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Ein Koffer voller Möglichkeiten

Jens von Rauchhaupt, 1. März 2012

Wo wären die Reise- und Urlaubswilligen ohne das Internet? Richtig, gefangen im Reisebüro oder gestresst am Schalter. Das Internet ist aber inzwischen die erste Anlaufstelle, um sich über Reiseziele, Pauschalangebote, Tickets, Hotels und Mietwagen zu informieren. Seine Relevanz als Informationsplattform kann von der Reise- und Touristikbranche gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aber auch als Abverkaufs-, also Transaktionsmedium hat es in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Wer aber als Anbieter in dieser Branche bei seinen Marketingmaßnahmen nur auf eine einzelne Online-Disziplin setzt, wird weniger Erfolg haben.

Glaubt man aber dem Deutschen ReiseVerband (DRV), kann das alles gar nicht so dolle sein mit dem Internet, jedenfalls, wenn es um die Reisebuchungen von Veranstalterreisen geht. Nach ihren Erhebungen würden noch immer 95 Prozent aller Bundesbürger ihren Urlaub im Reisebüro buchen. Vor allem die individuelle Beratung durch kompetente Fachkräfte würde den Ratsuchenden viel Arbeit in der Planung abnehmen.

Neueste Erkenntnisse der Markt-Mediaforscher aus der AGOF (Arbeitsgemeinschaft Online Forschung) geben Anlass, dieses DRV-Ergebnis deutlich zu hinterfragen. Für den neuen Branchenreport „Reise und Touristik“  hat die AGOF das Kundenpotenzial der Internetzielgruppe der Reise- und Touristikbranche aus der letzten Befragungswelle ausgewertet.

Die Ergebnisse sind vielschichtig, hier nur ein Auszug: 82 Prozent der User setzen das Internet als Recherchetool für ihre Reise- und Urlaubsplanung ein. Über 26 Millionen Internetnutzer haben sich über spezielle Reise- und Touristikprodukte informiert und 24,6 Prozent von ihnen haben dann in den letzten 12 Monaten eine solche Urlaubs- oder Last-Minute-Reise im Internet gebucht. Bei den reinen Hotelbuchungen sind es 25,9 Prozent, die den Weg über das Internet gegangen sind. Das Segment Online-Hotelbuchungen scheint generell durch die Decke zu gehen. Die Hotelkette Marriott hat im Jahr 2011 mit ihren Web-Services auf ihren neun internationalen Webseiten weltweit 7 Milliarden Dollar umgesetzt. Ohne Internet geht also kaum mehr was in dieser Branche. Es sind vor allem die unter 50-jährigen Nutzer, die laut AGOF hierzulande zu den reiseaffinen Nutzergruppen gehören und das Internet zum bevorzugten Sprungbrett ihrer Buchungen einsetzen.

Taskin Erdem

Marke haben oder Marke machen?

Search Marketing, Affiliate Marketing, E-Mail-Marketing, Display Performance Marketing, Display Advertising, Mobile Marketing, Video Advertising oder gar Social Media Marketing; das digitale Marketing bietet für jede Zielsetzung eine oder gleich mehrere Online-Disziplinen als passende Lösung an. Welche nun davon die Reise- und Touristikbranche einsetzen sollte, hängt neben dem Geschäftsmodell stark vom eigenen Standing am Markt ab, meint Taskin Erdem, Leiter Search und Affiliate Marketing bei der Performance Agentur mediascale: „Unternehmen, die als Marke unbekannt sind, sollten eher auf markenbildende Maßnahmen setzen. Wer aber bereits bekannt ist und eventuell sogar einen TV-Flight hatte, sollte allen voran Search und Affiliate Marketing einsetzen.“

Bei mediascale unterscheidet man zwischen der Wahl eines aktiven oder eines reaktiven Kanals. „Search und Affiliate Marketing sind reaktive Kanäle, d. h., der Erfolg richtet sich nach Marktbegebenheiten, der Bekanntheit der Marke und Angebote und wie stark die Marke in anderen Kanälen gepusht wird. Alle Performance-Maßnahmen reagieren also auf imagefördernde Maßnahmen. Das gilt für Search, Affiliate, Performance Display und, hier ganz wichtig, den Bereich Retargeting. Hier muss aber das Frequency Capping stimmen.“

