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Couponing – Wunderwaffe mit Risiko für Kleinunternehmer

Jens von Rauchhaupt, 12. Januar 2012

Online-Couponingsysteme wie das vom Marktführer Groupon oder Mitbewerber DailyDeal strahlen für Kleinunternehmer und Selbstständige einen fast unwiderstehlichen Reiz aus: dank den breit gestreuten Online-Anzeigen, einem millionenstarken Newsletter-Verteiler und dem Social-Sharing der Angebote gewinnen die Unternehmen schnell an Bekanntheit – ohne auch nur einen Eurocent dafür zu zahlen. Wir haben drei Hamburger Unternehmerinnen zu ihren ersten Erfahrungen mit Groupon-Rabattaktionen befragt. Nicht alle wurden damit glücklich.

Wie seine Wettbewerber setzt Groupon auf einen mächtigen Newsletterverteiler und flankiert seine E-Mail-Marketing-Maßnahmen mit dem Einkauf von Online-Media, um auf die Rabattaktionen seiner Kooperationspartner aufmerksam zu machen. Kooperationspartner sind alle Leistungsanbieter, die über Groupon ihre Angebote unter deutlichen Preisnachlässen – meist über 60 Prozent – im Internet lokal als „City Deal“ anbieten.

Das System

Diese Deals werden zum Beispiel mittels Werbebanner im Web zielgenau zum Wohnort des Users über Geotargeting angepriesen. Der Nutzer registriert sich nach Klick auf das Werbebanner mit seiner E-Mail-Adresse auf der Landing-Page und kann so den betreffenden Gutschein der Aktion erwerben, ausdrucken und beim Kooperationspartner einlösen. Zugleich wird der Gutscheinkäufer damit Abonnent des Groupon-Newsletters.

Der Newsletter ist für Groupon das zentrale Marketinginstrument um den Schnäppchenjäger täglich über neue Rabattaktionen in seiner Stadt zu informieren. Aber auch überregionale Deals werden dort als „nationale Deals“ angeboten. Eine genaue Zahl seiner Newsletter-Abonnenten gibt Groupon nicht raus; laut Groupon-Pressesprecherin Sophie T. Guggenberger sollen es in Deutschland „mehrere Millionen“ sein, die den Newsletter abonniert haben. Eine Besonderheit von Groupon ist, dass eine Mindestzahl an Gutscheinen verkauft sein muss, bevor ein Deal tatsächlich stattfindet. In der Regel beträgt die Laufzeit einer Rabattaktion 24 Stunden. Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen sich die Laufzeiten auf ein ganzes Wochenende erstrecken können.

Bei der Erstellung der Anzeige und der Landing-Page muss sich der Kooperationspartner nur Gedanken zum Inhalt machen. Den Rest, also die redaktionelle und grafischen Gestaltung des Deals bis hin zur Zahlungsabwicklung übernimmt der Couponinganbieter mit Sitz in Berlin. Inzwischen beschäftigt dieser gut 1.000 Mitarbeiter in Deutschland, weltweit sollen es gar 10.000 sein. Als Groupon-Kooperationspartner kann man also ohne großen Aufwand von einer ausgeklügelten Online-Marketingmaschine profitieren. Wie gut diese Maschine funktioniert, werden unsere Beispiele noch zeigen.

Groupon selbst verdient sein Geld mit der Provision an jeder Aktion, der sogenannten Erfolgsprämie. Soweit nicht anders verhandelt, liegt die bei 50 Prozent des Angebotspreises. „Unsere Kooperationspartner zahlen nur im Erfolgsfall eine Provision an Groupon, also sobald ein Kunde auch tatsächlich einen Gutschein erworben bzw. diesen beim Anbieter eingelöst hat“, erläutert Guggenberger. Der Leistungsanbieter kann also erst nach Einlösen des Gutscheins durch den Verbraucher von Groupon seinen vereinbarten Anteil verlangen. Somit profitiert Groupon auch von all jenen Usern, die zwar einen Rabattgutschein über das Internet erworben, aber niemals eingelöst haben.

