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Kognitive Dissonanz vermeiden

Karsten Zunke, 16. Juli 2013

Werbeblocker haben Hochkonjunktur, Nutzer werden immer flüchtiger und sensibler, die Touchpoints gleichzeitig vielfältiger. Die Online-Werbebranche muss sich neuen Anforderungen stellen. Adzine spricht mit Sven Weisbrich, CEO Universal McCann Germany, über die aktuellen Herausforderungen für Markeninszenierung und Kampagnenmanagement.

Adzine: Herr Weisbrich, es gibt immer mehr Touchpoints zu den Nutzern mit immer mehr Wechselwirkungen. Macht eine Unterscheidung in Branding- und Performance-Werbung überhaupt noch Sinn?

Sven Weisbrich: Durchaus, in diesem Zusammenhang sehen wir sogar eine Dreiteilung, mit der wir uns zukünftig beschäftigen müssen: Branding, Performance sowie CRM. Im Sinne einer Branding-Kampagne verlagern Werbungtreibende zunehmend u. a. ihre TV-Gelder in Online, um gerade jüngere Nutzer via Bewegtbild in ihrem „Medium“ zu erreichen. Performance-Kampagnen hingegen verfolgen eine ganz andere Zielsetzung. Hier geht es in erster Linie darum, den Nutzer zu aktivieren, etwas Bestimmtes zu tun. Eine stark zunehmende Bedeutung sehen wir im CRM via Online. Ziel ist hierbei, eine Kundenbindung aufzubauen, indem die jeweilige Zielperson über die gesamte Customer Journey hinweg begleitet und mit entsprechend interessanten und Rat gebenden Informationen versorgt wird. Diese Trennung wird so lange relevant sein, wie es sinnvoll ist, bei verschiedenen Kommunikationszielen unterschiedlich zu agieren.

Adzine: Kommunikationsziele sind das eine. Aber was wünschen die Zielgruppen? Müssen deren Bedürfnisse – auch in Anbetracht der Werbeblocker-Diskussion – nicht bereits bei der Konzeption der Kampagnen stärker berücksichtigt werden?

Sven Weisbrich: Das werden sie bereits. Zielgruppen wollen relevante Informationen und entsprechende Ansprachen. Sie möchten Antworten auf ihre Fragen, Feedback auf Kritik und wünschen Produkte und Angebote, die ehrlich und fair sind. All dies wird in Zukunft eine wesentlichere Berücksichtigung innerhalb der Kommunikation mit Kunden und potenziellen Käufern finden müssen. Eine über Demografie hinausgehende Differenzierung der Zielgruppe hinsichtlich psychografischer Merkmale verlangt künftig nach relevantem Content.

Um eine höhere Conversion Rate zu erzielen, müssen Kampagnen zeitlich stärker entkoppelt sein, um den Konsumenten bedürfnisgerecht abzuholen. Dies hat zur Folge, dass wir mit einer deutlich zunehmenden Komplexität in der Markenpflege, dem Markenauftritt und den generellen kommunikativen Maßnahmen rechnen müssen. Konsumenten möchten heute beispielsweise stärker mit der Marke interagieren. Verwendet man vor diesem Hintergrund nur einseitige Kommunikationsformen, muss sie zielgerecht auf die Wünsche der Konsumenten zugeschnitten sein. Ein Beispiel: Kauft ein Kunde bei Anbieter A einen Staubsauger, sollte Anbieter A ihm nach seinem Kauf keine Werbung mehr für Staubsauger einblenden, auch für Konkurrenzmarken sollte er keine Werbung mehr erhalten. Dies würde zwangsläufig zu kognitiver Dissonanz führen. Vielmehr sollte der Kunde Bestätigung für seine Entscheidung erhalten.

Adzine: Welche Auswirkungen hat die Erwartungshaltung der Zielgruppen auf die Markeninszenierung und das Kampagnenmanagement?

Sven Weisbrich: Die Marke muss sich bewegen lassen, Kommunikationsanlässe bieten und den Konsumenten als mündiges und intelligentes Gegenüber begreifen. Die Interaktion zwischen Marke und Konsument sollte zu einem interaktiven Prozess werden, der dazu führt, Angebote und Kommunikation entsprechend anzupassen. Marketing der Zukunft bedeutet insofern, auf die Bedürfnisse und Erwartungen des Konsumenten einzugehen und sie ernst zu nehmen, um ihm letztlich das Produktversprechen machen zu können, welches er erwartet und fordert. Kampagnenmanagement impliziert somit den souveränen Umgang mit allen kommunikativen Möglichkeiten, die relevant sind, um eine Marke im zielgruppenspezifischen Kontext zu pflegen.

