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Publisher müssen umdenken

19. April 2012

Im Rahmen der diesjährigen Ad Trader Conference erläutert Ronald Paul, CEO von der Performance Agentur Quisma die Vorzüge von Realtime-Bidding (RTB) für die Einkaufsseite. Paul berichet aber auch von einer gestiegenen Akzeptanz der Publisher ihren Inventar für diesen auktionsbasierten Mediahandel freizugeben. Doch noch scheint es in Deutschland mit RTB nur zögerlich voranzugehen.

Adzine: Herr Paul, wie beurteilen Sie die aktuelle Marktsituation in den Bereichen Realtime Bidding und Ad Trading in Deutschland?

Ronald Paul, Quisma: Das Thema RTB ist im deutschen Markt inzwischen weitestgehend angekommen – zumindest was die Diskussion darüber betrifft. Viele internationale Anbieter, besonders stark ist hier die Vorreiterrolle der US-Player zu erkennen, sind mit ihren Angeboten auf dem Markt präsent, die großen SSPs und Ad Exchanges bieten ausreichend Variabilität. Die Akzeptanz auf Publisherseite, die in der Vergangenheit immer noch bemängelt wurde, wächst immer stärker und damit auch das zur Verfügung stehende deutsche Inventar. Mehr und mehr Publisher testen und realisieren damit, dass die Kapitalisierung über RTB funktioniert, dass sich die Anbindung an eine SSP (Supply Side Platform) rechnet, ausreichend Transparenz gegeben ist und auch die verfügbaren Kontrollmechanismen greifen.

Viele Marktteilnehmer auf beiden Seiten haben sich mittlerweile an die verschiedenen SSPs bzw. DSPs (Demand Side Platform) angeschlossen – nun müssen die gewachsenen Prozesse entsprechend angepasst werden, um die neuen technologischen Möglichkeiten beiderseits effizient zu nutzen. Vor allem das Thema Data-Management ist in diesem Zusammenhang immer noch kritisch – jedoch wird die Sammlung und Nutzung von Daten, außer im Bereich Retargeting, zwar viel diskutiert, ist aber nur bedingt in der Anwendung wiederfindbar. Dies liegt zum einen daran, dass die Verfügbarkeit von 3rd-Party-Daten in Deutschland noch am Anfang steht und die großen internationalen Anbieter aufgrund der unsicheren Rechtslage in Europa nur zögerlich den deutschen Markt für sich entdecken.

Adzine: Wie kann RTB die Marketing-Performance steigern, vor allem im Zusammenhang mit Retargeting?

Paul: Der große Vorteil von RTB im Zusammenhang mit allen Formen des Targetings ist der Einkauf auf Impressionlevel: Bei jeder angebotenen Ad Impression wird in Echtzeit entschieden, ob sie gekauft werden soll oder nicht und was sie für die jeweilige Kampagne für einen Wert hat. Bei einer Retargetingkampagne werden über RTB nur die User-Impressions gekauft, die zuvor im Shop des Advertisers markiert wurden. Zudem kann der Preis für jede Impression differenziert über die Bidding-Strategie bestimmt werden. Beispielsweise wird die Impression eines Users, der erst vor einem Tag für ein Topseller-Produkt markiert wurde, im Vergleich zur Impression eines Users, der schon vor 14 Tagen für ein Standardprodukt markiert wurde, höher bewertet. Somit kann jede Bidding-Strategie individuell an die Performance-Ziele des Kunden angepasst und daher das maximale Outcome erzielt werden.

Adzine: Sie erwerben einen Gutteil des Inventars, das sie weiterverkaufen, im Bulk-Einkauf. Schadet die Transparenz nicht auch den Agenturen?