Die Gültigkeitsdauer der Rabattgutscheine beträgt ohne weitere Absprachen mit dem Kooperationspartner 24 Monate, doch hängen Gültigkeitsdauer und die Höhe der Provision für Groupon immer vom Verhandlungsgeschick des Unternehmers ab. „Diese Provision, die Groupon für seine Dienstleistung vom Partner erhält, wie auch die Auszahlungsmodalitäten sind immer Gegenstand einer individuellen Vereinbarung mit dem Kooperationspartner, der den Deal auf Groupon.de schaltet. Alle Rahmenbedingungen sind letztlich abhängig von den Wünschen unseres Partners, den Besonderheiten der jeweiligen Branche und den Spezifika des Angebots“, sagt die Pressesprecherin.

Beispiel 1: Eine saubere Sache

Daniel Ott ist Chef des Zwei-Mann-Autopflegeunternehmens „Shining Car“ aus dem Hamburger Stadtteil Fischbek. Er ist ein solcher Kleinunternehmer, der sich in letzter Zeit als Partner auf Groupon eingelassen hat. Sein erster Deal lief im Oktober: „Ein Mitarbeiter von Groupon rief mich von sich aus an und erklärte mir das Konzept.“ Herausgekommen ist die Aktion „Harz-Teflon Versiegelung inkl. Handwäsche zum Preis von 39,90 Euro statt 150, Euro“. Der Erwerber spart also bei der Autowäsche gut 110 Euro bzw. 73 Prozent des eigentlichen Preises. Ott hatte überhaupt keine Erfahrung im Umgang mit Groupon oder ähnlichen Anbietern und zeigt sich mit dem Ergebnis seiner ersten Aktion mehr als zufrieden: „Insgesamt habe ich 380 Gutscheine verkauft. Mein Berater bei Groupon sagte mir zuvor, ich könne so mit 250 Gutscheinen rechnen.“ Besonders wichtig war für Ott das Cross-Selling anderer Dienstleistungen. „Ich habe natürlich den Kunden nach der Auto-Handwäsche unter Aufpreis zusätzlich eine Politur angeboten, die von 80 Prozent der Gutscheinkunden angenommen wurde.“

Ott selbst hatte sich über die Anzahl der verkauften Gutscheine überhaupt keine Gedanken gemacht, es sollte einfach „anrollen“, wie er sagt. Und Arbeit hat er dank der Groupon-Aktion genug bekommen. „Ich arbeite die Gutscheine ja noch immer ab. Für mich war es wichtig, dass ich nur etwas anbiete, was ohne Qualitätsverlust auch schnell von der Hand geht, ohne dass ich viel Zeit verliere.“ Dazu musste Ott aber hart mit seinem Groupon-Berater verhandeln: „Der wollte erst, dass ich auch eine Innenreinigung zum gleichen Preis in das Angebot mit reinnehme. Ein Wahnsinn. Das habe ich natürlich abgelehnt. Mir war schnell klar, dass ich das nicht rechnen würde.“ Für Ott war die Groupon-Aktion eine saubere Sache und inzwischen hat er wieder mit ihnen erfolgreich „gedealt.“

Beispiel 2: Kurz vor dem Ruin

Wer als Unternehmer allerdings nicht mit den Groupon-Beratern verhandelt, kann mit einer solchen Rabattaktion schnell seine wirtschaftliche Existenz gefährden. Vor allem, wenn er die Zahl seiner Aktionsrabatte nicht von vornherein limitiert. Das musste die Fotografin Marlene Sonnenfeld (Name auf Wunsch der Zitatgeberin geändert) am eigenen Leib erfahren. Sonnenfeld ist Fotografin, die in ihrem Hamburger Studio Porträts, Hochzeitsfotos, Office-Fotografien, Kampagnen- sowie Still- und Pack-Shots anbietet. Ein Groupon City Deal hätte sie beinahe in den wirtschaftlichen Ruin getrieben. „Das war knapp. Ohne meine Rücklagen und die Unterstützung meiner Freunde hätte ich diese schwere Zeit nicht überstanden“, berichtet Sonnenfeld heute. „Ich war mit meinen Kräften einfach am Ende und nur noch unglaublich genervt.“