Erdem erinnert sich, wie Expedia vor ein paar Jahren den Markt mit dem Komödianten Mirco Nontschew aufrollte. „Das war ein cleverer Verdrängungswettbewerb. Expedia hatte parallel zum TV-Flight für Search alles eingekauft, um überall auf Platz 1 zu kommen, was in irgendeiner Form mit Reise zu tun hat. Das war sicherlich sehr kostenintensiv und nicht besonders wirtschaftlich – doch die haben das lange durchgezogen und sind heute in der Branche ein großer Player. Ähnliches kann man jetzt bei Ab-in-den-Urlaub beobachten, nur dass sie neben Searchengine Advertising mit YouTube auch auf Video Advertising setzen.“

Suchmaschinenmarketing ist Pflicht

Kaum eine Branche setzt so konsequent auf Search wie die Reise- und Touristikbranche. Diese investierte in der 7. Kalenderwoche 2012 täglich mehr als 2,3 Millionen Euro auf Google. Für Peter Herold, Geschäftsführer von Xamine, einem Anbieter für Search-Marketing-Analysetools, spielt die Reise- und Touristikbranche eine Vorreiterrolle für die Professionalisierung im Umgang mit bezahlten Suchmaschinenanzeigen: „Vor 2-3 Jahren wurde die bezahlte Suche als Marketinginstrument und neuer zusätzlicher Kommunikationskanal erstmals ‚bewusst‘ wahrgenommen. Bewusst in der Bedeutung, dass die werbetreibenden Unternehmen und Agenturen die Messbarkeit und das SEA-Performance-Management bewusst auch außerhalb der Google Instrumente betrachtet haben. Die Branche Urlaub & Reisen war hier ein Vorreiter, was die Einbindung der bezahlten Suche in die Kommunikation, den Budgeteinsatz und die Intensität des Online-Wettbewerbs betraf.“

Zu den investitionsstärksten Marktteilnehmern zählen im Bereich Search Reisevermittlungsportale wie booking.com, ab-in-den-urlaub.de, opodo.de oder fluege.de. Die beliebtesten Keywords in der Tourismusbranche lauteten in der in KW 7: „hotels“, „reisen“ und „flug“. Diese drei Keywords allein haben laut Google zusammen im Monat Januar ein Suchvolumen von 43 Millionen Abfragen generiert. Der Januar ist dabei für die Reiseveranstalter und Reisevermittler der buchungsstärkste Monat. „Dezember ist die Entscheidungsfindungsphase. Ende Dezember geht es dann los, und die meisten Buchungen sind im Januar. Dieser Zeitraum ist auch am stärksten mit Branding-Werbung belegt“, berichtet Erdem. Anders verhält es sich mit zusätzlichen Dienstleistungen. „Autovermietungen ziehen ja beispielsweise auch im März an. Entsprechend wird dann auch dafür geworben.“

Peter Herold

Aber genauso wie die bezahlte Suche gehört die Suchmaschinenoptimierung des eigenen Online-Auftritts zum fortwährenden Pflichtprogramm in der Branche. „Wir beobachten, dass für die Branche Reisen & Urlaub die organischen Suchergebnisse in der Bedeutung noch vor der bezahlten Suche liegen, gefolgt von Social Media, E-Mail-Marketing und den Maßnahmen im Mobile Marketing“, berichtet Herold. In den Suchmaschinen Google, Bing und Yahoo! seien die Suchvolumen für Begriffe rund um Reisen & Urlaub extrem hoch und die eingesetzten Budgets steigen stetig. „Für viele kleinere Anbieter im Bereich Reisen & Urlaub stellt dies nahezu unüberwindbare Markteintrittsbarrieren dar. Die großen Reise- bzw. Reisevermittlungsportale wie z. B. ab-in-den-urlaub.de, opodo.de und holidaycheck.de streben eine SEA/SEO-Cross-Optimierung an, indem sie gleichermaßen in die bezahlte Suche und in die Verbesserung der organischen Suchergebnisse investieren“, sagt Herold.