Adzine: Wie können Technologien dabei helfen?

Sven Weisbrich: Gerade in der digitalen Kommunikation und CRM bestehen heute schon umfangreiche Datenbanklösungen, auf deren Basis wir individuell agieren und reagieren. Nehmen wir beispielsweise Aspekte wie Targeting und Re-Targeting. Hier gelingt es zunehmend, die Personensegmente gezielt anzusprechen, die faktisch an einem Kauf interessiert sind. Nach wie vor ist es allerdings eine gängige Praxis, dass sie nach Kaufabschluss weiterhin mit Angeboten konfrontiert werden, die zuvor bereits zum Kauf führten. Dies ist auf beiden Seiten nicht nur unsinnig, sondern führt schlimmstenfalls auch zu Dissonanzen, Reaktanz.

Sven Weisbrich

Adzine: Was wäre die bessere Lösung?

Sven Weisbrich: Es müssen Tools entwickelt werden, die diese Zusammenhängen nicht nur intelligent analysieren können, sondern letztlich auch eine umfassende intelligente Kommunikation mit dem Konsumenten ermöglichen, um Kundenbindung sowie Loyalität aufzubauen und zu gewährleisten. In Unternehmen werden nach wie vor nicht alle Kampagnendaten sowie Daten zu Abverkaufszahlen und Produktsegmenten gemeinsam ausgewertet. Oftmals ist der E-Commerce-Bereich vom klassischen Geschäft abgetrennt. Dies hat zur Folge, dass Potenziale in der Zielgruppenansprache nicht ausgeschöpft und Kampagnen nicht aus einem Guss inszeniert werden. Diese Multichannel-Intelligenz ist somit beschränkt. Wir haben in den letzten Jahren in eine eigene Technologieplattform investiert, die uns auf einem Blick ermöglicht, Leistungsdaten aus über 75 Quellen zu erfassen, zu analysieren und zu interpretieren. Tools und Daten sind jedoch nicht die alleinige Lösung. Letztendlich hängt eine erfolgreiche Kommunikation mindestens zum gleichen Teil davon ab, ein gutes Gespür für Marke und kreative Kommunikation zu haben.

Adzine: Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Sven Weisbrich: Im einfachsten Fall, den wir heute sehr oft wiederfinden, konfiguriert ein Konsument einen silbernen Kleinwagen und wird diesen per Re-Targeting beim anschließenden Surfen über unterschiedlichste Websites hinweg als Werbemittel wiederfinden. Hat das Unternehmen Glück, nimmt der Konsument dies zum Anlass, um zurückzukehren und eine Probefahrt zu vereinbaren. Allerdings greift die Erfolgsmessung dabei nicht auf qualitative Faktoren zurück, sondern arbeitet rein quantitativ. Um kognitive Dissonanz zu vermeiden, müssten hier entsprechende Tools Anwendung finden.

Adzine: Und im besten Fall?

Sven Weisbrich: Dieser ist leider selten. Im besten Fall findet eine Segmentierung statt, wonach zum Beispiel per Cookie-Targeting ein Konsument einer Usergruppe zugeordnet wird, die den besagten Kleinwagen konfiguriert hat. Durch die Analyse der Aktivitäten auf den eigenen Plattformen, wie Newsletter, Handel, Website, Callcenter etc., ist dem Unternehmen bekannt, dass das Interesse an dem Kleinwagen zum Beispiel mit einer hohen finanziellen Sensibilität auf Konsumentenseite korreliert. Diese Erkenntnis wird dazu genutzt ein alternatives Finanzierungsangebot für dieses Usersegment auszuspielen. Die Tonalität des Finanzierungsangebots und der CTA fallen somit unter Umständen für einen User, der Prospekte heruntergeladen hat und auf „jungen Umfeldern“ unterwegs ist, anders aus als für User, die auf Wirtschaftsmedien unterwegs sind und eine Konfiguration abgebrochen haben. Ist nach einer definierten Zeit keine zielführende Reaktion zu verzeichnen, verändern sich Targeting und Segmentzugehörigkeit und damit auch die künftige Ansprache.

Adzine: Herr Weisbrich, vielen Dank für das Gespräch.

Bild Karsten Zunke Über den Autor/die Autorin:

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