Was war geschehen? Sonnenfeld wurde im September 2010 proaktiv von einem Groupon-Berater angerufen. Dieser überzeugte die Jungunternehmerin, über Groupon eine City-Deal-Aktion mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr zu starten. Für 49,- Euro wurde den Groupon-Schnäppchenjägern als ein Deal des Tages eine „exklusive Fotosession im charmanten Fotostudio der sympathischen jungen Fotografin Marlene Sonnenfeld“ angeboten. Eine Dienstleistung, die bei der Fotografin im günstigsten Fall 150 Euro kosten würde.

Das klingt nach einem guten Deal. Denn der Couponeinkäufer erhielt ein professionelles Fotoshooting und sparte dabei 67 Prozent vom eigentlichen Preis. Wer kann dazu noch Nein sagen? Nur Wenige. „Mehr als 80 meiner Coupons würde Groupon wahrscheinlich nicht verkaufen, sagte mir mein Groupon-Berater damals.“ Er sollte sich irren. Tatsächlich verkaufte Groupon 580 Rabattgutscheine von Sonnenfeld. "Ich wurde überrannt und das hat meinen zeitlichen Rahmen natürlich völlig gesprengt und mich fast ruiniert“, so Sonnenfeld, die alle Groupon-Kunden nach und nach über das Jahr abarbeitete und sich für die Groupon-Kunden genauso viel Zeit nahm wie für jeden anderen Kunden.

Neben dem Zeitaufwand samt Einnahmeeinbußen ließen sich die Schnäppchenjäger kaum in Bestandskunden umwandeln oder zusätzliche Neukunden durch Weiterempfehlungen gewinnen. „Es war einfach das falsche Klientel, das über Groupon kam. Meine Standardpreise hätten die ja niemals bezahlt. Über die kamen keine Neukunden hinzu.“ Obwohl Sonnenfeld eigentlich von der Mundpropaganda lebt. „Normalerweise werde ich von Kunde zu Kunde weiterempfohlen. Doch bei den Groupon-Kunden hat das überhaupt nicht geklappt.“

„An die Anforderungen des Unternehmens angepasst und völlig risikofrei“, so beschreibt ein Werbefilm von Groupon http://www.grouponfunktioniert.de/ die Vorteile des größten Couponinganbieters für den Unternehmer. Doch diese Risikofreiheit endet aus Sicht der Hamburger Fotografin dort, wo auch die Interessen von Groupon aufhören. „Das war keine individuelle Beratung, sondern eine Beratung, die vor allem den Interessen von Groupon dient“, sagt die Fotografin heute. Doch die Hauptschuld gibt sich Sonnenfeld selbst. „Ich habe mich blenden lassen. Für eine kleine Selbstständige klingt das mit der Werbung durch Groupon mit seiner immensen Bandbreite erst einmal sehr attraktiv, natürlich habe ich mir darüber einiges für mein Marketing erhofft. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es meine eigene Schuld war. Ich habe mich schlecht informiert, vor allem nicht darüber, ob ich die Aktion hätte limitieren können.“

Denn eine Limitierung ist möglich, wenn der Unternehmer darüber mit Groupon verhandelt, sagt Guggenberger von Groupon: “Grundsätzlich haben unsere Partner, die auf Groupon.de einen Deal schalten, die Möglichkeit, die Menge der verkauften Gutscheine nach oben hin zu begrenzen – durch die Limitierung der Gutscheine, wie auch durch die Deal-Laufzeit. Wichtig ist dabei immer, dass der Partner die Möglichkeit hat, alle Groupon-Kunden optimal zu betreuen. Schätzt ein Partner unserer Meinung nach sein Kontingent zu hoch ein, würden wir den Deal in jedem Fall beschränken.“

Beispiel 3: Immer auf den letzten Drücker

Der Immobilienfachwirt Tarun Salman (Name wurde auf Wunsch des Zitatgebers geändert) hat sich mit seinem Hamburger Fitnessstudio ein zweites wirtschaftliches Standbein aufgebaut. Salman wurde im Juli dieses Jahres aus dem Nichts von einem Groupon-Mitarbeiter telefonisch angesprochen. Mit Groupon wollte er auf sein neues Muskelatur-Vibrationstraining in seinem Studio aufmerksam machen, für das er gerade erst die Gerätschaften angeschafft hatte. Eine 10er-Karte Vibrationstraining inklusive Beratung durch einen Personal-Trainer im Wert von 149 Euro für gerade einmal 29 Euro. Laufzeit 12 Monate zu einer Provision von 50 Prozent für Groupon, darauf einigte man sich.