Der Wettbewerb um die besten Keywords verschärft sich dabei sichtbar: Das steigende Buchungsvolumen treibt die Keywordpreise (CPC) kontinuierlich in die Höhe. Der Keywordpreis für „frühbucher“ zum Beispiel liegt derzeit bei 2,40 Euro. Xamine erwartet im März noch einmal deutlich höhere Gebote.

Affiliate Marketing, die zweite Säule der Branche

Ebenso wichtig wie das Search Marketing bleibt für die Branche das Affiliate Marketing mit seiner unzähligen Schar von SEO-optimierten Vergleichs- und Informationsseiten. „Affiliate Marketing ist in der Reisebranche noch immer eine sehr günstige Möglichkeit, um neue Kunden zu gewinnen“, bestätigt Erdem die Agentursicht. Nicht zufällig zählt zanox, einer der größten Affiliate-Netzwerkbetreiber in Europa, über 500 aktive Kunden aus der Reise-und Touristikbranche. Das Travel-Segment zählt bei zanox neben den Bereichen „Retail & Shopping“ und „Telko & Services“ zu den Top 3 Branchen.

Christian Kleinsorge

Christian Kleinsorge, Chief Sales Officer (CSO) von zanox: „Im Travel-Segment sind bei zanox volumenseitig Flüge das stärkste Produkt, gefolgt von Hotels, Mietwagen und Pauschalreisen. So konnte zanox im Jahr 2011 alleine in Deutschland über 1,3 Millionen Flugbuchungen über das Netzwerk vermitteln.“ Selbst Kleinsorge will das Affiliate Marketing trotz seiner großen Bedeutung als Absatzkanal für die Branche nicht isoliert betrachten: „Am Ende zählt die Transaktion! Die Weiterentwicklung dieses Ansatzes führt zur Idee des Performance Advertising über alle Kanäle – von Preisvergleichsseiten und Shoppingportalen über Coupons und Cashback-Modelle, E-Mail-Marketing, Display Advertising, Retargeting bis hin zu Mobile und Social Media Marketing und weiterem mehr. Eine Beschränkung des Performance-Gedanken nur auf den klassischen Affiliate-Kanal ist für Anbieter aus der Travel-Branche längst nicht mehr ausreichend.“

Jörn Grunert

E-Mail-Marketing für die Kundenbindung

„Der E-Mail-Marketing-Kanal ist für unsere Kunden aus der Tourismusbranche in erster Linie ein wichtiges Instrument zur Kundenbindung. Das Interesse an der Implementierung ganzheitlicher Kundenzyklusprogramme ist sehr groß. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die individuelle Kommunikation zwischen Anbieter und Kunde“, erklärt Jörn Grunert, Geschäftsführer von Experian Marketing Services in Deutschland, die unter anderem den Reiseveranstalter TUI betreuen.

Bei Mailings für Bestandskunden zähle der kontinuierliche Dialog mit einer individuellen Ansprache. Die Reaktivierung der Kunden durch neue Angebote erfolge parallel. „Beispielsweise durch kontinuierliche Informationen zu Frühbucherrabatten oder dadurch, dass dem Kunden nach einem abgebrochenen Buchungsvorgang per E-Mail die ausgewählten Ziele noch einmal angeboten werden“, erläutert Grunert.

Für Grunert hat die Touristikbranche im Unterschied zu vielen anderen Branchen besonders lange Sales-Zyklen. Es handle sich um kein klassisches Produkt, das spontan erworben und mit den klassischen Sales Push aktiviert werden könne. „Der direkte Kauf nach einem Mailing ist eher eine Ausnahme, somit wird bei der Erfolgskontrolle einer bestimmten E-Mail-Kampagne ein deutlich längerer Zeitraum betrachtet. Daher sollten die E-Mail-Marketing-Kampagnen stets in Anlehnung an das Kaufverhalten der Kunden ausgesteuert werden – erfahrungsgemäß planen die Kunden ihre Reise 6-12 Monate im Voraus.“

Dominik Frings

Newsletterkampagnen zur Leadgenerierung werden für die Vergrößerung des eigenen E-Mail-Verteilers sporadisch eingesetzt. Hilfestellung geben dazu spezialisierte E-Mail-Dienstleister, die über aktuelle Adressenpools aus der Reise- und Touristikbranche verfügen und gesetzeskonform anbieten. „Stand-Alone-Newsletter können für die Reisebranche saisonal und als gezielte Maßnahme durchaus ein sinnvolles Instrumentarium zur Neukundengenerierung darstellen. Insbesondere für die klassischen Frühbuchungs- und Last-Minute-Zeiträume gekoppelt mit attraktiven Angeboten ist ein Einsatz ratsam“, sagt Dominik Frings, COO und Geschäftsleitung von mediascale.