Paul: Beide Modelle werden auch im Zukunft zum Einsatz kommen. Darüber hinaus entwickeln sich mit den von SSPs angebotenen Private Exchanges derzeit auch Mischformen dieser Einkaufsmodelle und können so in Kombination kosteneffizient und zielführend eingesetzt werden. Bulk-Buying hat den Vorteil, dass direkt auf garantierte Volumina von hochwertigen Inventarquellen zugegriffen werden kann, das sorgt für langfristig kalkulierbare Preismodelle und fix planbare Reichweite. RTB bringt als Gegenpart dazu hohe Dynamik und Flexibilität in Sachen Reichweite und Preis und ermöglicht „Cherrypicking“, z. B. bei Targetingkampagnen oder Audience-Buying. Zudem eignet es sich gut, um spitze Zielgruppen aus der Masse herauszufiltern und auch kleinere Volumen optimal zu platzieren. Das Thema Transparenz trifft weiterhin alle im Markt unabhängig vom Einkaufsmodell – da die Technologien, die zunehmend mehr Transparenz über die gelieferten Impressions ermöglichen, nicht nur für den Einkauf über RTB zur Verfügung stehen. Das größte Umdenken bezüglich Transparenz ist aufseiten der Publisher notwendig und damit auch das Lösen von gängigen Verkaufsmodellen.

Adzine: Wie muss eine Zusammenarbeit zwischen Vermarktern und Agenturen aussehen, damit alle mitmachen?

Paul: Die Zusammenarbeit sollte individuell an die Bedürfnisse und Ziele beider Parteien angepasst werden – die große Klammer im Einkauf bilden zukünftig die DSPs, die die Verbindung beider Einkaufsmodelle (RTB & Bulk) ermöglichen sollten und eine zentrale Aussteuerung der Kampagnen gewährleisten. Die Möglichkeiten, die beide Seiten nun von technologischer Seite für den Ver- bzw. Einkauf ihrer Ad Impressions haben, sollten im Einzelfall abgewogen und bewertet werden. Durch den Handel per RTB bekommen beide Seiten mehr Flexibilität in der Zusammenarbeit, da ein Commitment hier nur auf Impressionlevel stattfindet. So kommen die Vorteile und Nachteile von RTB durch das dynamische Pricing auf Impressionlevel und das Realtime-Auktionsprinzip voll zum Tragen.

Im Gegensatz dazu besteht natürlich weiterhin die Möglichkeit für Agenturen, die Vermarkter, mit denen sie weiterhin nach dem gewohnten Bulk-Buying-Prinzip arbeiten möchten, direkt als Inventarquelle an ihre DSP anzubinden, um so wie gehabt auf garantierte Volumina in hochwertigen Umfeldern zugreifen zu können. Eine Mischform aus beiden sind die sogenannten „Private Exchanges“ – eine Funktionalität die viele SSPs inzwischen anbieten. Hier können über den klassischen RTB-Einkauf hinaus direkte Advertiser-Publisher-Beziehungen und -Agreements über die SSP aufgebaut werden – ein spannendes Thema für beide Seiten, das jetzt als neues zusätzliches Modell für die Zusammenarbeit zur Verfügung steht.

Adzine: Was hindert große Vermarkter wie United Internet bislang daran, mehr Inventar zur Verfügung zu stellen, und mit welchem Argument antworten Sie darauf?

Paul: Die größte Angst vieler Publisher ist nach wie vor ein mit dem Auktionsprinzip einhergehender Preisverfall und die Kannibalisierung ihrer klassischen Verkaufsmodelle. Hier kommt es in Zukunft darauf an, dass beide Seiten mit ihren Technologien dafür sorgen, dass Kampagne und Werbeplatz effizient zusammengeführt werden. So sollten sowohl die Advertiser in ihrer Optimierung so effizient sein, dass sie in der Lage sind, gute Preise für gutes Inventar zu zahlen, aber genauso auch die Publisher von ihrer Seite Daten zur Verfügung stellen, die helfen den Wert der Impression optimal von Advertiserseite her zu bewerten. Data-Management sollte also in Zukunft nicht alleine Thema der Advertiser sein.

Adzine: Bereitet die aktuelle – etwas unbewegliche – Situation Googles das Terrain für deren Plattform?

Paul: Von einer unbeweglichen Marktsituation kann aktuell in Deutschland nicht die Rede sein, vielmehr geht es einfach nur zu langsam vorwärts. Natürlich hat Google – gerade auch nach der Akquisition von Admeld im letzten Jahr – eine Vorreiterposition in Sachen datengetriebenes Display Advertising, aber andere große Player wie z. B. Appnexus oder Rubicon sind aktiv dabei, den deutschen Markt zu bearbeiten. Zudem erreichen immer mehr lokale Player mit intelligenten Lösungen eine höhere Visibilität und behaupten sich gegen die vermeintlich "großen", "internationalen" Player bei relevanten AGOF-Publishern.

Adzine: Herr Paul, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Frank Puscher

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