte Sales, der Rest kommt aus anderen Traffic-Quellen, beobachtet Patrick Scherr.

Bei vielen Produkten sind die Unterschiede marginal oder gar nicht vorhanden, was die Zwischenhändler aus Kundensicht austauschbar macht. „Die großen Aggregatoren wie Amazon, Google, eBay, im Ausland auch Rakuten, werden den Markt beherrschen – das ist die Zukunft. Den eigenen Shop hat man dann noch als Aushängeschild, aber relevanter Traffic und Verkäufe werden dort nicht mehr generiert“, prognostiziert Scherr.

Aktuelle Übersicht zu den Preissuchmaschinen; Grafik: ad agents, Daten: plentymarkets.eu

Gerade für kleinere Anbieter wird es immer schwieriger, eigenen Such-Traffic aufzubauen. “In Ländern wie Österreich und der Schweiz ist es noch vergleichsweise einfach mit SEO Erfolg zu haben. In Deutschland ist die Konkurrenz um die wichtigen Suchbegriffe so brutal, dass es mittelständischen Unternehmen inzwischen schwerfällt, da mitzuhalten”, erklärt Patrick Scherr. Zumal die großen Händler wie Zalando ihre Produktpalette ausgeweitet haben.

“SEO ist ein Trend, den auch die großen E-Commerce-Player erkennen und sich ihren Anteil am Kuchen sichern wollen. Da schwirren noch ein paar ganz dicke Schiffe im Netz, die noch nicht optimiert worden sind“, beobachtet Dominik Wojcik. Aktuell würden etwa die Descriptions stark überarbeitet und Eyecatcher ausprobiert, um die Click-Through Rates (CTRs) in den SERPs weiterhin zu verbessern.

Google bleibt der Gatekeeper – so oder so

„Auch die Preissuchmaschinen bekommen ihren Traffic über Google, so bleibt Google in jedem Fall der Gatekeeper“, sagt Jens Tonnier. Und dieser Gatekeeper mischt inzwischen fleißig mit. Google startet mit Compare einen eigenen Preisvergleich, zunächst für Versicherungen. Wird es für die Preissuchmaschinen nun selber eng? Experten rechnen damit, dass sich Googles Vorstöße Stück für Stück auf die Suchergebnisse auswirken werden. “Gerade der Bereich Versicherungen, insbesondere Kfz, wird durch Compare auf jeden Fall verlieren”, glaubt Dominik Wojcik. “Google wird sich weiterhin sehr genau anschauen, welche Suchen zu welcher Monetarisierung führen, damit sie auch da ihren Fuß reinsetzen und mehr Geld verdienen können. Das wird auf Kosten von SEOs gehen.”

Bild Regina Leuwer Über den Autor/die Autorin:

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