Allerdings sollte der Einsatz nach seiner Ansicht immer auf seine Wirtschaftlichkeit hin betrachtet werden. “Zur flächendeckenden Markenkommunikation ist dieses Mittel allerdings ungeeignet, da man in der Regel mit 2-stelligen TKPs kalkulieren muss. Der Einzelkontakt mit einem Newsletter ist dabei durchaus sehr wertvoll. Da die Öffnungsraten aber in den seltensten Fällen 20-30 % übersteigen, muss man den Mediapreis mit dem Faktor 3-5 multiplizieren, um den effektiven TKP zu erhalten. Damit ist eine Reichweitenkampagne nicht mehr wirtschaftlich darstellbar. Erschwerend kommt hinzu, dass das zur Verfügung stehenden Inventar an qualifizierten E-Mail-Adressen sehr begrenzt ist“, sagt Frings.

Displaywerbung für Aufmerksamkeit und die Ansprache

Wo es mit der Bekanntheit hapert, muss aktiv um die Aufmerksamkeit der Kunden gerungen werden. Für die richtige Awareness einer Marke oder eines Angebotes kann besonders Displaywerbung sorgen. Allerdings fordern viele Vermarkter zu hohe Preise, wie Frings meint: „Für Displaywerbung ist der Reisebereich mit 2 bis 5 Euro TKP auf Standardformate vergleichsweise teuer.“ Mediascale nutzt daher eigene Targetingprogramme, um mit Performance-Display-Kampagnen die Zielgruppe der Reisekunden ohne Streuverluste anzusprechen. „Wir können nach Userprofilen targeten, also User gezielt ansprechen, die wirklich Interesse an einem Produkt oder einer Marke aufweisen“, sagt Erdem.

Marco Stolze

TripleDoubleU setzt bei seiner Umfeldvermarktung mit Sichtbarkeitsgarantien dagegen. Der Digital-Vermarkter hat sich zum Beispiel mit einem eigenen Reisechannel auf Displaywerbung auf TKP-Basis spezialisiert. Die Sichtbarkeit der Werbemittel ermöglicht TripleDoubleU mit der Einbindung von Sticky-Werbemittel, die beim Scrollen des Nutzers sichtbar bleiben. „Im Sinne der Backfill-Vermarktung (Restplatz) sind für geringere TKPs auch ‚above the fold‘-Platzierungen möglich. Diese Platzierungen dienen als Reichweitenergänzung für die Mediaplanung z. B. auf Unterseiten“, sagt Marco Stolze, geschäftsführender Gesellschafter TripleDoubleU: „Der Branding-Anteil bei unseren Reiseseiten liegt bei circa 80 Prozent, Performance bei circa 20 Prozent. Performance verstehen wir dabei als Low-TKP – nicht CPC. CPC bietet TripleDoubleU als positionierter Branding-Vermarkter nicht an.“

Fazit

Schon das klassische Online-Marketing bietet der Reise- und Touristikbranche eine Fülle von Möglichkeiten. Von der wachsenden Bedeutung von Social Media haben wir an dieser Stelle noch gar nicht gesprochen. Auch Mobile stelle laut Kleinsorge von Zanox für die Reise- und Touristikindustrie inzwischen einen relevanten Absatzkanal dar. „Das ‚zanox Mobile Performance Barometer‘ mit harten Transaktionszahlen aus dem europäischen zanox Netzwerk belegt: Die Tourismusbranche kann eine beeindruckende Umsatzwachstumskurve im mobilen Bereich von über 270 Prozent von 2010 auf 2011 aufweisen.“ Viele Wege führen also nach Rom. Wichtig ist nur, dass man als Werbungtreibender die Wege seiner Zielgruppe auch kennt.

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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