Auch Salman unterschätzte die Marketingmaschine Groupon: 871 Gutscheine hatte er in Windeseile verkauft, gerechnet hatte er selbst mit „gut 100“.

Salman kann die Kritik von Sonnenfeld zum Teil nachvollziehen. Denn über die Möglichkeit einer Limitierung wurde auch er nicht aufgeklärt. „Der Groupon-Berater hat mit mir weder über die Möglichkeit einer anderen Quotelung der Provision und über die Möglichkeit, Limits zu setzen, gesprochen. Das war am Anfang keine faire Beratung, weil ich nicht über alle Möglichkeiten aufgeklärt wurde.“

Dass bei Groupon alles Verhandlungssache ist, sollte er erst später erfahren. „Einige Zeit nach dem ersten Deal hat mich der Berater wieder zu einem Deal überreden wollen, da ich aber unzufrieden war, wollte ich nicht zu diesen Konditionen mit Groupon weiter zusammenarbeiten. Dann rief ein anderer Mitarbeiter an und bot plötzlich eine Provisionsquote von 70 zu 30 für mich an. Auch dass ich Limits setzen konnte, habe ich erst dann erfahren. Ich wollte nämlich nicht möglichst viele Gutscheine verkaufen, sondern das Ganze begrenzen zu einem höheren Preis“, berichtet Salman. Und das sollte sich genau als die richtige Strategie herausstellen. In der zweiten Groupon-Aktion war „die Qualität dieser Kunden deutlich besser, da kamen einige später wieder.“

Was Salman besonders missfiel, war zu Beginn die fehlende Abstimmung. „Das hatte alles bisschen was von Drückermentalität und man musste sich immer ganz schnell entscheiden. Es gab viel zu wenig Abstimmung zum Start der eigenen Aktion. Alles musste furchtbar schnell gehen“, berichtet Salman, der sich allerdings von der Qualität des Anzeigentextes ebenso begeistert zeigt wie auch von der Nachbetreuung. „Super Texte, 1a recherchiert. Im Backoffice-Bereich arbeiten die da alle gut, da lief alles fair und anständig ab. Auch in der die Nachbetreuung zeigte sich Groupon sehr kooperativ“, berichtet Salman, der mit Groupon wieder dealen würde.

Fazit

Couponingangebote wie das von Groupon sind tatsächlich eine gute Möglichkeit, um auf sich und das eigene Angebot schnell aufmerksam zu machen. Wenn man die folgenden Punkte beherzigt, wird man als Unternehmer ohne Zusatzkosten gut damit fahren können.

  • Passt das Angebot/Geschäftsmodell zum Typus Schnäppchenjäger, kann dieser Kundentypus durch die Rabattaktion auch langfristig in einen Bestandskunden umgewandelt werden?
  • Lassen sich gar zusätzlich passende Produkte oder Dienstleistung zu der Aktion verkaufen?
  • Wie viele Aktionsgutscheine sind wirtschaftlich? Limitieren Sie die Aktion!
  • Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen; der Couponinganbieter ist auf Sie angewiesen, nicht andersherum.
  • Seien Sie bei der Aktion nicht zu günstig. Aus waschechten Schnäppchenjägern lassen sich weitaus schwieriger Bestandskunden machen.
  • Handeln Sie eine niedrigere Provision für den Couponinganbieter als die 50 % aus.
  • Falls die erste Aktion gut gelaufen ist, denken Sie daran, dass sich Ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Couponing Anbieter verbessert hat.
Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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